Stefan Andersson: Ein gedeckter Tisch erzählt Geschichten
Ein Besuch bei dem schwedischen Töpfer in Stockholm

Ton und Scherben liegen Stefan Andersson im Blut, denn schon sein Onkel war Töpfer. Er ging bei ihm in die Lehre, studierte Keramikkunst in Göteborg und arbeitet nun im schwedischen Alvik am Siljansee, wo er ein eigenes Keramikstudio betreibt. Wir haben den 39-jährigen im Sternerestaurant Frantzén in Stockholm getroffen, für das er das Geschirr entworfen hat.
Handgemachte Keramik ist gerade en vogue. Warum?
Ganz allgemein gibt es ein wachsendes Interesse an Keramik, die im Holzofen gebrannt wird und über gewisse ästhetische Kriterien verfügt. In den letzten Jahren interessieren sich immer mehr Menschen auch für meine Arbeiten. Ich sehe das gestiegene Interesse als Gegenreaktion zu einer Zeit, als alles weiß und clean war. Auch Designer und Influencer haben dazu beigetragen, dass das Handwerk heute mehr geschätzt und aus einem neuen Blickwinkel betrachtet wird.
Warum wird der skandinavische Lifestyle weltweit geschätzt?
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen liegt es daran, dass wir uns schon lange mit unserer Umgebung beschäftigen und gutes Design ganz selbstverständlich in den Alltag integriert wird. Für Skandinavier ist Lifestyle sehr wichtig und wir lernen gern neue Dinge kennen. Auch haben schwedische Unternehmen wie Ikea und H&M das Thema Design mit günstigen Produkten für mehr Menschen zugänglich gemacht. So ist ein fruchtbares Umfeld entstanden, das Kreativität hervorbringt und fördert.
Für das Stockholmer Restaurant Frantzén haben Sie das Geschirr entworfen. Hat es Sie beeinflusst, dass es das einzige Restaurant Schwedens mit drei Michelin-Sternen ist?
Nein, nicht wirklich. Ich kannte Björn Frantzén vorher gar nicht und bevor das Restaurant wiedereröffnete, wusste ich nicht, dass es solch ein großes Ding werden würde. (lacht) Ich bin froh, dass Björn das Resultat meiner Arbeit mochte, aber ich bin wie immer vorgegangen: die besten Gefäße zu machen, die ich kann. Aber der Austausch mit ihm und seinem Team war toll: Ihre Gedanken über Keramik und Tableware waren für mich als Töpfer sehr interessant und haben mich weitergebracht.
Welche Idee steckt hinter Ihren Entwürfen für Frantzén?
Elegantes skandinavische Design, bei dem der Herstellungsprozess sichtbar wird – so würde ich es zusammenfassen. Der Brand im Holzofen bestimmt die Farbpalette, wobei ich weichere Farben gewählt habe, die zum Interior des Restaurants mit seinem Materialmix aus Holz und Leder passen. Die Formen der Stücke sind sehr klar, aber Details wie die Tellerränder oder Füße spielen eine wichtige Rolle. Für mich war es wichtig, ein Geschirr zu entwerfen, das Platz für das Essen lässt. Ich vertraue darauf, dass die Köche meinen Entwurf mit ihren Speisen vollenden, was im Frantzén hervorragend gelingt. Mit anderen schwedischen Handwerkern habe ich für das Restaurant außerdem Objekte aus Holz und Metall entworfen, beispielsweise Teller, Tabletts und Essstäbchen.
Was ist Ihnen wichtig bei Ihrer Arbeit?
Meine Entwürfe sollen die Bedürfnisse meiner Auftraggeber und Kunden widerspiegeln. Künstlerisch gesehen steht für mich die Form im Vordergrund. Ist sie stark genug, behält das Produkt seinen Wert über Jahrzehnte.
Macht Keramik glücklich?
Handgemachte Keramik kann Menschen in dem Sinne glücklich machen, als dass sie ein ganz normales Essen auf einen völlig anderen Level heben kann. Ein gedeckter Tisch erzählt Geschichten: mit schönen Stücken, die man geerbt, geschenkt bekommen oder von Reisen mitgebracht hat. Manchmal inspirieren mich diese Dinge auch für neue Entwürfe – sie sind sozusagen ein Logbuch für die Zukunft.
Vielen Dank für das Gespräch!
Stefan Andersson, Keramiker
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