Michael Gliss
Michael Gliss hat keinen ganz gewöhnlichen Beruf: Er ist Kaffee-Sommelier. 1963 geboren, durchlief er zunächst eine klassische Ausbildung zum Hotelfachmann – vom Service, über den Empfang bis zur Küche. Dabei interessierte sich Michael Gliss früh für das Thema Wein und war auch als Sommelier tätig. Dieser Tätigkeit und einem Südfrankreich-Aufenthalt ist seine Jahrzehnte dauernde Leidenschaft für das Thema Kaffee zu verdanken. Nicht nur bietet er seit seiner Ausbildung zum Kaffee-Sommelier in Wien Kaffee-Degustationen und -Workshops in seinen zwei Kaffeebars in Köln und Bensberg an. Michael Gliss berät auch Hotellerie, Restaurants und Handel und macht Fernsehzuschauern Lust auf guten Kaffee. Nun hat er zusammen mit Kahla die erste Porzellankollektion entwickelt, bei der das Thema Kaffee im Fokus steht. Wir trafen Michael Gliss in Berlin und sprachen mit ihm – bei einem Glas Latte Macchiato aus der eigenen Röstung – über Filterkaffeetrinker, Cappuccino mit Sahne und andere Geschmacksgeschichten aus der Welt des Kaffees.
Herr Gliss, woher rührt Ihr Interesse für Kaffee? Immerhin waren Sie Deutschlands erster Kaffee-Sommelier.
Ich habe zu Beginn der achtziger Jahre in Südfrankreich gelebt und dort eine Kaffeekultur kennengelernt, die wir so nicht hatten. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre gab es in Deutschland nur Filterkaffee mit Büchsenmilch – also nur eine einzige Zubereitungsart. Das war weder cool, noch jung oder peppig. Ich habe damals in Südfrankreich das kennengelernt, was heute auch hier üblich ist: Espresso, Cappuccino mit Milchschaum anstatt mit Sahne.
Obwohl einem ja selbst heute manchmal noch Cappuccino mit Sahne angeboten wird …
Das sind Exoten, das muss man fast festhalten [lacht]. Ich find’s schön. Das ist zwar eine Kaffeekultur, die nicht mehr zeitgemäß ist, aber wenn es die Gäste dafür gibt ...
Wie ging es dann weiter in Südfrankreich?
Mich hat die Kaffeekultur dort fasziniert, obwohl mich ursprünglich meine Liebe zum Wein dorthin geführt hat. Ich habe also alle Studienwünsche über Bord geworfen und alles versucht, um beim Thema Kaffee zu echter Kompetenz zu kommen. Und jetzt bin ich schon seit über zwanzig Jahren auf diesem Pfad unterwegs.
Stimmt es, dass der Trend wieder hin zum Kaffeefilter geht?
Ich würde es anders ausdrücken: Der Trend war nie weg. Wir haben in Deutschland – das macht man sich oft nicht bewusst – etwa 57 Prozent Filterkaffeetrinker. Der Anteil von Profis im Kaffeegeschäft wird größer. Filterkaffee ist für mich schon immer eine wunderbare Art der Zubereitung gewesen. Es kommt immer darauf an, welchen Kaffee ich wähle, welche Röstung, welches Herkunftsland, welche Zubereitungsart. Dann kann Filterkaffee etwas Tolles sein. Filterkaffee ist ein Thema, das derzeit mehr in die Öffentlichkeit kommt und das finde ich gut.
Sie sind auch als Berater zum Thema Kaffee tätig.
Ja, genau. Ich berate die Hotellerie, Restaurants und den Handel zum Thema Qualitätskaffee. In der Regel geht diese Beratung einher mit der Veranstaltung von Events wie beispielsweise Kaffee-Workshops oder Moderationen. Es geht dabei auch um die Sichtbarmachung der Bedeutung des Themas Kaffee. Ich sage meinen Ex-Kollegen in der Hotellerie immer: Denkt daran, die Gäste beginnen den Tag mit einer Tasse Kaffee und sie beenden ihn mit einem teuren Whiskey für zwanzig Euro und einem Espresso für 4,50 Euro, der nicht trinkbar ist.
