Menschen

Büros mit Zukunft

Kinzo über die nachhaltige Planung von Arbeitslandschaften

In der Rudi-Dutschke Straße in Berlin-Mitte entwickelt Kinzo Arbeitslandschaften der Zukunft. Neben der Auswahl der richtigen Produkte und Materialien gehört zur Planung der maßgeschneiderten Innenarchitektur für Unternehmen für das Büro heute auch eine langfristige Kundenberatung vor und eine intensive Betreuung nach Fertigstellung des Projekts. Was das mit Nachhaltigkeit zu tun hat und wie Kinzo im Bereich Material- und Produktsourcing agiert, erläutern Ina Nikolova und Lena Janßen im Interview.

von May-Britt Frank-Grosse, 23.08.2021

Ina Nikolova arbeitet seit zwei Jahren als Projektleiterin bei Kinzo. Die studierte Architektin hat sich nach Erfahrungen im Hochbau bewusst für ein Büro mit Schwerpunkt Innenarchitektur entschieden. Die Innenarchitektin Lena Janßen ist seit zwei Jahren in dem Berliner Büro tätig. Neben der planerischen Tätigkeit verantwortet sie mit einer Kollegin den Bereich Furniture-Consulting.

Furniture-Consulting, das klingt interessant. Worum geht es dabei?
Lena: Wir pflegen bei Kinzo grundsätzlich eine offene Austauschkultur. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeitenden immer in mehrere Themen involviert sind. Bei der Material-Taskforce werden neue Materialien recheriert, getestet und das Feedback aus Projekten eingesammelt. So entsteht nach und nach eine Materialdatenbank, auf die alle zugreifen können. Beim Furniture-Consulting wiederum ist das Ziel, eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Produktauswahl sicherzustellen. Wir bekommen beim Start eines Projekts von den Projektteams ein Briefing, weil die Anforderungen in Hinblick auf Qualität und Nachhaltigkeit bei jedem/jeder Bauherr*in anders sind. Und wir geben daraufhin Impulse, welche Möbel eingesetzt werden könnten.

Wie stellt Ihr die Möbelauswahl zusammen?
Lena: Wir haben eine eigene Produktdatenbank, in der unsere Recherchen, aber auch Testergebnisse und Empfehlungen zusammenlaufen. Ein Teil des Feedbacks kommt aus den fertigen Projekten zurück, aber wir testen auch intern. Wir bekommen regelmäßig Mustermöbel von Herstellern bereitgestellt, die wir mit einem QR-Code ausstatten. Unsere Kolleg*innnen, aber auch Besucher*innen können diesen mit seinem Smartphone scannen und müssen dann drei bis vier Fragen zur Qualität beantworten. Die Auswertung läuft bei uns im Furniture-Consulting zusammen. Wenn das Produkt positiv bewertet wird, landet es in unserer Datenbank.

Wie bewertet Ihr die Nachhaltigkeit eines Produkts oder Materials?
Lena: Es gibt einen riesigen Dschungel an Zertifikaten, die zum Teil sehr unterschiedliche, sich manchmal auch widersprechende Maßstäbe ansetzen. Es ist gar nicht so leicht, hier einen Überblick zu behalten. Wir setzen deshalb auch eigene Kriterien an und fassen das Thema Nachhaltigkeit zudem etwas weiter. Neben Zertifikaten und Siegeln orientieren wir uns an den Kriterien der Kreislaufwirtschaft und achten auf die Langlebigkeit von Produkten. Wir versuchen aber auch, uns bei deren Gestaltung nicht zu sehr an Trends zu orientieren. Ganz wichtig ist: Wir suchen gezielt nach Herstellern, die nicht nur ein Produkt verkaufen, sondern einen Service anbieten. Wir setzen gerne Produkte ein, die modular aufgebaut sind, damit Teile einfach ausgetauscht werden können und deren Anlieferung ohne großen Verpackungsaufwand erfolgt. Oder vom Hersteller zurückgenommen werden, wenn der/die Bauherr*in sie nicht mehr benötigt.

