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Die Kunst der virtuellen Inszenierung

Der Industriedesigner erklärt die Kunst der virtuellen Inszenierung

von Kathrin Spohr, 16.07.2019

Arndt Johannes studierte Industriedesign an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 1997 führt er die Brand- und Designagentur Vistapark. 2016 gründete er mit sooii ein weiteres Unternehmen, das er leitet. Hier geht es um die virtuelle Inszenierung von Bildern. In High-End-Qualität für Premiummarken aus der Designbranche wie Vitra oder Interlübke. Eine Technik, die es der Produktvermarktung ermöglicht, frühzeitig und schnell hochwertiges Bildmaterial für die crossmediale Kommunikation zu haben. Virtuelle Contentproduktion – ein Hype oder relevante Realität? Wir trafen Arndt Johannes zu einem echten Gespräch in Wuppertal.

Wann benötigen wir heute CGIs?
Der größte Vorteil virtueller Bildproduktion ist die Flexibilität. Die vielschichtige Medienlandschaft, die Hersteller heute bespielen müssen, funktioniert nicht mehr mit herkömmlicher Produktfotografie. Es geht immer mehr um Bewegtbild, um Technologien wie VR und AR. Im Zuge der Digitalisierung muss man Wege finden, Vielfalt zu entwickeln. CGI liefert die beste Voraussetzung. Weil am Anfang das digitale, medienneutrale Produkt steht. Man hat die Möglichkeit, direkt nach Designfreigabe, zu einem sehr frühen Zeitpunkt, das neue Produkt zu kommunizieren, das ist mit einer klassischen Fotoproduktion gar nicht mehr oder nur mit viel Aufwand realisierbar.

Wie unterscheidet sich die Erstellung virtueller Produktinszenierungen von dem herkömmlicher Fotoshootings? Vom Kern ist der Ablauf ähnlich einer klassischen Produktion: Gestaltung, Architektur, Styling, Fotografie. Was sich grundlegend verändert hat, sind die Technik und die Art, wie gewisse Dinge aufgesetzt werden. Unsere Arbeit ist eher angelehnt an eine Filmproduktions-Pipeline, die sich im Vorfeld viel mehr Gedanken darüber machen muss, was passieren soll oder wie Dinge abgestimmt werden. Im klassischen Shooting sind 50-60 Prozent der Kreativität der Spontanität vor Ort geschuldet. Beim CGI fällt das weg, da müssen wir Spontanität, Authentizität künstlich erstellen. Ein Learning, das aber funktioniert!

Wie erzeugt man künstlich Spontanität? Es gibt keine feste Formel. Jedes Projekt ist etwas anders gelagert. Grundsätzlich ist es wichtig zu verstehen, wie Bildstilistik funktioniert. Man muss Bildsprache bis ins kleinste Detail analysieren und lernen, dies für den CGI-Prozess zu interpretieren. – Die Qualität der CGIs steigt mit höherer Detaillierung!

Verändert die Nutzung Eurer Services die Arbeit von Fotografen, Innenarchitekten, Stylisten, Designern? Inhaltlich ist die Arbeit gleich: Es geht darum, den richtig inszenierten Raum zu entwerfen. Klassische Fotografie wird immer ihre Daseinsberechtigung haben. Aber in vielen Fällen wird sie nicht mehr die Anforderungen erfüllen können, die Hersteller haben. Teilbereiche werden künftig anders aussehen. Medienneutrales Denken ist wichtig. Wir sind heute bereits dabei, für verschiedene Hersteller desselben Segments individuelle Bildsprachen und Ästhetik zu entwickeln. Bei einem klassischen Shooting käme dies durch den Fotografen.

Der Markt hat sich gewandelt. Produktion wird individueller, sogar maßgeschneidert bei kurzem time-to-market... Zeit und Flexibilität sind heute entscheidend. Wer zu einer Messe die Produktkommunikation bereits präsentiert, hat Wettbewerbsvorteile – das ist mit CGI möglich. Auch wenn Produkte noch auf den letzten Drücker verändert werden. Ein klassisches Fotoshooting ist ein zu linearer Prozess. Man sucht eine Location, transportiert Produkte dorthin und stellt am Ende fest, dass es doch hätte anders aussehen müssen. Außerdem: Markenhersteller konzentrieren sich heute auf Neuheiten. Das Basissortiment, die Cash Cow, wird vernachlässigt. Für die sozialen Medien, das Vertreiben von Produkten übers Internet, ist genau das aber ein entscheidender Bereich: Da geht es um das Zeigen von Präsenz, um die Produktion von großen Mengen an Content, Aktion, Inspiration. Es braucht andere Formen der Produktinszenierung, Tools und Systeme, damit der Kunde überhaupt erfährt, welche Produkte da sind. All das muss sich technisch und wirtschaftlich realisieren lassen.

Der Claim auf der sooii-Webseite lautet „we are real“. Ist das Thema „virtuelle Inszenierung“ für Kunden noch nicht real? Die Kunden wissen größtenteils nicht, wie sie sich dem Thema annähern sollen. Wir möchten durch unseren Input Möglichkeiten aufzeigen. Sensitivität für Bildästhetik ist ganz entscheidend. Und obwohl das Bild das Ergebnis ist, geht es uns um den gesamten Prozess, die Beratung und die Entwicklung.

Wie bist Du darauf gekommen, Dich auf die virtuelle Inszenierung von Möbeln und Objekten zu spezialisieren? Es gibt kaum einen anderen Bereich, in dem so viele verschiedene Produkte und Themen zusammenspielen, wie bei der Inszenierung von Interior-Produkten. Der gestaltete Lebensraum besteht nicht nur aus einem Stuhl und Tisch, sondern aus komplexen Arrangements. Die Hersteller agieren bislang sehr fokussiert auf ihr Segment und isoliert auf ihre Produkte. Die Grenzen zwischen den Segmenten verschwinden jedoch, wenn man es aus Sicht der Kunden betrachtet. Ein Beispiel ist Fashion: Wir shoppen heute ganze Outfits, nicht einzelne Jacken, Hosen, Schuhe. Das Gleiche gilt zunehmend für Interior-Produkte. Das war der Anlass für uns zu sagen, dass dieser Bereich technologisch für CGI eine riesige Angriffsfläche darstellt, und gleichzeitig das Potenzial birgt, neue Kundensynergien aufzubauen.

Zu den Kunden von sooii gehören Marken wie Bega, Cor oder Interlübke. Ihr versteht Euch auch als Plattform und Netzwerk für Premium-Designhersteller. Wieso? Wir begleiten die Kunden zunächst in der virtuellen Produktion von Content und Inspiration. Im nächsten Step möchten wir dies über gemeinsame Synergien und Plattformen zusammenbringen und die Digitalisierung in der Branche voran bringen.

Inwiefern ist der Netzwerkgedanke heute so relevant für die Premiummarken? Welche Synergien versprechen sich die Hersteller? Die Herausforderungen der Digitalisierung und neuer Strukturen im Markt kann kein einzelner Hersteller für sich allein lösen. Das Problem: Keiner hat einen Masterplan dafür. Genau daran zu arbeiten, ist unsere Mission.

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