Neues ans Licht gebracht: Ausstellung im MAKK
100 Jahre lenkbares Licht widmet sich den wichtigsten Aspekten der beweglichen Beleuchtung.
Wenn die imm cologne im Januar ihre Tore öffnet, markiert dies auch den Start der ersten neuen Ausstellung des Jahres im Museum für Angewandte Kunst Köln. Mit 100 Jahre lenkbares Licht widmet sich das Haus den wichtigsten Aspekten der beweglichen Beleuchtung im europäischen Raum. 44 Arbeits- und Büroleuchten von zwanzig Herstellern erzählen die Geschichte von 1919 bis heute, bereichert durch Archivmaterial, Patente und Zeichnungen. Ein Augenmerk liegt auf mechanischen und technischen Konstruktionsdetails.
„Es geht uns nicht um die schönsten, wertvollsten Leuchten. Wir wollten erforschen und vermitteln, wie der Mensch sich das Licht lenkbar gemacht hat“, sagt David Einsiedler, Geschäftsführer des Leuchtenherstellers Midgard und Initiator der Ausstellung 100 Jahre lenkbares Licht. Seine eigene Sammlung und die von Midgard ergeben den Schwerpunkt der Exponate. So bildet auch die Innovationsgeschichte bei Midgard den roten Faden der Ausstellung. Dessen Gründer Curt Fischer gilt als Erfinder des lenkbaren Lichts: 1919, Jahr des Umbruchs, der politischen und sozialen Erneuerung und der Bauhaus-Gründung, brachte auch das elektrische Licht ins Interior. Aus der Notwendigkeit, Arbeitsplätze in der eigenen Fabrik angemessen zu beleuchten, entwickelte Fischer „Spezialbeleuchtungsgeräte“, Leuchten mit großer Beweglichkeit, Anpassungsfähigkeit und vielseitigem Nutzen. Seinen ersten „verstellbaren Universalarm“ ließ der Thüringer Ingenieur 1919 direkt patentieren.
Lieblingswerkzeuge von Designern und Architekten
Auch das erzählt die Ausstellung: Es gibt spannende inhaltliche Bezüge zwischen dem lenkbaren Licht und dem Bauhaus. Die gestalterische Avantgarde der Zwanzigerjahre an der legendären Schule, und darüber hinaus, entdeckte die Lichtgeräte Fischers für sich. Gestalter wie Marianne Brandt, Marcel Breuer oder László Moholy-Nagy begeistert deren blendfreies, frei bewegliches Licht. Verschiedene Midgard-Leuchten gehören beispielsweise ab 1926 im Bauhaus Dessau zur Einrichtung. Darunter die Tischarmleuchte 113. Sie lässt sich besonders einfach ausrichten und ist Star einer historischen Bauhaus-Dokumentation, die ebenfalls in Auszügen in der Ausstellung gescreent wird. Im Laufe der Zeit entwickelt Midgard Speziallösungen und verbessert konstant seine Leuchten. Der Glühlampenreflektor beispielsweise eignet sich besonders für den Einsatz bei Zahnarztbehandlungen.
Viele Originalexemplare
Andere Firmen wie AEG und Siemens, Kandem, Rademacher, Herbert Terry and Sons oder Jac Jacobsen rücken mit eigenen Modellen für Werkstatt- und Werkplatzleuchten nach. Auch Christian Dell, einem der einflussreichsten Gestalter von Funktions- und Zweckleuchten, der als Werkmeister die „Gold-Silber-Kupferschmiede“ am Bauhaus Weimar leitete, ist ein ganzes Kapitel in der Schau gewidmet. Einige seiner Original-Büroleuchten für Gebr. Kaiser aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren werden samt Rost und Patina präsentiert. Überhaupt fällt auf, dass keines der ausgestellten Exemplare poliert oder restauriert wurde. Die Gebrauchsspuren verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig und langlebig der Nutzen dieser lenkbaren Lichter ist. Bis heute.
Bleibende Aktualität
Mit 100 Jahre lenkbares Licht nähert sich das MAKK einem Sujet, das museal bisher wohl noch nirgends aufgearbeitet worden ist, wie Direktorin Petra Hesse erklärt. Kein Wunder, könnte man direkt sagen, denn schon Begriffe wie „Spezialbeleuchtungsgerät“ oder „Universalwandarm“ weisen auf die Sperrigkeit des Themas hin.
Es gehört eine Portion Technikaffinität dazu, will man sich als Designliebhaber auf die 44 funktionalen, überwiegend schwarzen, metallenen Leuchten näher einlassen. Oft sind es „nur“ kleine Details – Schräubchen, Federn, die Form des Reflektorkranzes o.ä. – denen man seine Aufmerksamkeit schenken muss. Und obwohl die kompakte und reduzierte Ausstellungsarchitektur von Ply Atelier mit teils drei Meter hohen Stahlrohrelementen von Thonet zu einem gemütlichen Betrachten der Exponate einlädt, reicht dies nicht aus. Um die Essenz des Themas zu erfassen, muss man sich mit den vielen wunderbaren Hintergrund-Storys zu Zeitgeschichte und Sammlung beschäftigen. Der Journalist Thomas Edelmann hat sie gründlich, teils in Archiven, recherchiert, in spannenden Texten für den Katalog aufgearbeitet und damit ein fundiertes inhaltliches Konzept für die außergewöhnliche Ausstellung geschaffen. Wenn man am letzten Kapitel der chronologisch aufgebauten Schau ankommt, bei der Tischleuchte Snodo von Hannes Wettstein für Belux etwa, stellt man außerdem fest: So sehr haben sich die Gelenkleuchten vom Ursprung bis zur Aktualität gar nicht verändert. Im dazu gehörenden Katalogteil beschreibt Edelmann auch unseren aktuellen Lifestyle, wie die LED radikal sämtliche Bereiche der Gestaltung mit Licht verändert und wie sich die „Orte für Arbeiten und Wohnen“ heute in der Ausstattung aneinander angleichen. „Es bleibt das Bedürfnis nach Vertrautem“, sagt er. „Die Gelenkleuchte gehört dazu.“