Was ist, wenn Ihr Materialien in einem Projekt einsetzt, die recycelt und (noch) nicht zertifiziert sind oder im Sinne der Circular Economy sogar wiederverwendet werden?
Ina: Da ist immer ein Risiko dabei, das der/die Bauherr*in dann bereit sein muss zu tragen. Es gibt zum Glück Kund*innen, die das auch machen. Anders ist das bei Brandschutzanforderungen. Diese muss man natürlich ernst nehmen. Aber in Bereichen, wo es unkritisch ist, spricht nichts dagegen, solche Produkte einzusetzen.

Das Thema Nachhaltigkeit in der Architektur ist ja zunehmend in den Köpfen der Menschen verankert. Aber die Planungen dafür sind aufwendig, da gerade im Innenraum viele Materialien und Möbel zusammenkommen.
Lena: Ja, der Beton für den Hochbau kommt in der Regel von einem Hersteller, die Innenraumausstattung aber aus ganz unterschiedlichen Quellen. Und die Herstellung der Komponenten ist nach wie vor nicht so transparent, wie wir uns das wünschen würden. Hier müssen wir als Planer*innen oft tiefer einsteigen. Was wir außerdem feststellen: Der größere Fokus auf Nachhaltigkeit bietet auch viel Potenzial für Greenwashing. Alleine, dass es all die verschiedenen Zertifikate gibt. Darüber hinaus setzten die Zertifizierungssysteme LEED, BREEAM und der DGNB noch ihre eigenen Kriterien an. Das ist noch sehr wenig vereinheitlicht.
Ina: Deshalb versuchen wir auch, mit eigenen Bewertungssystemen zu arbeiten. Wir haben dafür alle Zertifizierungen miteinander abgeglichen, um nachvollziehen zu können, was eigentlich genau zertifiziert wird.

Was gehört neben dem Einsatz entsprechender Produkte und Materialien noch zur Planung einer nachhaltigen Innenarchitektur?
Ina: Das Thema Bedarfsermittlung hat ebenfalls sehr viel mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun. Wir haben festgestellt, dass wir uns intensiv damit beschäftigen müssen, welche Planung für ein Unternehmen tatsächlich richtig ist, wie dort gearbeitet wird und wie der Alltag in den Büros in Zukunft aussehen soll. Je genauer und detaillierter wir Dinge vorab klären, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Mitarbeitenden sich später mit dem Ort identifizieren, dass weniger umgebaut werden muss und dass die Räumlichkeiten länger genutzt werden. Das ist genauso wichtig wie die Auswahl der richtigen Materialien und Produkte.

Nachhaltigkeit hat also auch viel damit zu tun, die Bedürfnisse der Nutzer*innen zu verstehen?
Lena: Und genau das mag ich auch an der Innenarchitektur: Dass wir näher am Menschen sind. Wir beschäftigen uns bei der Planung ständig damit, wie der Raum später genutzt wird, wie sich die Menschen durch die Flächen bewegen. Die Innenarchitektur muss wie ein/eine Gastgeber*in sein, der antizipiert, dass man gleich etwas trinken möchte – und deshalb steht schon ein Glas Wasser auf dem Tisch.

Bei der Bedarfsermittlung wird also die gesamte Belegschaft eines Unternehmens einbezogen?
Ina: Ja, wir führen zu Projektbeginn mehrere Mitarbeitendenbefragungen und Workshops durch, wo wir uns auch über die Unternehmenskultur austauschen. Wie sieht der Arbeitsalltag aus? Wer hat mit wem zu tun? Wie müssen Wegeführungen aussehen? Welche Arbeitsmodi werden benötigt: eher konzentriertes Arbeiten oder der Open Space? Wir nennen das Phase 0. Diese dauert bei manchen Projekten mehrere Monate. In dieser Zeit wird dem/der Kund*in oft auch bewusst, dass die Planung nicht nur räumlich Auswirkung hat, sondern auf die gesamte Arbeitskultur des Unternehmens.

