Vorsicht Glas!
Swarovski präsentierte auf der Design Miami Basel die Gewinner des Designers of the Future Award.
Swarovski hat den Designers of the Future Award vom ehemaligen Auslober W Hotels übernommen. Bereits zur Mailänder Möbelwoche wurden Elaine Ng Yan Ling, Tomás Alonso und Studio Swine als Preisträger vorgestellt. Aber erst auf der Design Miami Basel 2015 war zu sehen, was diese jungen Talente auf dem (Glas)kasten haben.
Designpreise sind so eine Sache. Entweder die Teilnahme kostet unverhältnismäßig viel Geld und soll vor allem den Wert von Produkten steigern, oder sie ist kostenlos und führt in der Regel zu einer nicht-repräsentativen Auswahl von zweitklassigen Projekten. Der Dreiklang von Bedeutung, Glaubwürdigkeit und Qualität stellt eine Herausforderung dar, der nur wenige Auslober gewachsen sind. Es ist ein schmaler Grat zu beschreiten, um am Ende etwas zu schaffen, das es verdient, den Weg in die Öffentlichkeit zu finden.
Know-how in Wattens
Swarovski, der Spezialist für Glitzersteinchen und Präzisions(ziel)fernrohre aus dem Tiroler Wattens, hat Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Designern, Künstlern und Architekten. Mit Nadja Swarovski an der Spitze hat das Unternehmen in der Vergangenheit allein für die Design Miami Basel mit Persönlichkeiten wie Ross Lovegrove, Greg Lynn, Troika, Fredrikson Stallard, Erwin Redl, Eyal Burstein, Asif Khan, Guilherme Torres und zuletzt mit Jeanne Gang zusammen gearbeitet. Ganz zu schweigen von sonstigen Installationen, von denen es allein in den vergangenen zwei Jahren weltweit mehr als zehn zu sehen gab. Swarovski weiß, wie Kunst, Design und Architektur sich geschickt für ihre Marke nutzen lassen. Nun also ein Designpreis.
Höchstwertung in Haltungsnoten
Bereits die Jury liest sich wie ein Who-is-Who: Tony Chambers, Chefredakteur des Wallpaper Magazine, war ebenso dabei wie Yves Behar, Designer und Gründer von Fuseproject, Alexandra Cunningham Cameron, Creative Director der Design Miami oder Alexis Georgacopoulos, Direktor der ECAL in Lausanne und natürlich Nadja Swarovski. Das Besondere an diesem Preis ist, dass nicht bereits fertige Objekte in die Bewertung kommen, sondern vielmehr die Haltung der Designer. „Die diesjährigen Gewinner sind perfekte Beispiele für die Art von Talent, das wir ins Licht holen wollen. Sie experimentieren mit Materialien, erweitern den traditionellen Designbegriff und bringen frische Ideen in den Markt“, kommentiert Rodman Primack, Geschäftsführer der Design Miami, die Jury-Entscheidung. Und in der Tat sind die Ergebnisse ihrer Haltung welche, die sich sehen lassen können.
Facetten des Kristallgewerbes
Nach Bekanntgabe der Preisträger waren diese nämlich eingeladen, sich bei einem Besuch in Wattens und der dortigen Swarovski-Erlebniswelt in alle Facetten des Kristallgewerbes einführen zu lassen, um dann in nur sechs Wochen ihre Beiträge für die Show in Basel zu entwerfen und umzusetzen. Auch wenn das Unternehmen Wert darauf legt, dass die Glitzersteinchen nicht zwingend verwendet werden mussten, war dies vielleicht nur zu verlockend. Allen drei Preisträgern ist jedenfalls eine interessante Auseinandersetzung mit dem Material gelungen.
