La Cucaracha – Insekten in Hollywood
Seit Jahrzehnten in der Bösewicht-Rolle: die Geschichte der Gliederfüßer im Kino.
Körper hart und undurchdringbar, eine deutlich sichtbare Gliederung des Leibes und gefährlich wirkenden Mundwerkzeuge: Anatomie und Erscheinungsbild von Insekten gelten als eine der wichtigsten Inspirationen für die Gestaltung außerirdischer Daseinsformen in Science-Fiction-Filmen. Ob in Alien, Star Wars oder District 9: Die Gliederfüßer und ihre Baukünste schaffen es immer wieder auf die große Leinwand!
Die meisten Insektenarten werden von den Menschen als Schädlinge, Parasiten oder gar Blutsauger betrachtet. Und nicht wenige von uns bekommen beim Anblick der kleinen Vielfüßer mehr oder weniger große Angstzustände. Einzig die Honigbiene konnte sich in unserer Gesellschaft einen Platz erkämpfen, der nicht von Fliegenklatsche oder Insektenspray bedroht ist: Auch sie gelangte in der Rolle der liebenswerten Biene Maja zu medialem Ruhm. Doch den restlichen Insekten widerfährt ein anderes Schicksal, zumindest im bewegten Bild. Wir zeigen, wie sich die Filmschaffenden unser angespanntes Verhältnis zu der artenreichsten Klasse aller Tiere zunutze gemacht haben.
Die Reise beginnt
Alles beginnt mit dem Wettlauf zum Mond in den 1960er Jahren, der auch das Thema Weltall in Romanen und Filmen in den Fokus rückt: Schnell kristallisieren sich Ameisen, Käfer und Fliegen als beliebtes Vorbild außerirdischer Lebensformen heraus. In der berühmten Barszene des 1977 erschienen, ersten Teils der Star Wars-Reihe dienen die „tierischen“ Aliens vor allem dazu, die enorme Artenvielfalt dieser „weit, weit entfernten Galaxie“ darzustellen. Doch ein bisschen ungeheur wirken die meisten Kreaturen in der Cantina schon. Zwei Jahre später dann wird das vielleicht grauenerregendste Wesen kreiert, mit dem es die Gattung Mensch je zu tun bekam: „Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ gilt als einer der visuell beeindruckendsten Filme des modernen Kinos.
Das Monster aus dem Ei
Die Aliens und die von ihnen geschaffenen Strukturen stammen aus der Feder des Schweizer Künstlers HR Giger und vermengen Eigenschaften und Aussehen eine ganze Reihe von Tieren: Äußerlich ist das Wesen eine Mischung aus Skorpion, Wespe und Fangschrecke. Andere Verhaltensmuster, wie ein ausgeprägter gemeinschaftlicher Zusammenhalt und eine strenge Hierarchie innerhalb der Kolonien findet man auch bei Bienen, Termiten und Ameisen: So gibt es eine Königin, die im Zentrum des Baus haust und über eine Legeröhre Eier legt und für Nachwuchs sorgt. In der Biologie wird die Staatenbildung im Tierreich auch als Eusozialität bezeichnet: Genau wie ihre tierischen Vorbilder gibt es unter den Aliens eine kooperative Brutpflege und eine gemeinsame Nahrungsbeschaffung. Die von den außerirdischen Wesen geschaffene Welt wurde von Termitenbauten und Wespennestern inspiriert: Organische, „kleckerartige“ Strukturen formen endlose Tunnelsysteme und eine biomorphe Architektur. Das Setdesign HR Gigers wurde nicht nur mit einem Oscar gekrönt, es hat eines der anerkanntesten Monster und eine der gruseligsten Kulissen der Filmgeschichte geschaffen.
Kampf den Käfern
Eine weitaus direktere Übertragung der Insektenwelt auf außerirdische Lebewesen fand in dem 1997 erschienen Film Starship Troopers statt, in dem die Menschheit gegen die so genannten Bugs (Käfer) in den Krieg zieht und auf deren Heimatplaneten in ein unterirdisches Höhlensystem eindringen muss, um die feindlichen Wesen zu besiegen. Auch hier werden nicht nur das Äußere und die Baukünste der Vielfüßer imitiert – die Lebewesen sind ebenfalls streng hierarchisch organisiert und haben mit dem „Brain Bug“ einen Anführer ihrer Gemeinschaft: ganz wie in der irdischen Natur.
Mensch und Insekt
Kein Alien, aber nicht weniger gruselig ist die Verschmelzung von Mensch und Insekt in David Cronenbergs 1986 erschienen Meisterwerk Die Fliege. Nach einem missglückten Teleportationsversuch vermengt sich die DNS des Wissenschaftlers Seth Brundle mit der einer Stubenfliege, was ihn schrittweise zu einer Art humanoiden Fliegenmonster werden lässt. Auch in diesem Film wird dem Insektenhaften nicht viel Positives abgewonnen: Das Tier macht aus dem Menschen ein gefährliches Lebewesen, dabei könnte es ja auch andersherum sein.
Die Wende
In Neill Blomkamps 2009 veröffentlichten Film District 9 kommt es dann endlich zur filmrevolutionären Wendung in der Beziehung zwischen Mensch und Tier, auch wenn es am Anfang nicht danach aussieht. Eine außerirdische Rasse strandet versehentlich auf der Erde und wird in einem slumartigen Flüchtlingslager in Johannesburg untergebracht, in dem sie verwahrlosen. Damit kommt den insektoiden Aliens eine neue Rolle zu: Sie werden von der jagenden zur unterdrückten Gesellschaft, wodurch das Actionspektakel viel näher an der Realität ist als alle seine Vorgänger. Dass am Ende ein Mensch zum Insekt mutiert und zum Retter der Aliens wird, kann als – fast schon – kafkaesker Akt der Befreiung gesehen werden. Die Rolle der Bösewichts, die unseren tierischen Freunden jahrzehntelang aufgebürdet war, wird zum ersten Mal in der (Insekten-)Filmgeschichte vom Menschen übernommen: Ende gut, alles gut!
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