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Licht – Schatten – Form

von Myrta Köhler, 30.09.2011


Endlose Tage im Sommer, ewige Nacht im Winter: Ein ganz besonderes Verhältnis zum Licht prägt die nördlichen Breitengrade. Die natürlichen Gegebenheiten erfordern Kreativität und so ist es kein Wunder, dass die Gestaltung von Licht viele nordische Designer beschäftigt. Eine
Ausstellung im Felleshus, dem Gemeinschaftshaus der Nordischen Botschaften in Berlin, zeigt Licht-Blicke finnischen Designs.
 

„Finnische Dunkelheit oder: Wie gestaltet man Licht?“ lautet der Titel der Ausstellung, die gemeinsam von der Botschaft von Finnland und dem Design Forum Finnland organisiert wurde. Ein Land, das im Winter nur wenige Stunden am Tag von der Sonne beschienen wird, muss sich auf andere Art und Weise mit Licht versorgen: Hier ist Erfindungsreichtum gefragt. Finnische Designer finden vielfach neue Konzepte und Formen, viele ihrer Leuchten sind mittlerweile Klassiker, so z.B. die 330S Golden Bell von Alvar Aalto oder Block Lamp von Harri Koskinen. Die aktuelle Ausstellung vermittelt einen Eindruck davon, wie sich zeitgenössische finnische Designer mit den natürlichen Gegebenheiten ihrer Heimat auseinandersetzen.
 
Tageslicht
 
Ein Mangel an Tageslicht führt zu Müdigkeit: Spezielle Tageslichtleuchten werden deshalb gegen Depressionen oder Jetlag eingesetzt oder sollen ganz einfach in der Wohnung für eine gute Atmosphäre sorgen. Ein Beispiel ist Bright White 1 von Ville Kokkonen für Artek. Für die direkte und ortsunabhängige „Bestrahlung“ mit Tageslicht ersann Antti Aunio etwas ganz Spezielles: Das Tageslicht-Headset Valkee wird wie ein Walkman getragen und bringt das Licht direkt ins Gehirn.
 
Vielfältiger Schatten
 
Der extreme Kontrast zwischen Hell und Dunkel, der in Finnland das Jahr über spürbar ist, stellt auch im Entwurfsprozess einen zentralen Aspekt dar. Licht an sich ist immateriell, ist konturlos: Erst durch die Beschaffenheit der Leuchte erhält auch das Licht eine Form. Schatten und Dunkelheit werden in der Gestalt der Leuchte thematisch verarbeitet und bewusst als Gestaltungsmittel eingesetzt: Sie zeichnen Umrisse nach und erzeugen optische Tiefe. Die Leuchte kann dabei Behälter oder Schablone sein, oder kann zur eigenständigen Skulptur werden. Ein Beispiel dafür liefert die Leuchte Lehvä von Jukka Korpihete für Korpi Design Oy. Aus Metall formte der Designer einen belaubten Zweig. Wird das Licht angeschaltet, wirft dieser „Zweig“ einen entsprechenden Schatten und vermittelt den Eindruck, man wandle an einem Sommertag im Park unter Bäumen.
 
Pflanzen und Licht
 
Die Natur als Inspiration und Ressource spielt im nordischen Design schon lange eine wichtige Rolle. Das Pflanzenmotiv findet sich auch bei vielen Leuchten dieser Ausstellung. Mit kleinen Mitteln erzielt beispielsweise auch Kirsti Taiviola eine große Wirkung: Die Glaskörper ihrer Leuchten sind – zunächst fast unsichtbar – von Mustern durchzogen. Fällt das Licht hindurch, vergrößert es gleich einer Lupe die feinen Strukturen und projiziert sie auf die Umgebung. Die Leuchte Illusia beispielsweise ergibt mit ihren verschlungenen Linien ein Blumenmuster.
 
Einen besonderen Nutzwert hat der Reflektor Kukka („Blume“) von Saara Renvall. Die Form aus Reflektorfolie ist dekorativ und sorgt gleichzeitig für Sicherheit auf der Straße. Mathematische Ästhetik wiederum bietet die Leuchte Dahlia von Janne Kyttänen. Die Anordnung ihrer Blütenblätter beruht auf der Folge der Fibonacci-Zahlen.
 
Eine Portion Licht
 
Jeder kennt die Schalter, mit denen man das Licht dimmen kann. Doch Helligkeit lässt sich auch anders „portionieren“: Das Box Light von Jonas Hakaniemi ermöglicht es dem Benutzer, das Leuchtelement je nach Bedarf beliebig weit aus seinem Kästchen zu ziehen. Die Idee entstand im Rahmen eines Workshops, bei dem die Teilnehmer mit Material im Wert von zwei Euro, einer LED und einer Batterie eine Leuchte entwerfen sollten. Eine Streichholzschachtel diente dem Designer damals als Vorlage, die er anschließend weiterentwickelte. Auf dem Prinzip von „Zeigen – Verstecken“ beruht auch Harri Koskinens Foldedlight. Ein Blech, an mehreren Stellen mit Scharnieren versehen und um das Leuchtmittel herumgeklappt, macht neugierig: Was verbirgt sich hinter der Ecke? Woher kommt das Licht?
 
Licht zum Wohlfühlen
 
Das Bild des Kamins, oder vielmehr des Lagerfeuers, nimmt ganz bewusst Terhi Tuominen auf. Die Leuchte Centerpoint für Dayground besteht aus drei Metallelementen in Form stilisierter Holzscheite, die gleichsam aneinandergelehnt eine kleine Pyramide bilden. So entsteht das Bild des Feuers als verbindendes Element, das Menschen zusammenbringt und Gemütlichkeit schafft. Doch auch andere Lichtquellen laden zum Bleiben ein: Der Hocker Light Touch von Timo Hoisko und die Schaukel Light Swing von Alexander Lervik machen Licht zur Sitzgelegenheit.
 
Licht bewegt
 
Flammen im Kamin verändern sich stetig, nicht zufällig spricht man vom Feuer auch oft als von einem Lebewesen. Dass die Lichtquelle selbst ihre Gestalt verändern kann, demonstriert die Leuchte Medusa von Mikko Paakkanen. Der Lampenschirm besteht aus einem Bündel von Leuchtsträngen und ändert mit Hilfe einer elektronischen Steuerung ganz allmählich seine Gestalt, ist mal länglich, dann wieder kugelförmig. Von ähnlicher Form, doch aus anderem Material ist Octo 4240 von Seppo Koho. Auch der Körper von Octo besteht aus mehreren „Strängen“ – diese sind jedoch nicht selbstleuchtend sondern aus Holz: ein Material, das zwar oft mit nordischem Design in Verbindung gebracht wird, bei dieser Ausstellung jedoch auffallend wenig vertreten ist. Einen anderen „natürlichen“ Werkstoff verarbeitet aber Samuli Naamanka. Er entwarf den biologisch abbaubaren Lampenschirm Roll On (2010), bestehend aus einem langen Stück gepresster Maisstärke, die als durchscheinende Rolle das Leuchtmittel umhüllt. Der ökologische Anspruch ist endgültig in der Designwelt angekommen.
 
Vom Walkman bis zum Stuhl: Die Ausstellung zeigt eine breite Palette von Möglichkeiten, wie Menschen sich durch Einfallsreichtum das Licht über seine Funktion als Licht- und Wärmespender zunutze machen können.
 

Weitere Informationen

Die Ausstellung „Finnische Dunkelheit oder: Wie gestaltet man Licht?“ ist noch bis zum 28. Oktober 2011 im Felleshus, Gemeinschaftshaus der Nordischen Botschaften in Berlin zu sehen.
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Links

Botschaft von Finnland, Berlin

www.finnland.de

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