Kunst wird Architektur
Pavillonbau von Thomas Demand im dänischen Ebeltoft
Mit einer besonderen Kunstform hat Thomas Demand in den vergangenen Jahrzehnten internationale Berühmtheit erreicht. Nun baute er für den dänischen Hersteller Kvadrat in Ebeltoft einen Pavillon, der den Gesetzen seiner Kunst folgt. Wir sprachen mit dem Künstler über den Entstehungsprozess.
Thomas Demand hat einen originellen Herstellungsprozess für seine Kunst gewählt. Er baut das räumliche Setting von Pressefotos als Papiermodell nach, fotografiert dieses und zerstört dann das Modell. Zurück bleibt die Fotografie, ein Abbild seiner gebauten Interpretation eines Abbilds der Realität. Mit dieser Kunstform hat sich der studierte Bildhauer in den letzten Jahrzehnten international einen Namen gemacht.
Auch unter Architekt*innen ist der in Berlin lebende Künstler bekannt, nicht zuletzt, da seine Arbeit dem Modellbau in der Architektur ähnelt. Sein besonderes Interesse an Raum und Funktion verbindet Thomas Demand mit der Architektur. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich mitunter auch realen Bauaufgaben widmet. Sein neuester Coup ist ein Pavillon, den er für das dänische Textilunternehmen Kvadrat erdacht hat. Anfang September 2022 wurde The Triple Folly, ein aus drei Baukörpern bestehendes Konferenz- und Ausstellungsgebäude, im dänischen Ebeltoft, dem Sitz der Firmenzentrale, enthüllt. Wir haben den Künstler zur Eröffnung getroffen und mit ihm über den Entstehungsprozess des Pavillons und die Faszination von Papiermodellen gesprochen.
Herr Demand, für die Architekturszene waren Sie bisher der prominenteste und erfolgreichste Modellbauer Deutschlands. Sind Sie jetzt auch Architekt?
Nein, nein. Ich bin kein Architekt. Aber das Projekt war eine sehr willkommene Herausforderung.
In welcher Hinsicht?
Ich habe mich schon sehr viel mit Ausstellungsarchitektur beschäftigt. Teils in Eigenregie, teils habe ich dabei mit Architekten zusammengearbeitet. Die Rolle des Architekten habe ich in dem Zusammenhang so begriffen wie die eines Moderators in einer Fernsehsendung. Es gibt den Sender und den Gast, aber man braucht das Scharnier zwischen beiden Institutionen. Und der Gast sollte ja nicht selbst der Moderator sein. Genau in diesem Sinne mache ich als Künstler meine Kunst, aber nicht die Architektur, die es ermöglicht, meine Kunst zu zeigen. Das wäre dann nämlich eigentlich auch Kunst. Deswegen habe ich sehr früh begonnen, mit Architekten wie Brandlhuber und Caruso St John zusammenzuarbeiten.
Ihre Arbeiten sind unter Architekt*innen recht bekannt.
Das stimmt. Ich habe auf vier Architekturbiennalen ausgestellt, soweit ich richtig mitgezählt habe. An Hochschulen werden in Kursen über Architekturdarstellung meine Bilder gezeigt und bei Wettbewerben als Moodboards verwendet. Es ist ganz schön, wenn man merkt, dass die eigene Arbeit in die Architektur einwirkt.
Mit dem Architekturbüro Caruso St John verbindet Sie eine besonders intensive und lange Zusammenarbeit.
Wir haben schon alle möglichen architektonischen Formate ausprobiert. Angefangen von klassischer Ausstellungsarchitektur bis hin zur Zusammenarbeit an dem Wettbewerb Nagelhaus in Zürich, bei dem wir damals den ersten Platz gewonnen haben. Als dann Anders (Anders Byriel, CEO von Kvadrat, Anm. d. Red.) mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen kann, hier einen Pavillon für Kvadrat zu bauen, war unsere Zusammenarbeit im Grunde eine logische Konsequenz. Und ohne Caruso St John hätte ich das nie machen können.
