Gesa Hansen
Die in Paris lebende Designerin im Gespräch
Ihre Eltern zelebrierten den Minimalismus, ihre neunjährige Tochter feiert einen Waschstein aus Marmor und sie selbst zählt zu den derzeit erfolgreichsten Designerinnen aus Deutschland. In einem Telefoninterview spricht Gesa Hansen, 39, über ihren beruflichen Werdegang, eine prägende Begegnung an der Bauhaus-Universität Weimar, Inspirationen aus ihrer Wahlheimat Frankreich und positive Aspekte der Corona-Krise.
Frau Hansen, wo erreiche ich Sie gerade? In unserem Landhaus, in der Nähe von Paris.
Wären Sie jetzt auch dort, wenn es das Corona-Virus nicht geben würde? Nein, dann säße ich auf jeden Fall in meinem Büro in der Stadt. Aber als unsere Kinder Corona-bedingt nicht mehr zur Schule gehen konnten, sind wir hier nach Courances gezogen, wo wir normalerweise nur die Wochenenden verbringen.
Hat Corona Ihre beruflichen Pläne denn sehr durcheinander gebracht? Oder haben sich durch die Pandemie auch neue Projekte und Wege für Sie ergeben? Sowohl als auch. Seit dem Lockdown verkauft unser Familien-Label The Hansen Family viel mehr Möbel als sonst, meine persönlichen Interiorprojekte dagegen kamen schlagartig zum Stillstand. Lediglich mit Bauwerk Parkett habe ich durchgehend eng zusammengearbeitet, allerdings nur per Skype. Das war und ist für uns alle aber eine sehr positive Erfahrung: Die Projekte kommen auch auf diese Weise gut voran, ich spare mir die siebenstündige An- und Abreise in die Schweiz und Bauwerk spart meine Reisekosten. Ich bin mir sicher, dass in Zukunft auch in unserem Sektor viel, viel mehr online passieren wird.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie als Designerin und Innenarchitektin arbeiten? Ursprünglich wollten Sie ja Grafikerin werden und haben an der Bauhaus-Universität Weimar Grafikdesign studiert. Daran ist mein damaliger Professor Axel Kufus Schuld. Es gibt ja sehr wenige gute Designer, die auch gute Lehrer sind, aber er hat auf beiden Ebenen eine ganz besondere Gabe. In seinen Vorträgen kam mir alles so klar und selbstverständlich vor. Dieses Gefühl habe ich in den Vorlesungen meiner Grafikprofessoren nicht gespürt.
Welchen Einfluss hat das Studium an der Bauhaus-Universität auf Ihren Stil und Ihre Interiorprojekte genommen? Axel Kufus findet meinen Stil sicherlich viel zu verspielt und dekorativ, aber direkt nach meinem Abschluss war ich schon sehr minimalistisch unterwegs, Interiordesigner habe ich nur als Kissenknicker betrachtet (lacht). Erst als ich nach Frankreich kam, habe ich mit der Zeit gemerkt, dass Interiordesign mit seinen Texturen, Materialien und Stoffen eine ganz eigene Kultur hat. So habe ich auch bei meinem Möbeldesign immer mehr auf organische Formen gesetzt.
Sie sind in einer Familie von Handwerkern, Designern und Architekten aufgewachsen. Wie viel bekommen nun Ihre eigenen drei Kinder von der kreativen Welt ihrer Mutter mit? In meinem Elternhaus regierte dieser typisch deutsche Minimalismus, der Loft-Stil der Neunzigerjahre: Es gab extrem wenig Möbel, Bücher und Bilder standen auf dem Boden. Ich habe es geliebt, dort in Werken über Arne Jacobsen und Herzog & de Meuron zu stöbern, aber gemütlicher fand ich es in der plüschigen Wohnung meiner Großeltern. Auch unser jetziges Zuhause habe ich sehr dekorativ eingerichtet. Ich liebe Vorhänge, das Spiel mit Stoffen und den Kontrast zwischen warm und kalt, und ich habe den Eindruck, dass auch meine Kinder sehr empfänglich für Materialien sind. Neulich zum Beispiel, als ich meine neunjährige Tochter bei ihrer Spielkameradin abholte, sagte deren Vater zu mir: „Stell dir vor, als Lou vorhin durch unsere Küche ging, streichelte sie den Waschstein aus Marmor und sagte: Das ist wirklich ein sehr, sehr gutes Material. (lacht)
Ihr Universum ist enorm facettenreich und Sie wurden für Ihre Projekte schon oft ausgezeichnet: Sie entwerfen Möbel, renovieren Apartments, Restaurants und Schnapsfabriken, illustrieren Kinderbücher und arbeiten immer wieder mit namhaften Firmen. Gab es ein Projekt oder Erlebnis, das Sie besonders geprägt hat? (Zögert) Spontan fällt mir da paradoxerweise etwas ein, was rein gar nichts mit meinem Job zu tun hat: Am meisten berührt hat mich der Augenblick, als ich gemeinsam mit einem Freund, dem französischen Sänger Benjamin Biolay, auf einer Bühne gesungen habe. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Gesang und Musik eine ganze andere und spezielle Art von Ausdruck sind. Auf beruflicher Ebene war es vielleicht die letzte Wallpaper Handmade-Ausstellung in Mailand, für die ich eine gedrehte Holzbank entworfen habe. Ein Teil dieser Ausstellung zu sein, war schon lange ein Traum von mir. Generell gesprochen, finde ich es aber immer wieder faszinierend, wie sich mit Aufträgen und der Konfrontation mit neuen Werkstoffen der eigene Horizont erweitert. Bis zur Zusammenarbeit mit meiner langjährigen Partnerfima Villeroy & Boch zum Beispiel war mir Keramik absolut fremd.
Was sind Ihre aktuellen Projekte? Momentan richte ich ein kleines 3-Sterne-Hotel im 15. Arrondissement von Paris ein, das voraussichtlich im September öffnen wird. Ich habe lange gezögert, bevor ich den Auftrag annahm, denn aus budgetären Gründen konnte ich mein Team nicht beteiligen und ich war unsicher, ob ich mein allererstes Hotelprojekt ohne Begleitung tatsächlich hinbekomme. Letztlich ist es jedoch ein total interessantes Projekt geworden, bei dem ich sehr erfinderisch sein muss und das ich als persönlichen Workshop betrachte. In naher Zukunft möchte ich aber auch viele Landhäuser renovieren. Die bieten einfach viel mehr kreativen Spielraum als diese kleinen, engen Stadtwohnungen in Paris. (lacht)
FOTOGRAFIE Nathalie Mohadjer
Nathalie Mohadjer