Gestaltung als Katalysator
Innenarchitekt und Designer Douman Pour im Gespräch
Douman Pour pendelt. Nicht nur zwischen seinem Wohn- und Arbeitsort Berlin und Frankfurt, wo er ein zweites Studio hat. Der 40-Jährige bewegt sich auch zwischen den Kulturen: Seine Familie flüchtete aus dem Iran, als er drei Jahre alt war. Pour wuchs in Frankfurt auf, studierte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und entwirft heute unter dem Namen Pournoir Innenarchitekturen, Möbel und Leuchten.
Zu seinen Projekten gehören die Berliner Restaurants Baldon und Meet Me Halfway, außerdem diverse Wohnungen, Bars und Büros. Wir trafen ihn coronakonform unter freiem Himmel in einem Kreuzberger Hinterhof und sprachen mit ihm über Materialien, Beziehungen — und darüber, warum er 3-D-Modellen nicht traut.
Herr Pour, Sie haben Ihr Studio Pournoir genannt, eine Kombination aus Ihrem Namen und dem französischen Wort für Schwarz. Warum Schwarz?
Mir ging es darum, einen Ausdruck für Ruhe zu finden. Auf uns prasseln jeden Tag so viele Eindrücke ein. Schwarz steht für mich für Präsenz, Radikalität und Klarheit, aber zugleich auch für Ruhe und Zurückhaltung. Das Selbstverständnis verändert sich allerdings – das war jedenfalls mein Ansatz, als ich 2012 mein Studio gründete. Meine Herkunft spielt auch hinein, ein Aspekt, der immer wichtiger wird für mich.
Sie sind im Iran geboren, aber als Dreijähriger mit Ihren Eltern nach Deutschland gekommen.
Meine Muttersprache ist Persisch, ich habe viele Einflüsse aus der persischen Kultur aufgenommen. Bis heute ist dies prägend.
Das heißt Sie sind von zwei Kulturen gleichermaßen beeinflusst, der deutschen und der persischen?
Es war eine schmerzvolle Erfahrung, zu flüchten und einen großen Teil der Familie zu verlieren. Das hat in mir eine große Distanz zum Land erzeugt. Ich bin auch lange nicht hingefahren. Aber es gab immer eine Sehnsucht danach. Es war unglaublich schwierig, zwischen zwei Kulturen eine eigene Identität zu schaffen. Oft habe ich mich als Fremdkörper gefühlt, alleine schon durch die andere Sprache.
Sie hatten nie das Gefühl, vor Ihnen liegt ein gerader, eindeutiger Weg?
Nein, auf gar keinen Fall! Bei mir gab es viele Umbrüche. Heute versuche ich, neben meinem modernen, prägnanten Stil auch meinen kulturellen Hintergrund in meine Arbeit einzubringen, ohne es plakativ wirken zu lassen. Es geht eher darum, die Kultur modern zu interpretieren und eine eigene Ästhetik daraus zu entwickeln. Orientalische Bäder sind zum Beispiel spannend oder Wohnräume, die ganz anders funktionieren und wirken als mitteleuropäische.
Ihre ersten Projekte zu Beginn Ihrer Karriere in Frankfurt waren Orte für den Abend oder die Nacht, Bars und Restaurants. Gestaltet man dunkle Orte anders als helle?
Hell und dunkel, das ist mir zu simpel. An solchen Orten ist der Kontext stark: Eine Bar ist ein Ort der Begegnung, man trifft sich dort, um Leute kennenzulernen, um gemeinsam zu trinken. Dafür muss ich als Gestalter Möglichkeiten schaffen. In meiner ersten Bar The Parlour habe ich versucht, Barrieren aufzubrechen, Menschen zueinander in Beziehung zu setzen durch Design. In einem Restaurant ist der Kontext wieder anders. Ich versuche auf jeden Fall, im Austausch mit den Betreibern die Kernidee herauszuarbeiten. Was soll der Gast am Tisch erleben und empfinden?
Sind Gastronom*innen experimentierfreudige Auftraggeber*innen?
Umso klarer und schärfer das Profil, umso besser. Meine Aufgabe ist es, mit der Gestaltung das Konzept wie ein Katalysator zu verstärken und zu emotionalisieren.
Wie würden Sie die Beziehung zwischen Auftraggeber*innen und Gestalter*innen beschreiben?
