Einrichtungsratgeber Büro: Die Insignien der Macht
Was macht ein Büro zum Executive Office? Materialien, Formen und Details zeigen, wer das Sagen hat.

Auch wenn die Hierarchien in der Arbeitswelt immer flacher werden: Ganz ohne Repräsentation geht es nicht. Wer Chef ist, hat einen Anspruch auf klar erkennbare Privilegien. Edle Materialien, skulpturale Formen und ausgefeilte Details lassen keinen Zweifel, wem die Macht gebührt.
Eines gleich vorweg: Die Dinge, die wir Ihnen in diesem Einrichtungsratgeber nahelegen, sind nur Requisiten für eine Bühne, die Sie selbst bespielen müssen: Sowohl als Person als auch mit einer Auswahl an persönlichen Objekten, Fotos, Souvenirs und Kunstwerken. Unvergessen ist Helmut Kohls Bonner Arbeitszimmer mit heimeliger Münzsammlung sowie unzähligen geschnitzten Holzfiguren (darunter zahlreiche Elefanten). Auch im Film sind exzentrische Raumdetails unerlässlich, um Charakteren Tiefe zu verleihen.
So warten die Machtzentralen von Bond-Bösewichten gerne mit gestohlenen Meisterwerken, elektronisch gesteuerten Türen und Wänden, weißen Katzen oder gar mit Wasserbecken voller Piranhas auf. Und hätte Bert Cooper, der fiktive Werbeboss aus Mad Men, seine Führungsrolle nicht besser auf den Punkt bringen können als mit japanischen Erotikdrucken und einem blutroten Rothko-Gemälde, das Besucher und Belegschaft gleichermaßen sprachlos zurücklässt? Benutzen auch Sie Ihre Fantasie, um aus Ihrem Arbeitsplatz einen einzigartigen Ort zu machen. Ein Ort, über den nur Sie regieren und an dem Sie die wichtigen Aufgaben, die zweifelsohne täglich auf Sie warten, mit Bravour bestehen werden.
Der Schreibtisch
Es muss nicht immer ein schwerer Klotz sein wie jenes Exemplar, an dem Barack Obama im Oval Office Platz nimmt. Als Andrée Putman in den achtziger Jahren das Büro des französischen Kulturministers umbaute, versetze sie dem Schreibtisch einen sanften Schwung. Auch Angela Merkels Schreibtisch im Berliner Kanzleramt setzt auf gerundete Tischkanten, die dem Gegenüber eine weniger abgegrenzte Position einräumen. An den Regeln für einen Chefschreibtisch hat sich daran dennoch nichts geändert: Er muss breit, voluminös und skulptural erscheinen. Zwei adäquate Modelle hat Rodolfo Dordoni mit seiner Serie Jobs (2014) für Poltrona Frau entworfen. Sowohl der President Desk als auch der Executive Desk verfügen über Tischplatten aus Eiche, die mit schmalen Schubfächern für Füllfederhalter und Schreibutensilien sowie versteckten Kabelführungen zum Anschluss technischer Geräte ausgestattet sind. Während der Präsidentenschreibtisch über eine stets gerade Platte verfügt, kann der Executive Desk mit einer seitlichen, runden Besprechungsinsel kombiniert werden.
Staatstragend zeigt sich auch der Tisch Vendôme (2015) von Giulio Cappellini. Die Materialität des französischen Marmors bringt einen Hauch von Ewigkeit in den schnelllebigen Büroalltag – und macht unmissverständlich deutlich, dass dessen Besitzer das Sagen hat. Skulptural und anmutig wirkt der Schreibtisch Cavour, den Carlo Mollino 1949 entwarf und der heute von Zanotta gefertigt wird. Der Entwurf setzt konsequent auf Leichtigkeit, indem eine gläserne Tischplatte von einem asymmetrisch-auskragenden Holzgestell getragen wird, das den Eindruck eines gespannten Bogens erzeugt. Das Möbel wirkt elegant und dynamisch zugleich – und vermittelt somit Größe, ohne dafür dick auftragen zu müssen.
Kein anderes Möbelstück symbolisiert so viel Macht wie der Stuhl. Schon in der Antike galt eine hohe Lehne als Hoheitszeichen, und bis heute wird diese Sprache in der Geschäftswelt verstanden. Das Prinzip ist so einfach wie wirkungsvoll: Selbst filigrane Entwürfe wie der Aluminium Chair von Charles und Ray Eames (1958, produziert von Vitra) lassen mit einer erhöhten Kopfstütze keinen Zweifel an der Hierarchie der Sitzordnung aufkommen. Doch es geht auch anders: Wenn Michael Douglas in seiner Paraderolle als skrupelloser Investmentbanker Gordon Gekko im Film Wall Street (1987, Regie: Oliver Stone) in Erscheinung tritt, dann auf einem dick gepolsterten Eames Executive Chair (1960, produziert von Herman Miller).