Gab es bei der Beauftragung ein Briefing?
Nein, es war alles mir überlassen. Ich habe mir überlegt, was das Unternehmen hier braucht, und wozu das Gebäude dienen soll. Ich dachte mir, okay, es ist recht zeitaufwendig, hierher zu kommen. Und wenn ein Kunde aus Ingolstadt, London oder New York hierher kommt, kann es gut sein, dass er am selben Tag nicht wieder zurückfährt. Das heißt, die Gäste brauchen eine „memorable experience“. Denn der Besuch sollte auch eine Erfahrung sein, an die man sich gerne erinnert.
Sie haben einen Pavillon geplant, der aus drei Gebäudekörpern besteht. Was war Ihre Inspiration?
Die drei Körper des The Triple Folly sind von Objekten inspiriert, die der Logik des Papiers folgen. Ein gefaltetes Blatt Papier wird zum Dach des einen Gebäudeteils, ein Pappteller bestimmt die Form des mittleren Gebäudes und erinnert mit seinem Rand an eine griechische Säule. Und dann der Papierhut, wie ihn die Mitarbeiter bei McDonalds tragen. Das ist der dritte Gebäudeteil, der Kopf, die Kultur, die Inspiration.
Wie ließ sich Ihre Idee in ein Raumprogramm übersetzen?
Viel von dem, was Sie Raumprogramm nennen, also das, wofür die Räume dienen, muss ich als Künstler auch bedenken, wenn ich eine Ausstellung plane. Denn wenn ich drei Geschosse in einem Museum bespiele, dann muss der ganze Parcours einen Sinn ergeben. Ich setze mich schon lange mit Fragen auseinander, wie man einen Raum bespielt, wie man ihn strukturiert, und wie man nicht gleich alles auf den Tisch haut.
Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Caruso St John?
Wir haben im Pingpong gearbeitet. Ich habe Adam (Adam Caruso, Anm. d. Red.) ein Modell geschickt und ihn gefragt: Kannst du das in Architektur übersetzen? Dann kamen die ersten Entwürfe zurück. Und dann ging das immer hin und her. Bis zum Schluss, bis in jedes kleine Detail. Ich kenne das Projekt in- und auswendig, habe aber natürlich nicht die Expertise eines Architekten und kenne die ganze Bandbreite an Möglichkeiten nicht. Also, wie kann ich die Fliesen verlegen, damit sie lebendiger wirken? Wo kommen sie her?
In dem Pavillon sind ein Konferenzraum, ein Raum für eine Installation von Rosemarie Trockel und eine Art Foyer untergebracht. Welchen Charakter haben die Räume?
Der Ausstellungsraum ist eher introvertiert, hat aber ein großes Panoramafenster zur Landschaft. Hier wurde alles in Holz ausgebaut. Der Raum hat eine große Intimität und eine sehr gute Akustik. Der Konferenzraum ist rundum verglast, ein moderner Arbeitsraum. Und dann, in der Mitte ist das Scharnier, die Küche. Man trifft sich ja immer beim Essen, also hat die besten Gespräche beim Kaffeetrinken oder Rauchen einer Zigarette.
Sie haben auch die gesamte Inneneinrichtung geplant. Wie sind Sie an die Gestaltung herangegangen?
Die Entwürfe folgen der Logik von Papier. Sie sind zwar nicht aus Papier, weil Papier nicht stabil und abwaschbar ist, aber der Entwurfsprozess ist derselbe. An den meisten Möbeln und Einrichtungsgegenständen kann klar abgelesen werden, dass sie auf ein Papiermodell zurückgehen. Ich habe fast alles geplant, die Tische, die Glasleuchte im Eingangsbereich bis hin zu den Türgriffen.
Gibt es etwas, das Sie nicht entworfen haben?
