imm cologne 2017: Jung, reibungslos, glücklich
Nur nicht zu bequem machen! Die Nachwuchsprojekte der Kölner Designwoche.

Mögen Jungdesigner in der Vergangenheit als Träumer, Idealisten und Weltverbesserer belächelt worden sein; im Augenblick treten sie eher als als Gegenteil all dessen auf. Bereits in den letzten Jahren deutete sich an: Die Designstudierenden und Absolventen scheitern nicht mehr am Versuch. Zu selten werden überhaupt noch Experimente gewagt. Auch zur Kölner Designwoche stellten sich nur wenige echten Herausforderungen. Lichtblicke gab es dennoch.
Es lässt sich keinem verübeln, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Die großen Hersteller machen es seit längerem vor und mischen ihren entwicklungsintensiveren Produkten kleinere, dekorative Objekte bei. Und für den Einstieg, so mag sich der Nachwuchs denken, könnte es sinnvoll sein, es den etablierten Herstellern gleichzutun, statt das Risiko einzugehen, am Ende „nur“ ein Konzeptprodukt abzuliefern. Wenn auch das Leben zeigt, dass der einfachste später immer der schwerste Weg sein wird.
Ein trügerisches Signal
Bei einem Blick auf die 21 Nominierten des Pure Talents Contest, in dem die imm cologne nun zum 14. Mal die drei besten jungen Designer auszeichnete, ließen sich immerhin einige der gezeigten Beiträge – so ausgereift sind die meisten – problemlos bekannten Marken zuordnen. Dass die Jury, bestehend aus den Designern Sebastian Herkner, Rianne Makkink und Harry Paul van Ierssel sowie zwei Vertretern von Designmedien, ausgerechnet die am wenigsten konzeptionellen Projekte an der Spitze sah, wird die kreativen Prozesse künftiger Jahrgänge nicht gerade befruchten. Eine Stehleuchte aus einem zweifach gebogenem Stab, eine frei platzierbare, akkubetriebene Pendelleuchte und ein Spiegel für die Zimmerecke: zweifelsohne drei schöne Objekte. Doch wird hier nicht ein trügendes Signal gegeben, dass für den Erfolg kaum Reibung nötig sei?
Verewigter Moment
Unter den ausstellenden Hochschulen gab es von der Burg Giebichenstein gleich mehrere interessante Ansätze zu entdecken. ShuTing Fang und Wanhyun Ko haben sich für ihre Keramiktrinkflasche Weather&Memory mit der Frage beschäftigt, wie der Nutzer in den Gestaltungsprozess des Produktes einbezogen werden kann. Das Gefäß ist mit einem lichtempfindlichen, farblosen Material behandelt. Sobald es dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, verfärbt es sich je nach Lichtintensität hell- bis dunkelblau. Deckt man einzelne Stellen ab, etwa mit Pflanzenblättern, lassen sich darin individuelle Muster verewigen.
Performative Gestaltung
Personalisiert sind auch die Schuhe, die Leon Kucharski entwickelt hat. Zur Herstellung seiner Temaki Sneaker nimmt der Kunde auf einem Hochstuhl Platz und wird Zeuge des Entstehungsprozesses, wenn Schlaufe, Schaumstoff und weitere Komponenten zur Sandale zusammengefügt werden. Dass die Performance – auch wenn sie zur Messe leider nicht inszeniert wurde – vielleicht mehr zählte als das Produkt, brachte eine gelungene Abwechslung in all das perfektionierte Jungdesign. Ähnlich wie Carolin Schulze, die mit ihrem Projekt Culinary Hacking zunächst den Prozess des Fermentierens erklären wollte und dabei auf die Erzeugung von bakterieller Zellulose aus der Kombucha-Herstellung gestoßen ist. Mit dem „Kulturbeutel“, den sie aus diesem ledrigen Material fertigte, liefert die Studentin ein Starterset zum Fermentieren mit vielen hilfreichen Werkzeugen.
Nackte Gegenstände
Abseits des Messegeländes konnte man viel versprechendes Nachwuchsdesign in der Ausstellung Naked Objects - Nieuwe German Design von Alexandra Klatt und Max Borka entdecken. Neben jungen Designstudios waren hier Studierende der Berliner UdK vertreten, die sich dieses Jahr für einen Auftritt außerhalb der imm cologne entschieden hat. In ihrem Projekt Oikos – Let´s Cook hat May Kukula untersucht, wie Koch- und Esskultur sich besser in Arbeitsumgebungen einbinden lassen. An einer rollbaren Kücheninsel kann gemeinsam gekocht, gegessen und gearbeitet werden.
Skulpturen aus Kohle
Den experimentellen Weg ging Philipp Weber mit seinem Versuchsaufbau From Below, und blieb damit eine der wenigen Ausnahmen unter den Jungdesignern in Köln. Inspiriert vom Besuch einer Kohlemine auf den Spuren seines Urgroßvaters, entwickelte der Student eine Miniaturkokerei, um darin mit Kokskohle zu experimentieren und Skulpturen aus Koks herzustellen. Was er aus den fragilen schwarzen Formen machen wird, so Philipp Weber, wisse er noch nicht. Ihm sei es ein Anliegen, diesen Prozess ans Licht zu bringen, „der in der Industrie für das bloße Auge immer versteckt geblieben ist“.
Mit brennenden Fragen befassen sich im Augenblick die wenigsten Nachwuchsdesigner – und laufen damit Gefahr, im Sumpf der Beliebigkeit zu versinken. Mehr Wissenshunger wäre angebracht. Auch, damit mal wieder jene Unbefangenheit belächelt werden kann, die in der Praxis oft früh genug abhanden kommt.
Was wir in Köln entdeckt haben: Bildergalerie ansehen…
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imm cologne
www.imm-cologne.deMehr Stories
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