Stories

imm cologne 2017: Jung, reibungslos, glücklich

Nur nicht zu bequem machen! Die Nachwuchsprojekte der Kölner Designwoche.

von Markus Hieke, 23.01.2017

Mögen Jungdesigner in der Vergangenheit als Träumer, Idealisten und Weltverbesserer belächelt worden sein; im Augenblick treten sie eher als als Gegenteil all dessen auf. Bereits in den letzten Jahren deutete sich an: Die Designstudierenden und Absolventen scheitern nicht mehr am Versuch. Zu selten werden überhaupt noch Experimente gewagt. Auch zur Kölner Designwoche stellten sich nur wenige echten Herausforderungen. Lichtblicke gab es dennoch.

Es lässt sich keinem verübeln, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Die großen Hersteller machen es seit längerem vor und mischen ihren entwicklungsintensiveren Produkten kleinere, dekorative Objekte bei. Und für den Einstieg, so mag sich der Nachwuchs denken, könnte es sinnvoll sein, es den etablierten Herstellern gleichzutun, statt das Risiko einzugehen, am Ende „nur“ ein Konzeptprodukt abzuliefern. Wenn auch das Leben zeigt, dass der einfachste später immer der schwerste Weg sein wird.

Ein trügerisches Signal
Bei einem Blick auf die 21 Nominierten des Pure Talents Contest, in dem die imm cologne nun zum 14. Mal die drei besten jungen Designer auszeichnete, ließen sich immerhin einige der gezeigten Beiträge – so ausgereift sind die meisten – problemlos bekannten Marken zuordnen. Dass die Jury, bestehend aus den Designern Sebastian Herkner, Rianne Makkink und Harry Paul van Ierssel sowie zwei Vertretern von Designmedien, ausgerechnet die am wenigsten konzeptionellen Projekte an der Spitze sah, wird die kreativen Prozesse künftiger Jahrgänge nicht gerade befruchten. Eine Stehleuchte aus einem zweifach gebogenem Stab, eine frei platzierbare, akkubetriebene Pendelleuchte und ein Spiegel für die Zimmerecke: zweifelsohne drei schöne Objekte. Doch wird hier nicht ein trügendes Signal gegeben, dass für den Erfolg kaum Reibung nötig sei?

Verewigter Moment
Unter den ausstellenden Hochschulen gab es von der Burg Giebichenstein gleich mehrere interessante Ansätze zu entdecken. ShuTing Fang und Wanhyun Ko haben sich für ihre Keramiktrinkflasche Weather&Memory mit der Frage beschäftigt, wie der Nutzer in den Gestaltungsprozess des Produktes einbezogen werden kann. Das Gefäß ist mit einem lichtempfindlichen, farblosen Material behandelt. Sobald es dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, verfärbt es sich je nach Lichtintensität hell- bis dunkelblau. Deckt man einzelne Stellen ab, etwa mit Pflanzenblättern, lassen sich darin individuelle Muster verewigen.

Performative Gestaltung
Personalisiert sind auch die Schuhe, die Leon Kucharski entwickelt hat. Zur Herstellung seiner Temaki Sneaker nimmt der Kunde auf einem Hochstuhl Platz und wird Zeuge des Entstehungsprozesses, wenn Schlaufe, Schaumstoff und weitere Komponenten zur Sandale zusammengefügt werden. Dass die Performance – auch wenn sie zur Messe leider nicht inszeniert wurde – vielleicht mehr zählte als das Produkt, brachte eine gelungene Abwechslung in all das perfektionierte Jungdesign. Ähnlich wie Carolin Schulze, die mit ihrem Projekt Culinary Hacking zunächst den Prozess des Fermentierens erklären wollte und dabei auf die Erzeugung von bakterieller Zellulose aus der Kombucha-Herstellung gestoßen ist. Mit dem „Kulturbeutel“, den sie aus diesem ledrigen Material fertigte, liefert die Studentin ein Starterset zum Fermentieren mit vielen hilfreichen Werkzeugen.

Nackte Gegenstände
Abseits des Messegeländes konnte man viel versprechendes Nachwuchsdesign in der Ausstellung Naked Objects - Nieuwe German Design von Alexandra Klatt und Max Borka entdecken. Neben jungen Designstudios waren hier Studierende der Berliner UdK vertreten, die sich dieses Jahr für einen Auftritt außerhalb der imm cologne entschieden hat. In ihrem Projekt Oikos – Let´s Cook hat May Kukula untersucht, wie Koch- und Esskultur sich besser in Arbeitsumgebungen einbinden lassen. An einer rollbaren Kücheninsel kann gemeinsam gekocht, gegessen und gearbeitet werden.

From Below

Skulpturen aus Kohle
Den experimentellen Weg ging Philipp Weber mit seinem Versuchsaufbau From Below, und blieb damit eine der wenigen Ausnahmen unter den Jungdesignern in Köln. Inspiriert vom Besuch einer Kohlemine auf den Spuren seines Urgroßvaters, entwickelte der Student eine Miniaturkokerei, um darin mit Kokskohle zu experimentieren und Skulpturen aus Koks herzustellen. Was er aus den fragilen schwarzen Formen machen wird, so Philipp Weber, wisse er noch nicht. Ihm sei es ein Anliegen, diesen Prozess ans Licht zu bringen, „der in der Industrie für das bloße Auge immer versteckt geblieben ist“.

