Stories

In allen vier Ecken

Living in a box: Aktuelle Raum-in-Raum-Architekturen.

von Tim Berge, 26.08.2013

Wozu braucht man einen Raum in einem Raum? Was sich nach einer überflüssigen und Platz verschwendenden Maßnahme anhört, ist in der gebauten Realität meist das genaue Gegenteil: ein Kunstgriff, der Funktionen bündelt und die Weite und Großzügigkeit von Räumen bewahren hilft. Wir haben Beispiele in Berlin, New York, London und im japanischen Yoro unter die Lupe genommen.

Die Umnutzung ehemaliger Industrieareale und -gebäude zu Wohn- und Büroflächen liegt zurzeit voll im Trend und bietet Architekten einen Spielplatz für unkonventionelle Architekturen wie das Matroschka-artige „Raum-in-Raum"-Prinzip. Doch es muss nicht immer das Loft sein. Auch in kleineren Wohnungen kann das Einschieben von Volumen zu neuen Perspektiven und ungeahnten Vorzügen für den Bewohner führen.

Eingeschobene Volumen
In Berlin gibt es nicht nur eine Reihe leer stehender Industriekomplexe, hier gibt es auf fast jedem Hinterhof alte Werkstätten und Betriebsräume, die sich perfekt zur Nutzung als Wohn- und Büroraum eignen, weil sie einen Rückzugsort im Trubel der Großstadt bieten. Auch die Galeristin Giti Nourbakhsch fand auf der Suche nach neuen, größeren Ausstellungsflächen ein idyllisches Grundstück mit drei historischen Gebäuden im Bezirk Tiergarten, das zuvor von einer Fensterbaufirma genutzt worden war. Das Architekturbüro Robertneun wurde mit der Neustrukturierung und dem Umbau der Anlage betraut: Ziel war es, Büro-, Galerie- und die privaten Wohnräume der Galeristen in dem Komplex unterzubringen, ohne dass sie sich voneinander abgrenzten. Vielmehr sollten sich die Funktionen überschneiden und räumliche Beziehungen geschaffen werden. Außerdem sollte der spezielle Charme der drei Bauten erhalten bleiben. Um dies zu gewährleisten, schoben Robertneun „raumbildende Elemente“ in die Geschosse, die den Kontakt zur Decke meiden. Als abstrakte, weiß gehaltene Volumen, die als Rückbuffet, Badmöbel mit integrierter Badewanne und WC, Lagermöbel und Archivregal genutzt werden, bilden sie einen wohltuenden Kontrast zur Substanz: Altes und Neues ist klar voneinander getrennt und die ursprünglichen Raumgrößen bleiben erhalten.


Einen ähnlichen Ansatz wählte auch das Architekturbüro Behles & Jochimsen, als sie mit dem Umbau einer kleinen Altbauwohnung in einem Wohnhochhaus an der Berliner Karl-Marx-Allee beauftragt wurden. Nur mussten die örtlichen Baubeschränkungen erst aufgehoben werden. Durch Hinzunahme einer kleinen Etagenlobby und das Entfernen aller nicht tragenden Wände schufen die Architekten einen zusammenhängenden Raum, durch den sie ein langes, multifunktionales Schrankmöbel steckten, das die Wohnung funktional gliedert: Diele und die integrierte Küche wenden sich zur Eingangstür. Bad und WC sind zur Fensterfront hin orientiert. Durch seine hochglänzend-rosa Lackierung entsteht ein wunderbarer Kontrast zwischen dem neu hinzugefügten Raumobjekt und der es umgebenden, historischen Architektur.

Drei Bewohner - drei Boxen
Im angesagten New Yorker Viertel Bushwick sollten die Architekten vom Studio Cadena drei Räume für drei Freunde und einen gemeinsamen Wohnbereich in einer alten Loftetage realisieren: Das Problem war die geringe Fläche von 60 Quadratmetern und das knappe Budget. Für jeden der drei Bewohner wurde eine weiße Schlafbox in das ansonsten leere Geschoss gebaut. Mit großen Fenstern und Türen zum Innenraum, um maximalen Lichteinfall in die Zimmerkisten zu gewährleisten. Die Konstellation der Zimmervolumen bildet eine Art Ministadt aus – nur dass der Außen- hier noch Innenraum ist. Die Architekten benötigten übrigens nach eigenen Angaben nur „neun Wochen, 141 Emails, 64 Telefongespräche, 55 Schriftsätze und drei Gewerke“, um das Projekt zu realisieren.
Alles unter einem Dach

Ein dynamischer Wohn- und Arbeitsraum, der den modernen Lebensumständen in der Großstadt entspricht: So lautete die Aufgabenstellung eines privaten Bauherrn für das Londoner Büro Craft Design. Vorher als offenes Büro im Stadtteil Camden genutzt, wollten die Architekten das großzügige Raumgefühl für die zukünftigen Nutzer wahren. Die Idee: ein einzelnes Volumen im Zentrum der Fläche, das alle Nebenfunktionen - wie Bad und WC - umfasst. Ohne Kontakt zur Fassade und Decke teilt das Objekt die Wohnung in verschiedene Bereiche. Eine Wand musste dafür nicht gestellt werden. Die einzige geschlossene Wand wurde dazu genutzt, die notwendigen Leitungen in ein raumhohes Regal zu integrieren, das auch die Treppe in sich verbirgt, die auf das eingestellte Zimmer führt und wo sich der Schlafbereich befindet.

Fast identisch war die Herausforderung für das Architekturbüro Airhouse: Der Kunde wünschte sich einen Wohnbereich, in dem „die Präsenz der Familie stets gegenwärtig sein sollte.“ Als Antwort auf die Problemstellung wurde ein offener Grundriss gewählt, ohne jede Stütze - die weit spannende Dachkonstruktion der ehemaligen Lagerhalle im japanischen Yoro machte es möglich. In das Geschoss wurde ein Volumen eingeschoben, in das elterliche Schlafzimmer und die Bäder platziert wurden, während sich das Kinderzimmer oben drauf befindet - nach „außen“ und zum restlichen Wohnbereich hin offen. Keine weitere Wand stört die Großzügigkeit und den industriellen Charakter des Ortes: Ein perfektes Beispiel für das Raum-in-Raum-Prinzip.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

Robertneun

www.robertneun.de

Projektarchitekten

Behles & Jochimsen Architekten

www.behlesjochimsen.de

Projektarchitekten

Studio Cadena

www.studiocadena.com

Projektarchitekten

Craft

www.craftdesign.co

Projektarchitekten

Airhouse

www.airhouse.jp

Mehr Stories

Händewaschen ohne Anfassen

Berührungslose Armaturen von VOLA für Hotels, Flughäfen und Badezimmer

Berührungslose Armaturen von VOLA für Hotels, Flughäfen und Badezimmer

Schatz in der Fassade

Warum der Austausch historischer Kastendoppelfenster ein Fehler ist

Warum der Austausch historischer Kastendoppelfenster ein Fehler ist

Zukunftsorientierte Gestaltung

Wie Brunner gutes Design mit verantwortungsvollem Handeln verbindet

Wie Brunner gutes Design mit verantwortungsvollem Handeln verbindet

Von rau bis hedonistisch

Wie verändert die Kreislaufwirtschaft das Interiordesign?

Wie verändert die Kreislaufwirtschaft das Interiordesign?

Neue Impulse setzen

DOMOTEX 2026 präsentiert sich mit erweitertem Konzept

DOMOTEX 2026 präsentiert sich mit erweitertem Konzept

Nachhaltig und komfortabel

Mit einem archetypischen Bürostuhl revolutioniert Wilkhahn das ergonomische Sitzen

Mit einem archetypischen Bürostuhl revolutioniert Wilkhahn das ergonomische Sitzen

Büro im Kreis gedacht

WINIs nachhaltige Möbelstrategie am Beispiel einer Spanplatte

WINIs nachhaltige Möbelstrategie am Beispiel einer Spanplatte

Der Stuhl, der CO₂ speichert

Mit einer Sitzschale aus Papier setzt Arper neue Maßstäbe für nachhaltige Materialien

Mit einer Sitzschale aus Papier setzt Arper neue Maßstäbe für nachhaltige Materialien

Zwei Marken, eine Mission

Wie Fellowes und Filex den Arbeitsplatz von morgen neu denken

Wie Fellowes und Filex den Arbeitsplatz von morgen neu denken

Außenräume und Innenräume

Wie die Architekturbiennale 2025 in Venedig neue Konzepte für ein Klima im Wandel entwirft

Wie die Architekturbiennale 2025 in Venedig neue Konzepte für ein Klima im Wandel entwirft

Digitale Werkzeuge in der Innenarchitektur

Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Wie ein Schweizer Büro Planung, Präsentation und Produktion verbindet

Wenn Möbel Wurzeln schlagen

Ausstellung mit USM Modulen bei der Architekturbiennale Venedig 2025

Ausstellung mit USM Modulen bei der Architekturbiennale Venedig 2025

Natursteinästhetik in Keramik

Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Fünf neue Oberflächen erweitern das Feinsteinzeug-Programm des Herstellers FMG

Creative Britannia

Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Unterwegs auf der London Craft Week und Clerkenwell Design Week

Best-of Licht & Leuchten 2025

Neuheiten aus Mailand: Euroluce und Milan Design Week

Neuheiten aus Mailand: Euroluce und Milan Design Week

Diskurs statt Dystopie

Deutschlands Vision für klimaresiliente Städte auf der Biennale 2025 in Venedig

Deutschlands Vision für klimaresiliente Städte auf der Biennale 2025 in Venedig

Auf stilvoller Welle

Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Ikonische Tischserie wave für exklusive Objekteinrichtungen von Brunner

Analog sitzen, virtuell denken

Wie Interstuhl seine Designkompetenz ins Digitale erweitert

Wie Interstuhl seine Designkompetenz ins Digitale erweitert

Wilkhahn Refurbishment

Ein zweites Leben für besondere Modus-Drehsessel

Ein zweites Leben für besondere Modus-Drehsessel

Spektrum der Ruhe

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Wie nachhaltig sind farbige Möbel?

Genähte Systemmöbel

Raphael Klug macht Pappe zum schlüssigen Material für nachhaltiges Möbeldesign

Raphael Klug macht Pappe zum schlüssigen Material für nachhaltiges Möbeldesign

Rauchzeichen aus dem Abfluss?

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Wie Entwässerungstechnik zur Sicherheitslücke beim Brandschutz werden kann

Design als kulturelles Gedächtnis

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Ausstellung Romantic Brutalism über polnisches Design in Mailand

Alles Theater

Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Dramatische Inszenierungen auf der Milan Design Week 2025

Zurück zur Kultiviertheit

Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Neues vom Salone del Mobile 2025 in Mailand

Dialog der Ikonen

Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Signature-Kollektion JS . THONET von Jil Sander für Thonet

Eine Discokugel aus Schaltern

Installation „Atmosphere“ in Mailand von Ippolito Fleitz Group für JUNG

Installation „Atmosphere“ in Mailand von Ippolito Fleitz Group für JUNG

Stoffe können Meer

Kreislauffähige Textilien aus Polyester von Delius

Kreislauffähige Textilien aus Polyester von Delius

Leben im Denkmal

Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Ausstellung Duett der Moderne im Berliner Mitte Museum

Das Prinzip Ordnung

Ausstellung über Le Corbusier im Berner Zentrum Paul Klee

Ausstellung über Le Corbusier im Berner Zentrum Paul Klee