Kannst Du diesen Prozess anhand eines Projekts veranschaulichen?
Ina: Die Berlin Hyp, eine Bank mit 600 Mitarbeitenden, hat vor, in den kommenden Jahren eine neue Unternehmenszentrale zu bauen. Unsere Arbeit umfasste zwei Aufgabenbereiche. Der eine bestand darin, durch Kundenworkshops und Bedarfsermittlung herauszufinden, wie der Neubau später aussehen soll, welchen Raumbedarf es dort geben wird. Die Auswertung diente als Grundlage für den Architekturwettbewerb des Neubaus. Parallel dazu haben wir die Interimsflächen für die Bank gestaltet, die seit einem Jahr genutzt werden, bis die Unternehmenszentrale fertiggestellt ist. Der/die Kund*in hat nun die Möglichkeit, die Umstellung vom Zellenbüros hin zum Open Space zu erproben. Da die Mitarbeitenden von Anfang an involviert waren und auch die Möbel mit ausgesucht haben, ist die Akzeptanz sehr hoch.

Wurde bei der Gestaltung der Interimsflächen bei der Berlin Hyp auch auf Nachhaltigkeit geachtet?
Ina: Die Berlin Hyp strebt beim Neubau eine DGNB-Zertifizierung in Platin an. Natürlich sollen die Möbel der Interimsflächen in den Neubau mit umziehen, deshalb haben wir bei der Auswahl der Möbel besonders darauf geachtet. Und die Nachhaltigkeitsbeauftragte des Unternehmens hat alle Möbelstücke und Materialien noch einmal hinsichtlich der Lieferketten und anderer Nachhaltigkeitsstandards geprüft.

Wenn die Mitarbeitenden zu Beginn in das Projekt einbezogen werden, wird es also später besser angenommen?
Lena: Mitarbeiterakzeptanz ist eines der Schlüsselthemen der funktionalen Nachhaltigkeit in der Planung. Viel Unmut kann vermieden werden, wenn die Mitarbeitenden richtig mitgenommen werden. Wir planen aber trotzdem oft verschiedene Varianten, sodass die Bauherrenschaft den Raum verändern kann, ohne dass Wände eingezogen werden müssen. Oder es gibt klappbare Tische und Möbel mit Rollen, die einfach umgestellt werden können.

Wie könnt Ihr im Nachhinein reagieren, wenn doch einige Mitarbeitende unzufrieden sind mit der räumlichen Situation?
Ina: Wir empfehlen unseren Kund*innen nach dem Einzug gerne eine „Freeze-Phase“ von drei bis sechs Monaten, da sich die Mitarbeitenden auch erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen müssen. Es ist wichtig herauszufinden, warum jemand unzufrieden ist. Deshalb führen wir immer wieder Interviews oder Workshops durch, um der Problematik auf den Grund zu gehen. Oft ist es nur etwas Organisatorisches und hat nichts mit der räumlichen Umgebung zu tun. Das Feedback wird gesammelt, aber 80 Prozent der Beschwerden haben sich nach dieser Zeit erledigt und die Leute fühlen sich dann doch wohl.

Ist nach Eurer Erfahrung am Ende der ökonomische Aspekt entscheidender für die Bauherrenschaft oder auch mal der ökologische?
Ina: Erfreulicherweise kommt es immer öfter vor, dass Unternehmen nicht die günstigste Planung bevorzugen, sondern sich schon auf eine längerfristige Perspektive einlassen, um nachhaltiger zu planen.
Lena: Wir sollten uns sowieso daran gewöhnen, dass sich unser Konsumverhalten ändern und dass für Qualität und Nachhaltigkeit mehr bezahlt werden muss. Im Sinne der Lebenszyklusanalyse sind diese Produkte ja am Ende meist deutlich günstiger.
Ina: Eine vorausschauende Planung wird zunehmend auch von den Mitarbeitenden erwartet. Gerade bei der jüngeren Generation. Im „War for Talents“ spielt es eine große Rolle. Und darauf müssen sich Unternehmen einstellen.

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