Mit brennenden Fragen befassen sich im Augenblick die wenigsten Nachwuchsdesigner – und laufen damit Gefahr, im Sumpf der Beliebigkeit zu versinken. Mehr Wissenshunger wäre angebracht. Auch, damit mal wieder jene Unbefangenheit belächelt werden kann, die in der Praxis oft früh genug abhanden kommt.

Was wir in Köln entdeckt haben: Bildergalerie ansehen…

Mehr aus unserem Special zur imm cologne 2017 lesen Sie hier…

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail

Mehr Stories

Antwerpen zwischen Barock und Design

Gartenkunst im Rubenshuis und Outdoor-Möbel der Region

Gartenkunst im Rubenshuis und Outdoor-Möbel der Region

Grünes Licht aus Italien

Beim Leuchtenhersteller Artemide hat Nachhaltigkeit Tradition

Beim Leuchtenhersteller Artemide hat Nachhaltigkeit Tradition

Flexibilität in der Gestaltung

Beispielhafte Projekte setzen auf Systembaukästen von Gira

Beispielhafte Projekte setzen auf Systembaukästen von Gira

Wasser und Beton

Neue Badeorte für urbane Hitzeinseln

Neue Badeorte für urbane Hitzeinseln

MINIMAL MASTERS

Wie die Shaker mit klaren Werten und asketischem Stil das Design prägen

Wie die Shaker mit klaren Werten und asketischem Stil das Design prägen

Gut geplante Badsanierung

Barrierefreie Bäder nachrüsten – so gelingt die Sanierung im Bestand

Barrierefreie Bäder nachrüsten – so gelingt die Sanierung im Bestand

Plädoyer für Zirkularität

Ausstellung „WEtransFORM. Zur Zukunft des Bauens“ in der Bundeskunsthalle Bonn

Ausstellung „WEtransFORM. Zur Zukunft des Bauens“ in der Bundeskunsthalle Bonn

Händewaschen ohne Anfassen

Berührungslose Armaturen von VOLA für Hotels, Flughäfen und Badezimmer

Berührungslose Armaturen von VOLA für Hotels, Flughäfen und Badezimmer

Schatz in der Fassade

Warum der Austausch historischer Kastendoppelfenster ein Fehler ist

Warum der Austausch historischer Kastendoppelfenster ein Fehler ist

Zukunftsorientierte Gestaltung

Wie Brunner gutes Design mit verantwortungsvollem Handeln verbindet

Wie Brunner gutes Design mit verantwortungsvollem Handeln verbindet

Von rau bis hedonistisch

Wie verändert die Kreislaufwirtschaft das Interiordesign?

Wie verändert die Kreislaufwirtschaft das Interiordesign?

Neue Impulse setzen

DOMOTEX 2026 präsentiert sich mit erweitertem Konzept

DOMOTEX 2026 präsentiert sich mit erweitertem Konzept

Nachhaltig und komfortabel

Mit einem archetypischen Bürostuhl revolutioniert Wilkhahn das ergonomische Sitzen

Mit einem archetypischen Bürostuhl revolutioniert Wilkhahn das ergonomische Sitzen

Büro im Kreis gedacht

WINIs nachhaltige Möbelstrategie am Beispiel einer Spanplatte

WINIs nachhaltige Möbelstrategie am Beispiel einer Spanplatte

Der Stuhl, der CO₂ speichert

Mit einer Sitzschale aus Papier setzt Arper neue Maßstäbe für nachhaltige Materialien

Mit einer Sitzschale aus Papier setzt Arper neue Maßstäbe für nachhaltige Materialien

Zwei Marken, eine Mission

Wie Fellowes und Filex den Arbeitsplatz von morgen neu denken

Wie Fellowes und Filex den Arbeitsplatz von morgen neu denken

Außenräume und Innenräume

Wie die Architekturbiennale 2025 in Venedig neue Konzepte für ein Klima im Wandel entwirft

Wie die Architekturbiennale 2025 in Venedig neue Konzepte für ein Klima im Wandel entwirft

Digitale Werkzeuge in der Innenarchitektur

Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Wenn Möbel Wurzeln schlagen

Ausstellung mit USM Modulen bei der Architekturbiennale Venedig 2025

Ausstellung mit USM Modulen bei der Architekturbiennale Venedig 2025

Natursteinästhetik in Keramik

Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Creative Britannia

Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Best-of Licht & Leuchten 2025

Neuheiten aus Mailand: Euroluce und Milan Design Week

Neuheiten aus Mailand: Euroluce und Milan Design Week

Diskurs statt Dystopie

Deutschlands Vision für klimaresiliente Städte auf der Biennale 2025 in Venedig

Deutschlands Vision für klimaresiliente Städte auf der Biennale 2025 in Venedig

Auf stilvoller Welle

Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Analog sitzen, virtuell denken

Wie Interstuhl seine Designkompetenz ins Digitale erweitert

Wie Interstuhl seine Designkompetenz ins Digitale erweitert

Wilkhahn Refurbishment

Ein zweites Leben für besondere Modus-Drehsessel

Ein zweites Leben für besondere Modus-Drehsessel

Spektrum der Ruhe

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Genähte Systemmöbel

Raphael Klug macht Pappe zum schlüssigen Material für nachhaltiges Möbeldesign

Raphael Klug macht Pappe zum schlüssigen Material für nachhaltiges Möbeldesign

Rauchzeichen aus dem Abfluss?

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Design als kulturelles Gedächtnis

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand