Macht! Licht!
Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg über Kunst, Politik & Ressourcen

Die Ausstellung Macht! Licht! im Kunstmuseum Wolfsburg ist erschreckend aktuell, wie ein Besuch offenbarte. Viele der gezeigten Lichtkunstwerke und -installationen befassen sich mit Krieg, Vertreibung und Migration. Es geht aber auch um das elektrische Licht, das für unser modernes Leben unverzichtbar ist.
Die Kuratoren Andreas Beitin und Holger Broeker haben für die Ausstellung rund 80 Kunstwerke von 65 Künstler*innen wie Gregor Schneider, Monica Bonvicini, Joseph Beuys und Olafur Eliasson zusammengetragen. In der großen Halle des Kunstmuseums sind auf 1.500 Quadratmeter Fläche Lichtinstallationen, Skulpturen und Videos arrangiert. Sie kreisen um politisch, gesellschaftlich, ökologisch und wirtschaftlich relevante Themen wie Leuchtreklame und Konsum, Energieverschwendung, Artensterben und Lichtverschmutzung sowie den gezielten Einsatz von Licht als Machtdemonstration.
Mario Merz, Objet cache-toi, 1968, Eisenstangen, Maschendrahtgeflecht, mit Holzwolle gefüllte Leinensäcke, 5‑teiliger Schriftzug aus Leuchtstoffröhren ([OBJ][ET] [CA][CHE] [TOI]), regelbarer Transformator, 110 x Ø 210 cm, Sammlung Kunstmuseum Wolfsburg, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Helge Mundt
Bedeutungsebenen des Lichts
Bereits im Titel der Ausstellung Macht! Licht! ist eine Ambivalenz angedeutet, die sich durch viele der gezeigten Kunstwerke zieht. Einerseits geht es um elektrisches Licht, das wir täglich und ohne zu überlegen an- und ausschalten – in Form von Glühlampen, LEDs oder Leuchtstoffröhren. Und ohne das unsere Zivilisation, das moderne Leben gar nicht denkbar wäre.
Der Titel verweist aber auch auf eine zweite Bedeutungsebene: die Macht des Lichts – besonders anschaulich dargestellt in Gregor Schneiders begehbarer Rauminstallation High Security and Isolation Cell No. 2 aus dem Jahr 2005. Sie zeigt eine beengte Gefängniszelle, wobei die Holzkonstruktion mit Matratze, Waschbecken und WC aus Edelstahl mit einer an der Decke angebrachten Neonröhre dauerhaft gleißend hell beleuchtet wird – ein Hinweis auf die sogenannte „weiße Folter“. Das grelle Licht lässt den klaustrophobischen Raum seltsam künstlich, fast abstrakt erscheinen.
Lori Hersberger, Sunset 164, 2006, Neon, schwarzes Floatglas, 1,84 x 3,68 m (Neon), Installationsmaße variabel, © Lori Hersberger Studio, Zürich, Foto/ Copyright: Marek Kruszewski
Die Installation wurde dem Kunstmuseum Wolfsburg anlässlich der Ausstellung vom Künstler geschenkt.
Sonnenuntergang aus Neonröhren
Am Beginn des Museumsparcours‘ steht eine Installation des Schweizer Künstlers Lori Hersberger, die er dem Kunstmuseum Wolfsburg anlässlich der Ausstellung als Geschenk überlassen hat. Sunset 164 formiert aus Neonröhren einen stilisierten Sonnenuntergang. „Das Romantische am Sonnenuntergang ist die Farbigkeit, der Moment, in dem das Licht verschwindet“, sagt der Künstler bei einem Rundgang durch die Ausstellung. Die zerbrochene Landschaft aus schwarzem Floatglas, die sich vor den gerundeten Neonröhren erstreckt, bezeichnet er als ein Angebot an die Betrachter*innen, sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens zu beschäftigen, die im Gegensatz stehe zur Herrschaftlichkeit des Lichts.
Kunst als politischer Kommentar
Hat man den künstlichen Sonnenuntergang passiert – vorbei an Silke Silkeborgs Monumentalgemälde HELL Beleuchtung der Welt, das sich mit dem Thema Lichtverschmutzung auseinandersetzt – steht man in der raumgreifenden Installation PLOT von Dominik Lejman aus dem Jahr 2017. Hier werden Lagen von Maschendraht mit Licht auf die umgebenden vier Wände gezeichnet, was in seiner Einfachheit beklemmend wirkt und eine politische Dimension offenbart. Man fühlt sich geradezu eingekreist in einem Gefängnis von sich aufrollendem Maschendraht.