Das erste ist die Arbeit von Rosemarie Trockel, die vor 15 Jahren auf meine Vermittlung hin für Kvadrat entstanden ist und damals auch erworben wurde. Aber die lag seitdem im Lager. Das Werk und seine Ausmaße waren Anhaltspunkt für die Gestaltung des „Huts“, und es ist dort jetzt ausgestellt. Das zweite sind die Stühle. Ich dachte, wenn ich einen Stuhl mache und jemand sitzt zehn Stunden in einem langen Meeting und ihm tut der Hintern weh, dann ärgert der sich über mich. Das wollte ich vermeiden. Wir haben in einer großen Recherche Stühle gesucht, die der Logik von Papier folgen. Und dann kam mir ein Max Bill-Stuhl unter, den er in den Fünfzigerjahren entworfen hat. Wir haben die Familie gefragt, ob ich ihn farblich leicht modifizieren kann und sie war einverstanden. Vielleicht ja, weil ich Max Bill als Student selber noch getroffen habe.
Was fasziniert Sie an der Auseinandersetzung mit Papier im Kontext der Architektur?
Wir denken sehr viel mehr mit den Händen, als uns klar ist. Deswegen sind Architekturmodelle immer noch so populär, obwohl man alles viel genauer am Computer erstellen kann. Wir haben einfach bessere Ideen, wenn wir uns mit Dinglichem beschäftigen. Wir haben bessere Gespräche, wenn wir gehen. Deswegen laufen die Leute mit dem Telefon in der Hand herum. Weil der Körper die Bewegung braucht, um zu denken. Und wenn wir mit den Händen arbeiten, dann kommen wir auf ganz andere Entwurfsideen als beim Entwurf am Computer. Das Modell bauen, die Logik von Papier, von Geometrie und Konstruktion, aber auch dessen Imperfektion hat für die Architektur nach wie vor eine hohe Relevanz. Sie macht Gebäude zugänglicher, wie die Wand hinter Ihnen (eine weiß getünchte, grob verputzte Wand, Anm. d. Red.) interessanter ist als eine gerade Gipskartonwand.
Konnten Sie diese Idee im Projekt unterbringen?
Mein Anspruch war, die Räume aus dem Modellbegriff heraus zu gestalten. Vieles sieht man nicht auf den ersten Blick. Erst, wenn man zum Beispiel zehn Stunden in einem Meeting gesessen hat und dann feststellt, dass die Fugen der Fliesen am Fußboden alle eine Kurve haben, weil sie nicht industriell präzise, sondern von Hand entstanden sind.
Und ist der Pavillon jetzt also Kunst oder Architektur?
Ich bin kein Architekt. Ich werde auch keiner werden. Für mich ist es Kunst. Und dass wir mit Anders jemanden gefunden haben, der das ermöglicht hat, ist enorm. Es gibt nicht so viele Künstler, die ein Bauwerk bauen können. Und es gibt viele Künstler, die eins bauen wollen. Die Auseinandersetzungen über die letzten drei, vier Jahre mit den Möglichkeiten und wie weit man es treiben kann, sind sehr interessant für mich gewesen. Das ist im Grunde das größte Geschenk. Ob das jetzt ein Kunstwerk ist im Sinne von museal oder eine Architektur im Sinne von Baunetz, das müssen Sie dann letztlich entscheiden. Aber diese Gattungsgrenzen sind ja fließend.
Ein zentraler Aspekt Ihrer Arbeit ist ja, dass Sie ein Modell bauen, es fotografieren und dann das Modell zerstören. Ich nehme an, dass das hier nicht geschehen wird?
Ein anderer zentraler Aspekt meiner Arbeit ist, dass man immer nur das Foto des Modells sehen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele Leute nach Ebeltoft zu Kvadrat fahren, um sich den Pavillon anzuschauen, ist eher gering. Das heißt, das Gebäude wird in den Köpfen der meisten Menschen als Fotografie existieren.
FOTOGRAFIE Nic Tenwiggenhorn Nic Tenwiggenhorn