Der Entwurf, der eigens für die Möblierung der Chefetage des Time-Life-Building in New York entwickelt wurde, ähnelt von seinem Aufbau dem Aluminium Chair. Doch anstelle eines leichten Stoffs werden massive Polster zwischen zwei Aluminiumschienen eingespannt. Ein weiterer Klassiker der machtbetonten Chefbestuhlung ist der Pollock Executive Chair, den Charles Pollock 1963 für Knoll International entwarf. Dessen Erkennungszeichen ist ein umlaufendes Band aus Aluminium, das die lederbespannte Sitzfläche und die schwarze Kunststoffschale voneinander trennt und den Charme der Mad-Men-Ära treffend auf den Punkt bringt.
Der Besucherstuhl
Auch der Besucherstuhl ist Teil der Repräsentation. Nicht ohne Grund stehen hier vor allem Klassiker aus der Frühtagen der Moderne hoch im Kurs, die gleichermaßen Designbildung und Zeitlosigkeit suggerieren. Ein Favorit ist Mies van der Rohes Brno Chair, der 1929 für die Möblierung der Villa Tugendhat entworfen wurde und heute von Knoll International produziert wird. Warum der Stuhl in Filmsets wie Patrick Batemans 80er-Jahre-Yuppie-Büro aus American Psycho (2000, Regie: Mary Harron) ebenso auftritt wie in der Realität, hat einen einfachen Grund: Ursprünglich für die Bestuhlung des Esstisches konzipiert, versprühen die rund-gebogenen Lehnen etwas Sanftes. Die Hosen hat ganz gewiss das Gegenüber an.
Das Loungemöbel
Nur wer Chef ist, darf sich ein Nickerchen im Büro gönnen. Komfort und Repräsentation vereint noch immer das Barcelona Day Bed, das Mies van der Rohe für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1929 konzipiert hatte und das heute ebenfalls von Knoll International gefertigt wird. Auf einem weiteren Klassiker nimmt Film-Werbeboss Roger Sterling in der Serie Mad Man Platz: Le Corbusiers Chaiselongue LC4 aus dem Jahr 1929. Der zusammen mit Charlotte Perriand und Pierre Jeanneret entwickelte Entwurf wird seit 1964 von Cassina in Serie produziert. Ist die Neigung der Liege durch einen Metallrahmen fixiert, vermag Franco Albinis Chaiselongue Canapo 837 (1948, ebenfalls produziert von Cassina) tatsächlich wie ein Spielzeug zu schaukeln. Als König unter den Loungemöbeln gilt noch immer der Lounge Chair von Charles und Ray Eames (1956, produziert von Vitra), mit dem das Gestalterpaar den klassischen englischen Clubsessel in die Moderne überführen wollte. Mit den Jahren ist das Möbel auch in seinen Dimensionen leicht gewachsen und dient als ideale Rückzugsinsel, um ganz große Strategien zu entwickeln.
Die Schreibtischleuchte
Eine Tolomeo-Leuchte haben alle. Wer Chef sein will, braucht einen anderen Klassiker. Bereits zu ihrer Einführung in den frühen 1930er Jahren galt die Leuchte 6631 von Kaiser Idell als adäquate Beleuchtung potenter Schreibtische. Der schwarze, schwarzgrüne oder elfenbeinfarbene Schirm wird bis heute von Hand hochglänzend lackiert. Der runde Sockel greift mit seinem verchromten Rand die Krümmung des Leuchtenarms sowie die Wölbung des Schirms auf und erzeugt so ein stimmiges Ganzes. Ein atmosphärisches und dennoch zum Lesen bestens geeignetes Licht spendet die Tischleuchte PH4/3 (1952) von Louis Poulsen. Der Entwurf von Poul Henningsen basiert auf einer logarithmischen Spirale, die die Lichtquelle ins Zentrum rückt und das Licht mithilfe dreier Schirm-Ringe blendfrei auf die Tischoberfläche reflektiert.
Das Schreibtischset
Jeder Schreibtisch braucht die richtigen Utensilien. Ganz klar, dass Kunststoff im Chefbüro nichts zu suchen hat. Auf den Charme von Patina setzt Tom Dixon mit seinem aus massivem Kupfer gefertigten Büroset Cube Desk Tidy (2015), das Klammeraffen, Klebeband- und Stifthalter umfasst. Wirkt die Formensprache der einzelnen Objekte betont rau und industriell, setzt das Londoner Designbüro Poetic Lab mit seinem Büroset Beyond Object (2015) auf stilistische Verfeinerung. „Wir reduzieren jedes Objekt auf sein Minimum und schauen, was übrig ist. Dann beginnen wir, einige emotionale Anknüpfungspunkte hinzuzufügen“, erklären die Designer ihren Ansatz. Der aus Kupfer gefertigte Klebebandabroller wird von konkav gewölbten Schellen eingefasst und mittels eines Z-förmigen Halters in Position gebracht. Der Bleistiftanspitzer Funno verfügt über eine sinnlich nach innen fließende Oberkante. Und der Brieföffner Lino erscheint lediglich als Silhouette eines Messers, bei dem die geschlossenen Flächen aufgegeben wurden zugunsten zweier filigraner Linien, die sich je nach Position immer wieder neu überlagern.