Foto/ Copyright: Marek Kruszewski
Es ist der Auftakt für den wohl aktuellsten Teil der Ausstellung, der die Themen Flucht und Migration behandelt. Einem Leuchtstoffröhren-Porträt von Angela Merkel von Los Carpinteros (It’s not Che, it’s Angela Merkel) gegenübergestellt ist ein berühmter Ausspruch der ehemaligen Kanzlerin (Wir schaffen das), den man auch als Kommentar zur gegenwärtigen Lage lesen könnte und den Naneci Yurdagül 2015 mit Neonröhren auf Plexiglas gebannt hat. Korrespondierend dazu haben die Kuratoren eine Arbeit von Šejla Kamerić an die Wand gehängt, die gleichzeitig ein Wortspiel ist: REFUGEES WILLCOME liest man auf den ersten Blick als REFUGEES WELCOME. Wird das Wortspiel enttarnt, erscheint es mit einem Mal bedrohlich statt freundlich.
Foto/ Copyright: Marek Kruszewski
Schau! Mich! An!
Werbung & Konsum ist wohl der Ausstellungsbereich, der unserem täglichen Leben am nächsten ist. „Licht wurde schon früh in der Werbung eingesetzt“, erzählt Museumsdirektor Andreas Beitin beim Rundgang. „Schon im 19. Jahrhundert wurden die Schriftzüge von Unternehmen, in den Zwanzigerjahren der Times Square in New York mit verdichteten Werbebotschaften beleuchtet, in den Sechzigern begannen Pop-Art-Künstler*innen mit Neonröhren zu arbeiten.“
Dass der (Licht-)Schein zuweilen trügerisch sein kann, zeigt eine Arbeit von Monica Bonvicini. NOT FOR YOU aus dem Jahr 2006 suggeriert mit ihren zu einem Schriftzug formierten Glühlampen Zugänglichkeit. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass es nicht so ist, im Gegenteil. „Monica Bonvicinis Lichtkunstwerk (…) greift formal auf die Ästhetik früher Lichtwerbung zurück und konterkariert die zu erwartende Werbebotschaft eines potenziellen Warenangebots auf semantischer Ebene, indem die Betrachter*innen ihres Werks zu einer Gruppe von Menschen degradiert werden, denen etwas gerade nicht zugänglich ist“, schreibt Andreas Beitin im Katalog.
Foto/ Copyright: Marek Kruszewski
Mehr Erhellendes
Ein wenig ausgeschlossen fühlen sich vielleicht auch die Besucher*innen der Ausstellung, die nicht über ein umfangreiches Wissen in der Kultur- und Kunstgeschichte verfügen. Jedes der ausgestellten Kunstwerke beinhaltet verschiedene Bedeutungsebenen, die nicht immer auf den ersten Blick dechiffrierbar sind. Und selbst den verschiedenen Fokusthemen der Ausstellung sind die Arbeiten nicht immer eindeutig zuordenbar. Auch wenn die Schau großartige Lichtkunstwerke präsentiert, die teils einen sehr aktuellen Bezug haben: Didaktisch aufbereitete Informationen hätten sicherlich für noch mehr erhellende Erkenntnisse gesorgt.
Mariana Vassileva, Break In/Out: Breathing Light, 2013, Stahl, Maschendraht, Glühlampe, Steuerung, 230 x 60 x 60 cm, Kunstmuseum Wolfsburg, Schenkung aus Privatsammlung, © Mariana Vassileva, Kunstmuseum Wolfsburg, Foto: Marek Kruszewski
Buchtipp
Wer tiefer in das komplexe Thema Kunst & Licht eintauchen möchte, dem sei die zur Ausstellung im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König erschienene, transdisziplinäre Publikation Macht! Licht! (hrsg. von Andreas Beitin) empfohlen. Sie fasst das Thema Licht sehr weit, wie man an der Auswahl der Aufsätze und den zahlreichen Abbildungen (auch von Kunstwerken außerhalb der Ausstellung) erkennt. So äußert sich Christoph Markschies Zu einigen theologischen Aspekten des Lichts in der jüdisch-christlichen Religion, während Julia Otto Licht als magischen Lockstoff betrachtet und über Leuchtreklame und Lichtkunst referiert. Jo Nelson hat Gewalt, Macht, Überwachung im Blick und gibt Beispiele Von der Blendlaterne zum Scheinwerfer für „weiße Folter“. Der 253 Seiten umfassende Katalog kostet 39,90 Euro.
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