Gestalten ist ein sehr emotionaler Prozess, man kommt den Menschen näher. Wenn der Kunde und ich ganz unterschiedliche Designsprachen sprechen, wird es schwierig. In diesem Prozess ist es wichtig, gut zuzuhören, zu beraten, aber auch abzuraten.
Müssen Sie öfter Nein als Ja sagen?
Ich darf selbst nicht auf einem zu hohen Ross sitzen. Wenn ich eine Wohnung entwerfe, ist es egal, wie toll ich eine Idee selbst finde. Am Ende müssen die Auftraggeber darin leben. Natürlich arbeite ich eigene Ideen aus und habe über die Jahre meinen eigenen Stil entwickelt. Aber die Gestaltung von Orten muss zu tun haben mit den Menschen, die sie nutzen.
Womit fangen Sie bei einem neuen Projekt an? Mit den Grundrissen, mit den Materialien?
Es fängt eigentlich immer mit dem Ort an. Und da gehe ich durchaus sehr physisch ran. Es gibt natürlich 3-D-Renderings, aber ich klebe gerne auch mal auf dem Boden ab und zeige das den Kunden. Passen die Abstände? Wo werden die Wände sein? Das fühlt sich in der physischen Welt ganz anders an als im 3-D-Modell.
Sie haben Studios in Berlin und Frankfurt am Main. Unterscheidet sich die Arbeit in beiden Städten?
Nein, denn meine Arbeit ist an keinen Ort gebunden. Ich pendle zwischen meiner Heimat Frankfurt und Berlin, meiner Wahlheimat.
Wer sind Ihre Held*innen in der Architektur und im Design?
Im Moment beschäftigen mich eher andere Dinge. Ich habe das Buch „Die Gesellschaft der Singularitäten“ von dem Soziologen Andreas Reckwitz gelesen. Ich fand die Idee einer Spätmoderne spannend. In der klassischen Moderne war alles genormt: genormte Wohnungen, genormtes Leben. Jetzt geht es um Individualisierung. Distinktion ist unglaublich wichtig, die Gesellschaft ist sehr plural geworden. Mit Massenprodukten kann man da nicht viel gewinnen. Für Designer ist es wichtig, eine eigene Persönlichkeit und eine eigene Ästhetik zu entwickeln, potent auf dem Markt zu sein.
Empfinden Sie da Druck?
Für mich stellt der Druck eher eine Herausforderung dar – eine Lebensaufgabe, damit ist man nie fertig.
Sie entwerfen auch Möbel und Leuchten und verkaufen sie in limitierten Stückzahlen.
Genau, meine eigenen Produkte entstehen meistens aus einem Projekt heraus. Für das Restaurant Baldon in Berlin-Wedding habe ich beispielsweise eine Leuchte entworfen, die nun in meinem Sortiment ist. Gerade arbeite ich an einem Pournoir-Sofa.
Worauf kommt es dabei an?
Es ist wichtig, als Nutzer eine Beziehung zu einem Produkt aufzubauen. Damit ich es nicht gleich wieder wegwerfe. Deswegen lasse ich die Oberflächen bei meinen Produkten unbehandelt. Durch Veränderung, durch Patina sollen sie zu etwas Speziellem werden, das ist mein Wunsch. Es gibt Dinge, die altern mit einem. Durch die Beziehung zu einem Produkt entsteht Nachhaltigkeit.
Wie setzen Sie Materialien ein?
Grundsätzlich arbeite ich materialecht: die Farbe des Materials zeigen, dadurch eine Authentizität erzeugen. Ich nehme keine Materialien, die ein anderes imitieren. Das Zusammenspiel in Kontrasten ist wichtig – hell, dunkel, rau, glatt. Ich versuche, eine Dramaturgie zu schaffen durch Materialien.
Und an welchen Projekten arbeiten Sie gerade?
Es war schon immer ein Traum von mir, ein Objekt in einem Hochhaus einzurichten. Das liegt ja nahe, wenn man in Frankfurt am Main aufwächst. Jetzt mache ich das tatsächlich: Es geht um eine Wohnung im 40. Stock des Grand Tower. Ich möchte das Außen – die Stadt, den Ausblick – nach innen bringen, mit Materialien und Formen. Parallel arbeite ich an weiteren Wohnprojekten in ganz Deutschland.
Gibt es auch ein Traumprojekt, das Sie noch nicht realisieren konnten?
Ein eigenes Haus zu entwerfen. Natürlich nicht alleine, sondern mit einem Architekten. Fassaden habe ich schon entworfen, aber von null ein ganzes Haus zu planen, das wäre jetzt der nächste Schritt.