Mit den Elementen verbunden
Interview mit Noé Duchaufour-Lawrance
Aus Liebe zum Meer zog Noé Duchaufour-Lawrance von Paris nach Lissabon, denn der begeisterte Kite-Surfer muss das Wasser immer in seiner Nähe haben. Drei Raumteiler aus Azulejo-Fliesen erzählen nun seine Geschichte. Wir sprachen mit dem Designer über eine alte Handwerkstechnik, die er neu belebte.
Lange war Noé Duchaufour-Lawrance auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich stärker mit den Elementen verbunden fühlt. Er sehnte sich nach mehr Einfachheit und einem engen Bezug zur Natur. Barcelona war ihm schnell zu groß und zu touristisch. Als er von einem Kite-Surf-Trip aus Brasilien zurückkehrte, hörte er vom entspannten Leben in Lissabon. Innerhalb von drei Tagen entschied er sich für einen Umzug.
Das war 2018. Die neue Umgebung beeinflusste seine Arbeit. Fasziniert von den bunten Fliesen an den Häuserwänden, setzte er sich mit der mehr als 500 Jahre alten Azulejo-Technik auseinander. Aus dieser Zinnglasur-Keramik entstanden drei geflieste Raumteiler in den wechselnden Schattierungen des Meeres. Es ist wahrscheinlich das bisher persönlichste Werk des Designers, der Studios in Paris und Lissabon führt. Letzteres widmet sich unter dem Namen Made In Situ ausschließlich der Arbeit mit portugiesischen Handwerker*innen und Materialien. Das Pariser Studio soll diesem Ansatz folgen – in Kooperation mit französischen Produzenten.
Was fasziniert Sie an Lissabon und wie beeinflusst die Stadt Ihre Arbeit?
Ich fühlte von Beginn an die Energie der Stadt und ihre starke Kultur – perfekte Bedingungen, um mich einer neuen Sprache und einem neuen Ort zu nähern. Meine Inspirationen kommen immer von den Orten, die ich besucht habe. Was es sein wird – eine neue Technik, ein neuer Blickwinkel – weiß ich nie vorher. Aber diese Faktoren beeinflussen maßgeblich meinen Schaffensprozess. Ich bin immer sehr nah dran, wie Dinge hergestellt werden. Mich interessiert der Kontext, warum ein bestimmtes Material verwendet wird. Auch die Poesie und die Schönheit von Farben spielen eine wichtige Rolle. Denn Geschichten lassen sich durch Emotionen erzählen. Daher sind meine Produkte immer nah an den Empfindungen und Gefühlen.
Ihre Azulejo-Raumteiler wurden von handwerklichen Fliesen in der portugiesischen Hauptstadt inspiriert.
Azulejos haben eine lange Historie in Portugal. Sie wurden entwickelt, um die Geschichte eines Gebäudes, seiner Bewohner oder der Stadt zu erzählen. Gleichzeitig schützen sie das Haus vor Feuchtigkeit, denn anders als man vielleicht vermuten könnte, regnet es sehr viel in Portugal. Die Idee hinter den Azulejo-Screens war es, meine eigene Geschichte zu erzählen und einen Bogen zu schlagen von der Bretagne, wo ich aufwuchs, nach Lissabon. Ich nahm die Küstenlinie und gestaltete einen Horizont mit den unterschiedlichen Farbschattierungen des Meeres. Auf diese Weise entstand ein bekanntes Thema, das ich mit meinen eigenen Eindrücken füllte. Insgesamt handelt es sich um drei Raumteiler, die diese Geschichte erzählen. Verglichen mit der Größe des Landes hat Portugal eine sehr lange Küste. Sie ist auch der Grund dafür, dass es die Portugiesen immer in die Ferne zog, zum Beispiel als Eroberer. Der Horizont hat etwas Vielversprechendes und sorgt dafür, dem Zurückliegenden weniger Beachtung zu schenken.
Wie lief die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker*innen?