Wer global denkt, darf die Welt nicht aus dem Blick verlieren. Nicht ohne Grund gehören Globen und Weltkarten zur Grundausstattung der Mächtigen. Besonders staatstragend wirken Modelle mit schwarz gefärbten Meeren – von denen auch Angela Merkel ein Exemplar auf ihrem Schreibtisch im Berliner Kanzleramt präsentiert. Dass der Designanspruch nicht auf der Strecke bleiben muss, zeigt der Corona-Globus von Oki Sato (2010) für Cos, bei dem die schwarzen Kontinente von weißen Meeren abgesetzt werden. Die Modellreihe Full Circle des Herstellers Atmosphere (Design: Claus Jensen & Henrik Holbaek) setzt ebenfalls auf einen puristischen Auftritt und ist in verschiedenen Farben sowie mit einer integrierten Beleuchtung erhältlich.
Der Füllfederhalter
Natürlich kommt bei einer Vertragsunterzeichnung kein gewöhnlicher Schulfüllfederhalter zum Einsatz. Ein Klassiker ist zweifelsohne das Meisterstück von Montblanc aus dem Jahr 1924. Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums wurde eine Sonderedition mit Rotvergoldungen aufgelegt, deren Feder mit einer 90-Gravur verziert ist. Auf den Spuren von Friedrich dem Großen bewegt sich Graf von Faber-Castell mit dem auf 1.000 Exemplare limitierten Füller des Jahres 2015: Sanssouci, Potsdam. Der platinierte Schaft ist von einem grünen Schlangenmotiv überzogen, während die Kappe von einem grau schimmernden, russischen Quarz mit Facettenschliff gekrönt wird. Doch Vorsicht: Geben Sie acht, dass Ihr Vertragspartner den teuren Stift nicht einfach mitgehen lässt wie Tschechiens früherer Präsident Václav Klaus. 2011 hatte er bei einer Vertragsunterzeichnung in Chile den Füller einfach in seiner Sakko-Tasche verschwinden lassen. Dumm nur, dass zahlreiche Kameras auf ihn gerichtet waren und der Vorfall zum wenig staatsmännischen Youtube-Hit avancierte.
Das Trinkservice
Soviel Mad Men muss sein. Auch wenn wir keinen Trinker aus Ihnen machen wollen: Allein der Geste wegen ist ein Trinkservice im Chefbüro unerlässlich. Schließlich wollen unterzeichnete Verträge angemessen gefeiert werden. Ein Klassiker, der in jeder Büroeinrichtung eine gute Figur abgibt, ist das Trinkservice No. 248 von Adolf Loos. 1931 für die American Bar in Wien entworfen, wird das Becher- und Flaschenset bis heute von Lobmeyr produziert. Die Besonderheit der schmuck- wie halslosen Wasser-, Wein-, Sekt- und Whiskygläser liegt auf ihrem Boden. Dort kreuzen sich subtile, seidenmatt polierte Brillantschliffe und verleihen den Gläsern eine besonders angenehme Haptik.
Die Uhr
Am Arbeitsplatz der Mächtigen ist eine Tischuhr unerlässlich. Dass die von Jaeger-LeCoultre produzierte Atmos den Beinamen „Uhr der Präsidenten“ erhielt, hat sie der Schweizer Regierung zu verdanken. Seit den fünfziger Jahren wird der Zeitmesser als offizielles Geschenk an Staatsgäste und Vertreter aus Kunst und Kultur eingesetzt. Winston Churchill, John F. Kennedy und Johannes Paul II. haben ebenso wie Albert Camus oder Charlie Chaplin eine dieser Uhren erhalten, die je nach Ausstattung zwischen 5.000 und 90.000 Euro kosten. Das Geheimnis der Atmos basiert auf ihrer hermetisch verschlossenen Kapsel, die mit dem Gas Chlorethan gefüllt ist. Bei steigender Zimmertemperatur dehnt sich das Gas am Tag aus und zieht sich bei sinkender Temperatur am Abend wieder zusammen. Bereits eine Differenz von einem Grad Celsius genügt, um die Mechanik für 48 Stunden zum Laufen zu bringen. Die 1928 entwickelte Uhr wartet so mit einer biblischen Haltbarkeit von geschätzten 600 bis 1.000 Jahren auf. Genau richtig für all jene, die ihre Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben brauchen.
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