Erzählen Sie etwas zur Zusammenarbeit mit dem Thüringer Porzellanhersteller Kahla, mit dem Sie zusammen die Porzellankollektion Café Sommelier entwickelt und auf der ambiente 2012 vorgestellt haben.
Ich kenne Porzellan von Kahla seit Anfang der neunziger Jahre, als das Unternehmen von der Familie Raithel übernommen wurde. Ich beobachte Kahla seitdem, weil es eine tolle Marke und ein tolles Unternehmen ist – ein echter Manufakturbetrieb. Wir haben uns über verschiedene Messen und Veranstaltungen kennengelernt und überlegt, was wir gemeinsam machen könnten. Es ging darum, Kaffeekompetenz für Kahla zu entwickeln.
Das entspricht aber doch genau dem Trend, dass sich immer mehr Konsumenten für hochwertigen Kaffee und seine Zubereitung sowie die passende Tableware interessieren, oder?
Ja, Kaffee ist ein absolutes Lifestyle-Thema. Zwar ist Kaffee seit Jahrzehnten das Getränk Nummer Eins in Deutschland, hat aber nicht immer unbedingt die Wertschätzung erhalten, die er aus meiner Sicht verdient. Jetzt hat man erkannt, dass der Anspruch, den man an einen guten Wein stellt auch an den Kaffee gestellt werden sollte. Deshalb haben Kahla und ich das Konzept Café Sommelier entwickelt.
Was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept?
Die Kollektion umfasst im Moment 21 Teile, davon allein acht Porzellantassen, -formen und -größen: Espresso, Espresso doppio, zwei Mal Cappuccino, Café crème, Milchkaffe und einen großen Becher. Dazu gehören auch asymmetrisch gestaltete Untertassen. Alle Tassen haben – entsprechend dem Inhalt, für den sie entwickelt wurden – eine bestimmte Wandstärke und werden unterschiedlich gebrannt. Beim Cappuccino gibt es beispielsweise zwei verschiedene Varianten: einen klassischen Cappuccino und einen italienischen, der von der Füllhöhe etwas niedriger beziehungsweise kompakter ist als die deutsche Version. Zur Kollektion hinzu kommen noch Milch- und Zuckerkännchen, ein Filtersystem, eine Kaffeeprobierschale – analog zur tastevin – sowie ein Kaffeelot.
Kaffeezubereitungssysteme wie beispielsweise Nespresso werden oft kritisiert. Was halten Sie davon?
Die Einzeltassenzubereitung – wie das Ganze offiziell heißt – ist eine industrielle Art der Zubereitung. Sie passt genau in unsere Zeit: Wir haben immer mehr Single-Haushalte und Leute, die gern, aber wenig Kaffee trinken. Man muss bezüglich der Pads aber gewisse Qualitätsabstriche machen. Das ist einfach nicht der kleine Röster nebenan, bei dem ich die Qualität mitbestimmen kann. Aber jeder muss selbst entscheiden, was er trinkt. Ich bin kein Missionar.
Gibt es bei der Kaffeezubereitung einen totalen Fauxpas, den man begehen kann?
Das muss ebenfalls jeder für sich entscheiden. Man sollte immer auf die Qualität achten und den Kaffee nicht über den Preis einkaufen – das ist genau wie beim Wein. Auch Frische ist sehr wichtig.
Wie sieht es aus mit aromatisierten Kaffees?
Ich bin ein Verfechter des puren Kaffees. Wenn ich zusätzlich ein Aroma haben will, dann gebe ich das separat dazu. So habe ich mehr Einfluss auf die Qualität. Das ist ähnlich wie bei Mixgetränken wie Apfelsaft- oder Weinschorle.
Wie trinken Sie denn Ihren Kaffee am liebsten?
Das kommt ganz auf die Tageszeit an. Das ist wie beim Wein – dort hab ich auch je nach Gericht und Tageszeit meine Lieblingsweine. Ich beginne und ende den Tag sehr gern mit einem Espresso. Es gibt aber auch Tage, die ich mit einer Tasse klassischen Café crème mit einem Hauch Milch anfange.
Herr Gliss, vielen Dank für das Gespräch.
Links