Wellenmodelle
Bretter, die die Welt bedeuten: Surfboard-Shaper und ihre Suche nach der perfekten Form.

Es ist ein wahnwitziger Akt, sich mit einem kleinen Brettchen vor Wassermassen zu werfen. Es ist ein Sieg über die Natur. Und es ist eine große Kühnheit, wenn die Physik zum Komplizen des Spaßes wird. Surfen erfordert im wortwörtlichen Sinn Hingabe. Die Mannschaft ist das Meer, der einzige Mitspieler das Board. Bis heute ist die Herstellung der wirklich guten Stücke individuelle Handarbeit mit den Shapern als Meister.
Das eine, das einzige – das gibt es nicht. Jede Welle, ob Monsterbrecher vor Hawaii oder regelmäßige Wogen über perfekten Korallenbänken, stellt ihre eigenen Anforderungen an das Board, an Länge, Querschnitt und Material. Jedes Brett antwortet auf die Leidenschaft seines Besitzers, schlägt schnelle Haken, pflügt durch die Gischt, macht Geschwindigkeit oder einen Tuberide. Der Sport, der einst auf Hawaii mit schweren Baumstämmen und Holzbrettern begann, steht heute vor allem auf ultraleichtem, mit Epoxydharz versiegeltem Hartschaum. Eines hat sich über die Zeit nicht verändert: Ein gutes Brett wird von Hand modelliert. Surfboard Shaper sind Künstler, die Elite wird verehrt wie Gurus. Mit einem Hintergrund als besessene Surfer haben sie sich irgendwann auf die Jagd nach der vollkommenen Form begeben. In ihre Suche investieren sie: viele Jahre Praxis, hunderte von Brettern und tausende von Stunden unter Neonröhren in Garagen.
Shaping-Box
Der ideale Shaping-Raum ist 9,60 Meter lang und 4,80 Meter breit. Fenster braucht er keine, dafür horizontal an den Raumseiten angebrachte Leuchtstoffröhren. In der Mitte stehen zwei einfache Böcke, mit dem Brett darauf erinnern sie an einen Altar. Das richtige Licht ist die wichtigste Voraussetzung, um die Konturen und kleine Unvollkommenheiten richtig zu erkennen. Der Shaper beginnt mit einem Blank – einem Board-Rohling, der geschnitten, gehobelt und geschliffen wird. Dann wird das Brett in eine Lage Fiberglas geschlagen und mit Epoxidharz fixiert. Jeder Shaper entwickelt im Laufe der Praxis seine eigenen Bauformen zwischen Longboard und Shortboard, konkaven und konvexen Böden, runden und spitzen Nasen. Das überkopfhohe Longboard ist dabei das Ur-Board, hat mit seinem dicken Körper und seiner ovalen Kontur ordentlich Auftrieb und verhält sich im Wasser behäbig. Dafür wird es von den Wellen leichter mitgenommen. Das Shortboard ist auf Geschwindigkeit und Wendigkeit angelegt, lässt die Wellen aber unter sich durchlaufen, wenn das Starttempo nicht stimmt. Wer auf dem falschen Brett unterwegs ist, wird schnell die Lust verlieren, wer einmal auf dem richtigen Brett steht, kann die Welle seines Lebens nehmen.
Die Form des Surfboards beruht nicht nur auf Erfahrung. Sie ist dreidimensionale Mathematik. Länge, Breite und Dicke in verwirrenden Gleichungen, für die nur diejenigen ein Gefühl entwickeln können, die wissen, wie es da draußen ist. Die Schönheit dieser Objekte ist die reine Form, die lange unter Mustern und Farben, Grafiken und Individualisierungs-Kritzeleien verborgen wurde. Jetzt sind in den Wellen immer mehr Bretter zu finden, die sich ästhetisch konsequent auf ihre Form zurückziehen und damit auch ein Statement zum Surfen selbst abgeben. Es geht darum, die Naturkräfte zu besiegen, über scharfe Riffe zu gleiten, die höchsten Wellen zu reiten. Es geht um meditave Momente allein im Wellental, um Reflexion und auch um Reduktion. Ich, mein Brett und das Meer. Die neuen Bretter in ihren ätherischen Gewändern, blassen Farben und Naturzitaten unterstreichen das. Das und die Liebe zum Handwerk, jeden Schleifstrich, jedes Maßnehmen. Am Ende steht die blanke Silhouette im Sand.
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Vital Force Surf
by JD San Jose
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