Editions Serge Mouille
Handwerk zwischen Vernunft und Folie
Wenige Leuchtenentwürfe verkörpern die Eleganz der Fünfzigerjahre so ikonisch wie die extravaganten Kreationen von Serge Mouille. In der französischen Provinz befindet sich eine Manufaktur, die die Entwürfe der Designikone originalgetreu nachbaut und in die ganze Welt exportiert.
Irgendwo zwischen Paris, Reims, Weidewiesen und einer stark befahrenen Nationalstraße liegt die unscheinbare, zunächst etwas trist anmutende Fabrikhalle des familiengeführten Unternehmens Editions Serge Mouille. „Es soll hier ganz bewusst etwas schäbig aussehen“, sagt Geschäftsführer Didier Delpiroux entschuldigend, als wir nach zwanzigminütiger Autofahrt vom nächstgelegenen Bahnhof das Fabrikgelände erreichen – verständlich, denn schließlich werden hier jährlich ungefähr 2.000 Lampenmodelle nachgebaut.
Zwar kosten die Wiederauflagen der Mouille-Leuchten bei weitem nicht die fünfstelligen Summen, die mittlerweile für die selten gewordenen Originale im Auktionshandel gezahlt werden. Dennoch haben die nachgebauten Modelle im Retrolook, die oft wie wohlgeformte Brüste an filigranen Gliedmaßen aussehen, einen stolzen Preis – und werden folglich immer öfter und dreister kopiert. „Theoretisch müssten wir zwei Leute in Vollzeit einstellen, um gegen dieses florierende Business vorzugehen. Aber erstens haben wir dazu nicht die finanziellen Mittel“, ereifert sich Geschäftsführer Delpiroux, „und zweitens machen industriell produzierte Mouille-Kopien vom Fließband absolut keinen Sinn.“
Denn dem Perfektionisten Serge Mouille ging es nicht nur um ästhetisch-erotische Formensprache, sondern auch um maximale Funktionalität. Seine Leuchten sollten sich den Bedürfnissen ihrer Benutzer anpassen und Räume in Bewegung setzen. Dazu feilte er jahrelang wie besessen an der besten Technik für den idealen Lichteinfall, den er nur durch manuell gebogene Stahlstäbe und Reflektoren meinte erreichen zu können. Alle Halterungen und Messingschrauben müssen von technischer Raffinesse sein und von Hand eingesetzt werden, damit sich die Reflektoren in praktisch alle Richtungen drehen lassen. Und auch in farblicher Hinsicht hatte er klare Vorstellungen: Nur Schwarz wollte er verwenden, weil es am besten die Form betone. Nach diesen handwerklichen Prinzipien entwarf Mouille zwischen 1951 und 1963 insgesamt mehr als 50 Modelle.
Seine Arbeiten wurden hauptsächlich in der avantgardistischen Galerie Steph Simon in Paris gezeigt, die auch Werke von Jean Prouvé, Isamu Noguchi, Pierre Chapo oder Charlotte Perriand vertrieb. Leinwandgrößen wie Yves Montand, Brigitte Bardot und Simone Signoret kamen häufig auf einen Drink vorbei, die Ausstellungseröffnungen waren bald gesellschaftliche Events.
Später gerieten Mouilles Werke in Vergessenheit, bis ihn in den Neunzigerjahren einflussreiche Publikationen als einen „französischen Klassiker des 20. Jahrhunderts“ feierten und Galerien in Paris und New York Serge Mouille mit Einzelausstellungen ins Gedächtnis der Design-Enthusiasten und Sammler zurückriefen. Weil es jedoch schon damals nur noch wenige von den aufwendig hergestellten Originalen gab, bewilligte seine Witwe Gin die Wiederauflage der Kollektionen ihres 1988 verstorbenen Mannes und gründete die Manufaktur Editions Serge Mouille. Seit 1999 werden hier ausschließlich auf Bestellung Lampen gebaut, die sich streng an den handwerklichen Prinzipien des Designers orientieren.
„In unserem Atelier arbeiten keine ausgebildeten Silberschmiede, wie Mouille es war. Ich verlange auch keine bestimmten Diplome oder Vorkenntnisse. Allerdings kann hier nur bestehen, wer eine gewisse Affinität und das notwendige Verantwortungsbewusstsein für die extrem präzisen Produktionsvorgänge besitzt“, erklärt Delpiroux die Zusammensetzung seines Teams.
Didiers Zukunftsvision ist nicht innovativ, sondern traditionell. Sein Leitmotiv bleibt die strikte Weiterführung der künstlerischen Handschrift von Serge Mouille. „Natürlich berücksichtigen wir auch Sonderwünsche unserer Kunden. Aber wenn diese zu weit von Mouilles Vorstellungen abweichen, lehne ich sie ab, auch wenn wir den Auftrag dadurch verlieren. Da bin ich knallhart und mache keine Ausnahme. Selbst wenn morgen der französische Staatspräsident anrufen würde.“