Hersteller wie Viúva Lamego haben eine sehr intelligente Art entwickelt, zu überleben. Sie arbeiten eng mit Künstlern zusammen. Ich probierte dort einige Techniken aus und wählte eine etwas andere Größe und Fliesenart, als sie normalerweise für Azulejos verwendet wird. Das funktionierte.
Haben Sie schon vorher mit Fliesen gearbeitet in Ihren Interiorprojekten?
Nicht wirklich. Ich sehe auch nicht wirklich Fliesen, wenn ich die Raumteiler ansehe. Ich sehe eine Oberfläche, die ein Ganzes ergibt, aber keine einzelnen Fliesen. Geflieste Oberflächen leben normalerweise von der Wiederholung. Das ist hier nicht der Fall.
Sehen Sie die Screens vornehmlich als Kunstprojekt oder könnten Sie sich diese in einem Interiorzusammenhang vorstellen?
Sie sind in erster Linie Kunst. Ich wurde bereits gefragt, ob so etwas auch für Wände denkbar wäre. Aber ich denke, sie sollten für sich stehen.
Als Sohn von zwei Künstler*innen: Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kunst und Design?
Der große Unterschied ist, dass die Persönlichkeit eines Künstlers viel stärker in die Projekte involviert ist. Es geht sehr viel darum, wie man mit den Materialien interagiert und sie transformiert. In diesem Sinn sind manche Künstler mehr wie Designer, indem sie zum Beispiel am Computer entwerfen. Aber sie bringen immer ihren eigenen Blick auf die Dinge ein. Design bezieht sich hingegen auf etwas bereits Existierendes. Du denkst darüber nach, wie Du etwas Existierendes neu interpretieren kannst.
Sehen Sie sich selbst eher als Designer oder Künstler?
Ich bin ein Designer, der ein bisschen mit der Kunst flirtet. Die Azulejos waren das erste Projekt, in das ich mich persönlich so stark eingebracht habe und wo ich auch das volle Risiko übernommen habe. Wenn es schiefgegangen wäre, hätte ich es auf meine Kappe genommen. Es war ein sehr direkter Prozess, den ich nicht kontrollieren konnte. Das war fast etwas beängstigend. Auch wenn ich zuvor schon Skulpturen angefertigt habe, war das nicht vergleichbar. Ich sehe mich nach wie vor als Designer, bin aber offen dafür, mich auch auf andere Weise auszudrücken.
Ihre Produkte sind oft mit einem bestimmten Material oder einer bestimmten Technik verbunden. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?
Die Umgebung um meine Werkstatt und die Werkstatt selbst sind entscheidend und nähren den Prozess. Früher orientierte ich mich sehr an der Natur. Für mich stellte das immer eine Rückkehr dar an den Ort, von dem ich komme. Inzwischen bin ich entspannter und muss diesen Naturbezug nicht in jedem meiner Werke herstellen. Heute ist es mir wichtig, dass ich das Material zumindest minimal transformiere. Ich muss verstehen, wo es herkommt und woraus es besteht. Dadurch entsteht wieder ein Rückschluss auf die Natur.
Wie entwerfen Sie Ihre Produkte?
Ich skizziere immer per Hand und erstelle ein Mockup, den Rest des digitalen Prozesses erledigt mein Studio.
Erzählen Sie mir ein wenig über Ihre anderen aktuellen Projekte.
Im Januar erscheint eine neue Kollektion, die sich mit Bronze beschäftigt. In einem weiteren Projekt wird es um Steine als Material gehen. Wir arbeiten nach wie vor an einer Reihe von Limited Editions für Privatkunden. Für eine sehr bekannte Firma arbeiten wir außerdem an einem Klavier. Auch neue Entwürfe für Bernhardt Design stehen an, ein Unternehmen, für das ich seit mehr als zwölf Jahren arbeite.
Gibt es ein Produkt oder ein Projekt, das Sie in Zukunft gerne designen würden?
Eigentlich nicht. Ich mache bereits genau das, was ich möchte und lebe meinen Traum jeden Tag.