Möbel raus aus der Ecke
Die Newcomer Moritz Schmid und This Weber pusten frischen Wind ins eidgenössische Möbeldesign.

Gradlinig, ehrlich, schnörkellos – so stellen wir uns Schweizer Design vor. Das Grafikdesign setzt immer wieder Maßstäbe, die Typografie ist nicht erst seit der „Erfindung“ der Helvetica legendär, und auch im Produkt- und Möbeldesign zählen solide Werte mehr als vordergründiges Spektakel. Es sind Newcomer wie Moritz Schmid, die zwar weiter auf die bekannten Qualitäten setzen, aber schon im Studium und den ersten „Lehrjahren“ genügend Reife entwickelt haben, um frischen Wind durch das Möbeldesign in der Alpenrepublik zu pusten.
Jüngst ist Moritz Schmid für seinen Entwurf Etage mit dem Design Preis Schweiz 2013 ausgezeichnet worden. Halbhoch mit überschaubarer Breite, offenen Ablageflächen und geschlossenen Bereichen gibt sich das Aufbewahrungsmöbel auf den ersten Blick vertraut. Und doch ist es Schmid gelungen, beinahe eine eigene Kategorie geschaffen zu haben. Etage will raus aus der Ecke und weg von der Wand. Wohl proportioniert, beansprucht der Solitär die Aufmerksamkeit im Raum, von allen Seiten zugänglich, entfaltet das Möbel seinen ganzen Charme. Das Besondere ist allerdings die Art und Weise, wie Moritz Schmid die geschlossenen Bereiche umgesetzt hat. Da geht keine Tür auf oder zu, da gibt keine Klappe den Zugriff auf das Innere frei. Moritz Schmid hat ein horizontales Band aus leichtem Eichensperrholz vollständig um das Möbel gelegt. Dank eines neu entwickelten Klemmgriffes lässt sich die Hülle in Nuten geführt vertikal in Stufen verstellen. Raffiniert und elegant zugleich wirkt der Mechanismus.
Kleine Entdeckungen
Produziert wird Etage von Röthlisberger, einem Schweizer Traditionsbetrieb aus den 1920er Jahren. Röthlisberger präsentierte das prämierte Möbel bei der Messe neue räume 13 kürzlich in Zürich erstmals einem breiteren Publikum. Auch andere Schweizer Traditionsunternehmen wie Création Baumann, Thut, Mox und Baltensweiler nutzten unter dem Label swiss made das feine, kleine Ausstellungsformat als Plattform für den alpenländischen Markt. Kurator Stefan Zwicky hatte erneut eine nationale wie internationale Ausstellerschar in der ABB-Halle im Stadtteil Oerlikon versammelt. Kleine Entdeckungen gab es bei der Sonderschau Young Labels. Das Steckregal von Thismade überzeugt mit seinen vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten, Fries & Zumbühl nutzen für Kronetable traditionelle Holzkeilverbindungen und bei Minimöbl gibt es handgefertigte Kindermöbel, die dank solider Konstruktion und ausgeklügelter Möglichkeiten zur Mehrfachnutzung auch älteren Jugendlichen bestehen können.
Zu einer jüngeren Generation Schweizer Designer zählt auch This Weber. Doch sein umfangreiches Portfolio beweist, dass hier bereits ein Gestalter mit reichlich Erfahrung am Start ist. Auch This Weber legt Wert auf gestalterische Details und eine präzise Verarbeitung seiner Entwürfe. Für Dietiker hat er mit Ono eine ganze Produktfamilie aus Holz mit Stuhl, Tisch, Barhocker und zuletzt einem Lounge Chair geschaffen. Mit Verywood steht ein Stuhlproduzent jenseits der Alpen auf der Kundenliste und bei Rolf Benz kam in diesem Jahr der Esstisch Co-sinus 1 auf den Markt.
Jung und traditionsreich
Mit Begeisterung erzählt This Weber, wenn es neben den gestalterischen Herausforderungen auch um technische Entwicklungen geht. Wohl deshalb macht ihm die Arbeit für Atelier Pfister besonderen Spaß, einem jungen Schweizer Label initiiert von einem traditionsreichen Möbelhaus. So wurde in diesem Jahr der Kunststoffschalen-Stuhl Wila aus 2011 für die von Alfredo Häberli kuratierte aktuelle Kollektion um eine Variante mit Lederbezug erweitert. Mit einer ungewöhnlichen und herausfordernden Technologie wird die Leuchte Watt gefertigt. Ausgehend von Handskizzen, gibt This Weber dabei per CAD-Zeichnung Dimensionen für die Hülle vor, die beim Endprodukt wie eine fertig übergestülpte Form wirkt. In der Tat entsteht die Form auf dem durchscheinenden Drahtgestell jedoch erst in einem speziellen Verfahren, bei dem das Gestell bei einer permanenten Drehbewegung mit Kunststofffasern besprüht wird. Drehgeschwindigkeit und verschiedene Sprühparameter nehmen Einfluss auf die endgültige Form. Aktuell arbeitet This Weber an den letzten Feinheiten bei einem niedrigen Drehsessel für das Schweizer Unternehmen intertime. Der elegante Entwurf soll in wenigen Wochen zur imm cologne dem Fachpublikum vorgestellt werden.
FOTOGRAFIE Christian Grund, Röthlisberger Kollektion, Céderic Widmer, Rasmus Norlander, Michel Bonvin
Christian Grund, Röthlisberger Kollektion, Céderic Widmer, Rasmus Norlander, Michel Bonvin
Neue Räume
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