Die Filzkünstlerin
Anne Kyyrö Quinn über Textilien als akustische Lösungen
Die Filzinstallationen der Künstlerin und Designerin Anne Kyyrö Quinn zieren die Wände von Büros, Wohnungen oder Kinos. Sie geben nicht nur spektakuläre Bilder ab, sondern beeinflussen auch die Akustik positiv.
In Finnland geboren, umgab sich Anne Kyyrö Quinn bereits als Kind gerne mit Textilien. Ständig nähte, stickte oder bastelte sie etwas aus Stoff. Zum Studium zog sie nach London. Sie erlangte einen Bachelor und Master in Textilien und eröffnete Mitte der Neunzigerjahre ihr eigenes Studio. Seitdem widmet sie sich der Arbeit an Stoffinstallationen für Kinos, Büros oder private Wohnungen. Sie bestehen überwiegend aus Filz und haben neben dem künstlerischen Aspekt auch eine akustische Funktion.
Zum Zeitpunkt des Interviews befindet sich Anne Kyyrö Quinn in der Toskana. Dort arbeitet sie in ihrem zweiten Studio an experimentellen Projekten. Momentan malt sie beispielsweise auf Filz, zerschneidet den Stoff, dreht die Bestandteile und formt daraus ein Kunstwerk. Gedacht ist es für eine Privatwohnung in Dubai. Warum Italien für sie ein inspirierender Ort ist und wie mit Textilien akustische Lösungen für Räume gelingen können, erzählt sie im Gespräch.
Sie arbeiten viel mit Filz. Was fasziniert Sie an diesem Material?
Ich arbeite generell sehr gerne mit organischen Textilien aus der Natur, lieber als mit menschengemachten Fasern. Das gilt auch für Seide, Leder oder Leinen. Filz ist sehr robust, stark, man kann ihn formen, was fantastisch ist, und er hat ausgezeichnete akustische Eigenschaften. Ich verwende für meine Arbeit ausschließlich neuseeländischen Filz aus 100 Prozent Merinowolle. Ich schaue mich aber auch immer nach neuen Textilien um, die für meine Projekte passen könnten. Auch da ist es mir wichtig, dass sie ihre Form halten können, was zum Beispiel bei Leder der Fall ist. Das ist auch der Grund dafür, dass ich in Italien bin. Hier gibt es viele Hersteller und Fabriken, bei denen ich direkt einkaufen kann. Zu anderen Zeiten bin ich auch auf Messen unterwegs, um dort neue Materialien zu entdecken.
Woher nehmen Sie die Inspiration für die 3-D-Muster Ihrer Installationen?
Das hängt vom Projekt ab. Oft habe ich den Eindruck, dass das Material nach einem bestimmten Muster, einer bestimmten Form fragt. Dann ergeben sich beispielsweise gedrehte Blumen daraus. Es sind meistens Motive aus der Natur.
Fühlen Sie sich eher als Künstlerin oder als Designerin?
Das kommt sehr darauf an, an welchem Projekt ich gerade arbeite. Ich befinde mich irgendwo dazwischen und sehe mich als Grenzgängerin. Als dritte Komponente kommt auch noch das Handwerk dazu, denn meine Arbeiten werden in meinem Studio in London von Hand hergestellt. Ich beschäftige dort vier Mitarbeiter*innen. Projektbezogen arbeiten wir mit Freelancer*innen zusammen.
Wie gehen Sie an ein neues Projekt heran?
Wir haben einige Modelle, die die Planer*innen direkt bei uns bestellen. Aber oft sind wir auch in den Planungsprozess der Installationen involviert. In diesem Fall arbeiten wir sehr eng mit den Innenarchitekt*innen zusammen.
Inwiefern hat die Pandemie einen Einfluss auf Ihre Projekte?
Die Nachfrage privater Bauherr*innen ist definitiv gestiegen. Momentan arbeiten wir beispielsweise an einem Heimkino in London, wohingegen wir normalerweise viel mit Unternehmen zusammenarbeiten.
Stehen die akustischen Qualitäten für Ihre Auftraggeber*innen im Vordergrund?
Das ist ganz unterschiedlich. Einige bevorzugen ein textiles Kunstwerk gegenüber einem konventionellen klangabsorbierenden Panel. Anderen geht es nur um den dekorativen Aspekt.
Beobachten Sie eine wachsende Sensibilität für Raumakustik?
Sie ist in den vergangenen Jahren auf jeden Fall gewachsen. Das hängt auch mit einer insgesamt gestiegenen Sensibilität für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zusammen. Glückliche Arbeitskräfte brauchen eine angenehme Umgebung. Das ist sicherlich auch ein Grund, weshalb es momentan sehr wichtig ist, sich vermehrt mit der Akustik zu beschäftigen.
Was ist die größte Herausforderung bei der Akustikplanung?
Oft werden bei der Planung von Räumen neben harten Einbauten und Möbeln weiche Flächen vergessen. Das ist wahrscheinlich der größte Fehler, den man bei der Planung machen kann. In Restaurants zum Beispiel ist die Akustik aus diesem Grund oft furchtbar. Es gilt dann, weiche Textilien ästhetisch passend in den Raum zu bringen. Mit Teppichen, Vorhängen oder Wandbespannungen lässt sich auch mit einem kleinen Budget eine angenehme Akustik erzeugen.
Warum ist London für Sie ein guter Ort zum Arbeiten?
Ich bin eigentlich eher zufällig in London gelandet, weil ich einen Briten geheiratet habe. Dann habe ich mein Studio eröffnet und bin nun länger dort, als ich je in Finnland gelebt habe. London ist zwar mein Lebensmittelpunkt, aber ich arbeite weltweit. Momentan haben wir erstmals ein Projekt in Puerto Rico, das ist sehr spannend.
Welche Art von Stoffen tragen Sie persönlich gerne?
An heißen Orten wie hier in der Toskana trage ich am liebsten Leinenkleidung. Es ist ein natürliches Material, das bei diesen Temperaturen einfach sehr angenehm auf der Haut ist.