Tomás Alonso: 47˚
Der Spanier Tomás Alonso, der sich selbst als kosmopolitischer und handwerklicher Designer bezeichnet und heute ein Studio in London betreibt, hat mit seinem Konzept 47° eine Kollektion aus Kristallobjekten entworfen, die Leuchten, Spiegel und Tischdekorationsobjekte umfasst. Von der Bedeutung des 47°-Winkels begeistert, der bei Kristallen jenen Winkel beschreibt, bei dem Licht entweder reflektiert oder gebrochen wird, hat er diesen Schnitt in voluminösen Kristallkörpern mit farbigem UV-Kleber, Folien und Lichtquellen kombiniert. „Die Stücke sind als Ausstellungsobjekte konzipiert“, erklärt Alonso. „Ich habe mich der Frage gewidmet, was passiert, wenn Farbelemente innere und Oberflächeneffekte erzeugen.“ Alonso schafft es, mit dieser sehr zeitgemäßen, konstruktivistischen Kollektion, den Werkstoff Kristallglas in völlig neuem Licht erscheinen zu lassen. Die „Habenwollenobjekte“ wurden in einer ebenfalls auf dem 47°-Winkel basierenden Ausstellungsinstallation präsentiert.
Elaine Ng Yan Ling: Sundew
Elaine Ng Yan Lings Installation ist von den Bewegungen des Morgentaus (Sundew), einer fleischfressenden Tropenpflanze inspiriert. Die in Hongkong ansässige Designerin hat laternenartige Formen aus einer Vielzahl von leichten, flexiblen Materialien geschaffen, die einerseits mit einem neuartigen mit Kristallen besetzten, glitzernden Textilfleece bezogen sind, aber vor allem durch ihre poetische Animation bestechen. „Nach dem Besuch in Wattens habe ich versucht, Kristalle als Zutat für die Herstellung neuer Materialien, Texturen und Oberflächen zu betrachten. Es war spannend, sie mit Handwerk und Technologie zu kombinieren und so neue Funktionen zu erforschen“, erklärt sie. Ihre Installation funktioniert dabei als Kombination aus Düften, Licht und interaktiven Elementen. So kommunizieren die drei in der Ausstellung enthaltenen Objekte mit dem Betrachter und bewegen sich verlockend zu Geräuschen, die von ihnen ausgehen. Der süße Reiz, den der Morgentau auf Insekten ausübt, verfehlt auch beim Betrachter nicht seine Wirkung.
Studio Swine: Terraforming
Das von der japanischen Architektin Azusa Murakami und dem britischen Künstler Alexander Groves gegründete Studio Swine hat sich deutlich offener mit dem Thema auseinandergesetzt. Ihr Beitrag entwirft eine künstliche Welt mit extraterrestrischer Geschichte. Der Entdeckung eines neuen „Kristall-Planeten“ als Sujet gesetzt, fragen sich die Gestalter, wie es auf diesem Planeten aussehen mag und welche Gesetze dort gelten könnten. So abstrakt die Fragestellung klingt, so greifbar die Ergebnisse: ein „Kymatik Tisch“, auf dem mittels Tonfrequenzen und den kleinsten zur Verfügung stehenden Swarovski-Kristallen (so fein wie Sand) die stetige Veränderung der Planetenoberfläche simuliert wird, eine digitale Sanduhr, die das Uhrlesen völlig neu interpretiert, und eine Auswahl von Objekten, die ein jeder auf dem neuen Planeten wirklich braucht: ein Kristall-Okular und einen Sextanten. Man hört, verschiedene Sammler hätten die Werke an Ort und Stelle kaufen wollen. Verständlich. Doch leider ausgeschlossen.
Geschliffene Antwort
Nadja Swarovski hat von Beginn an auf die Design Miami Basel gesetzt. Und in diesem Jahr wohl den bisher substanziellsten Beitrag zur Veranstaltung geliefert. Die Übernahme des Designers of the Future Award hat sich als kluge Entscheidung herausgestellt und führte zu Objekten, die weit mehr sind als bloße Pflichterfüllung oder platte Repräsentation von Unternehmenswerten. Die Präsentation der Arbeitsergebnisse gehörte zu den Highlights der zehnten Design Miami Basel. Designpreise mögen für viele ein schmaler Grat sein. Swarovski hat eine geschliffene Antwort gefunden.