Grüezi Zürich!
Eine Reise an die Limmat mit Architektur- und Designtrouvaillen
Es ist Winter in Zürich und die Sonne scheint. Menschen flanieren die Bahnhofstrasse entlang, verbringen die Mittagspause am See, frönen dem Müßiggang in einem Café oder Restaurant. Wir waren drei Tage dort und sind mit einer prall gefüllten Tasche voller Architektur- und Designtrouvaillen zurückgekehrt.
Wer Anfang der Neunzigerjahre Zürich besuchte, fiel rasch der Langeweile anheim. Irgendwie schien die Zeit in der größten Stadt der Schweiz stillzustehen. Die immer gleichen Läden, Restaurants und Cafés. Außergewöhnlich allerdings waren das große kulturelle Angebot und die landschaftlich reizvolle Lage an Limmat, Reuss, Sihl und Zürichsee. An Geld mangelte es in Zureich, wie die Stadt in den Achtzigerjahren von der sogenannten Häuserbewegung genannt wurde, indes nie. Doch bekanntlich ist es gerade dort, wo es knapp ist, am kreativsten. Wegen der hohen Lebenskosten und noch höheren Immobilienpreise findet sich in Zürich kaum Off-Kultur, Kreative müssen sich ihre Nischen mühsam erkämpfen. Alles erscheint hier immer ein wenig zu glatt, zu schön, um wahr zu sein.
Doch in den letzten Jahren geriet so einiges in Bewegung, und daran hat die Architektur- und Designszene einen bedeutenden Anteil. Zürich boomt, immer mehr Menschen ziehen hierher. Und sie müssen irgendwo untergebracht werden, weshalb sich die Stadt in ein Labor neuer Wohnformen entwickelt hat. Das sagt die ETH-Professorin und Architektin Elli Mosayebi, die mit dem Performativen Haus auf dem Dach des ETH-Architekturgebäudes am Hönggerberg gerade einer dieser neuen Wohnformen ausprobiert. Ebenso wie die Genossenschaft Kalkbreite, wo aus einer Idee schon Wirklichkeit geworden ist. Neben einem Mehrparteienhaus gibt es an zentraler städtischer Lage auch öffentlich zugängliche Räume wie eine Pension, Restaurants und Läden, die ein ganzes Quartier beleben. Gleich gegenüber haben sich Läden wie Edition Populaire und das Taschenlabel Qwstion angesiedelt.
Dass seit einigen Jahren abseits gelegene oder vergessene Quartiere wie Altstetten, der berüchtigte Kreis 4 am Landesmuseum oder das Industriequartier im Kreis 5 (wieder-)belebt werden, ist auch guter Architektur und Gestaltung zu verdanken. Mit frisch restaurierten und/ oder um Neubauten ergänzten Gebäuden wie dem Pavillon Le Corbusier, dem Landesmuseum und dem Museum für Gestaltung tragen sie dazu bei, dass Zürich ganz oben auf der Agenda von architektur- und designinteressierten Reisenden steht.
Unsere Architektur- und Designtipps für ein verlängertes Wochenende in Zürich
SCHLAFEN, ESSEN & TRINKEN
Placid Hotel
Altstetten war lange Jahre ein vergessenes Quartier, obwohl die Lage am Uetliberg schön ist, Bauernhöfe und saftig grüne Wiesen mit dem Klingen von Kuhglocken locken. Doch gibt es hier traditionell auch viel Industrie, weshalb Altstetten auf den ersten Blick etwas unwirtlich wirkt. Doch ein zweiter Blick lohnt sich, wie das Viersterne-Hotel Placid zeigt. Entworfen vom Zürcher Büro E2A Architekten, bietet die Corner Suite nicht nur einen Blick auf die Stadt (und bei gutem Wetter bis zu den Alpen), die Beton-Brut-Architektur des Zimmers ist geradezu eine gestalterische Wohltat. Das Schroff-Kühle des Betons wird aufgelockert durch bodentiefe Fenster, einen rundherum verlaufenden hellblauen Vorhang, maßgefertigten Holzeinbauten und Möbeln von Horgenglarus. Und zum Frühstück gibt es Birchermüsli!
Bar Campo
Dieses Restaurant sieht so aus, wie man sich Architektur aus der Schweiz gemeinhin vorstellt: clean & cool. Die Bar Campo am Helvetiaplatz ist ein Entwurf des Zürcher Büros Philippe Stuebi Architekten, der in enger Zusammenarbeit mit den Betreibern enstanden ist. Sie kombinieren im Interior sehr elegant und minimalistisch Sichtbeton mit Vollholzdouglasie und einem abgeschliffenen Terrazzoboden. Hier gibt es einfache Speisen wie Tagliatelle al Ragù, Bufala e Crudo und Saporelli Ceresi – mit Zutaten vom Markt gegenüber.
Hiltl
Hiltl ist ein Klassiker der Zürcher Gastroszene. Das vegetarische Restaurant, das inzwischen verschiedene Dependancen in der Stadt hat, ist vielleicht kein gestalterischer Augenschmaus, aber ganz sicherlich ein kulinarischer. Hier wird vegetarische Küche auf höchstem Niveau geboten – für schweizerische Verhältnisse zu durchaus zivilen Preisen. Neben dem A-la-carte-Restaurant ist das legendäre Buffet (to go oder to stay) auch etwas für eilige Reisende.
KULTUR
Landesmuseum Zürich
Es ist nicht zu übersehen: Das Landesmuseum Zürich liegt gleich hinter dem Hauptbahnhof, in einer festungsartigen Türmchenarchitektur aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Das Basler Architekturbüro Christ & Gantenbein hat den altehrwürdigen Bau nun um einen gefalteten und geschrägten Betonriegel ergänzt, was einen schönen visuellen Kontrast ergibt. Auch wer nur kurz in Zürich bleibt, sollte sich dieses Museum unbedingt anschauen! Es gibt hier nicht nur einen bemerkenswert gut sortierten Museumsshop mit geschmackvollen Schweiz- und Zürich-Souvenirs, sondern eine überaus gelungene, neue Sammlungspräsentation. Inklusive bemalten Kachelöfen, kompletten Zimmern aus Zürcher Zunfthäusern und kunstvollen historischen Gewändern.
Museum für Gestaltung Zürich
Nur ein paar Schritte entfernt vom Landesmuseum findet sich ein Juwel der Zürcher Museumslandschaft. Im März 2018 wurde das Museum für Gestaltung nach dreijähriger Restaurierung wiedereröffnet, und die architektonischen Qualitäten des denkmalgeschützten Gebäudes von Adolf Steher und Karl Egender aus den Dreißigerjahren kommen nun so richtig zum Vorschein. Neben Sonderausstellungen zeigen die Collection Highlights 2.000 Objekte, die teils unprätentiös und überraschend nebeneinander stehen. Der Ausstellungsbereich Ideales Wohnen zeigt verschiedene gestalterische Ideen des Wohnens quer durch das Jahrhundert exemplarisch an Wohnräumen auf – mitsamt Schweiz-Fokus. Weiteres Highlight des Museums: die wunderbare Plakatsammlung.
Pavillon Le Corbusier
Schon der Ort des letzten Bauwerks des Schweizer Architekten Le Corbusier ist spektakulär: Das Stahl-Glasgebäude von 1967 befindet sich im Seefeld direkt am Zürichsee. Nach einer grundlegenden Sanierung kann man im Garten nicht nur umherspazieren, sondern im Inneren lauter schöne Dinge entdecken: Die Eröffnungsausstellung Mon univers widmet sich der Sammelleidenschaft Le Corbusiers und zeigt Stücke aus seiner Privatsammlung, historische Fotografien, Abgüsse und Malereien. Einen guten Blick hat man auf der Dachterrasse des Gebäudes.
SHOPPING
Bahnhofstrasse
Die Bahnhofstrasse ist für Zürich das, was für Berlin der Kurfürstendamm ist: die Shoppingmeile überhaupt. Sie zieht sich vom Hauptbahnhof bis zum See, was ein passender Kennenlernspaziergang für Zürich ist. Während sich im vorderen Teil des Boulevards, der für den Autoverkehr gesperrt ist und von verschiedenen Tramlinien befahren wird, neben dem berühmten Kaufhaus Globus eher gesichtslose Kettenläden aneinanderreihen, geht es im hinteren Teil ab dem Paradeplatz ziemlich nobel zu.
Neumarkt/ Altstadt
Die Altstadt von Zürich ist äußerst pittoresk und die Dichte an ungewöhnlichen Läden besonders hoch. Hier gibt es Schmuckläden (Friends of Carlotta), Teppichläden mit Sitzkissen und Kelims aus dem Orient (Nomadenschätze), einen Shop mit Drechslerarbeiten (DrechselWerk) und einen gut sortierten Möbelladen (neumarkt 17).
Kalkbreite
Mit der Tramlinie 2 fährt man zur Kalkbreite. Vor einigen Jahren ging es dort shopping-technisch noch etwas trostlos zu, doch nun finden sich überall kleine Läden, Cafés und Restaurants mit individuellen Angeboten. Besonders interessant für Designliebhaber sind unsere Lieblinge Edition Populaire und Qwstion. Spannend ist auch die Mischung mit Läden, die kuriose Produkte wie Rüschenkleider im Achtzigerjahre-Look und pinkfarbene Pumps in Größe 43 führen.