Zeitloses, innovatives Design, klare Formensprache und erstklassige Verarbeitung, verbunden mit einer möglichst einfachen und hochwertigen Montagetechnologie – das zeichnet die Türbeschlagswelt des international agierenden Unternehmens Karcher Design aus. Was aber macht einen Türgriff perfekt? Wie sehen die aktuellen Trends und Märkte aus? Darüber sprach baunetz id mit dem Geschäftsführer Jan Karcher.
Wo steht Karcher Design aktuell: Hat sich der Markt in den letzten Jahren gewandelt?
Bedingt durch den Krieg in der Ukraine, die damit einhergehende Inflation, die hohen Zinsen und stark angestiegenen Baukosten beobachten wir eine Verlagerung der Stimmung in der Baubranche: Bis 2021 war unser Hauptfokus der Privatkunde mit Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern. Dieses Geschäft wird ruhiger. Wir konnten jedoch ein neues Standbein aufbauen, das Objektgeschäft: große Bürogebäude, Schulen und so weiter. Hier entwickeln wir uns sehr positiv.
Hat die Coronapandemie – während der Pandemie wollte keiner mehr Türgriffe anfassen – noch Einfluss auf das aktuelle Design, die Materialität von Türgriffen?
In der Pandemiezeit haben wir sehr viel geforscht: Wir konnten Türgriffe tatsächlich mit einer Oberfläche beschichten, die dafür sorgt, dass sie innerhalb von 24 Stunden wieder viren- oder keimfrei sind. Diese 24 Stunden sind jedoch gerade im öffentlichen Bereich zu lang. Auch Lösungen, bei denen man Türen mit dem Ellenbogen öffnet, sind nicht mehr interessant. Die Alltagstauglichkeit fehlte. Inzwischen sind sie wieder vom Markt verschwunden.
Wie würden Sie die Unternehmensphilosophie von Karcher Design beschreiben?
Wir sind ein Familienunternehmen, das ich zusammen mit meiner Schwester führe. Unser Ziel ist es, neue Ideen in den Markt zu bringen. Wir entwickeln hochwertige Produkte mit modernen, innovativen Techniken und neuen Formen, nutzen auch immer wieder neue Materialien. Dabei ist es uns sehr wichtig, dass die Produkte bezahlbar bleiben. Wir bieten zwar kein Einstiegsniveau, dennoch möchten wir die breite Masse erreichen. Weltoffenheit ist ein weiterer Aspekt unserer Firmenphilosophie: Wir arbeiten in vielen europäischen Ländern und in den USA, setzen bewusst auf ein internationales Team, auch hier an unserem Hauptsitz in Bad Rappenau. Verantwortung für Mensch und Umwelt sind bei uns fest verankert.
Inwiefern spielt Nachhaltigkeit eine Rolle?
Das Thema ist uns, aber auch den Kunden sehr wichtig. Der Recyclinggedanke wird großgeschrieben. Wir produzieren überwiegend aus Edelstahl, also sortenrein. Außerdem forschen wir nach alternativen Materialien. Gerade bei schwarzen Türgriffen ist es irrelevant, welches Trägermaterial darunter liegt, ob es Kunststoff ist oder ein anderes Recyclingmaterial. Edelstahl hat jedoch einfach den Vorteil, dass er sehr unempfindlich ist.
Zusätzlich achten wir bei unseren beschichteten Griffen immer auf die Nachhaltigkeit bei den Beschichtungsverfahren. Beispielsweise das Verfahren für unser Farbe Kosmos Schwarz ist sehr umweltschonend. Seit Jahren agieren wir im internen Produktionsprozess und auch in der Logistik sehr nachhaltig. Früher war alles zig Mal in Plastik verpackt. Inzwischen haben wir umgestellt: Es gibt nur noch eine Kartonage, die problemlos recycelt werden kann. Wir beziehen zusätzlich zu unserem eigenen Solarstrom auch Ökostrom und Ökogas. All diese Prozesse und Maßnahmen sind komplex und kostenintensiv. Nachhaltigkeit kostet Geld. Es führt jedoch kein Weg daran vorbei und deswegen setzen wir dies langfristig um. Seit 2019 kann man beispielsweise unsere CO²-Ersparnisse öffentlich bei Interseroh nachvollziehen und unsere jährliche Entwicklung beobachten.
Wie lang ist der Lebenszyklus eines Türgriffs?
Genaue Aussagen gibt es dazu nicht. Ich schätze, im Objekt mindestens zwanzig Jahre. Im privaten Bereich ist es nicht die Produktqualität, sondern eher der veränderte Geschmack, oder auch neue Trends, die dafür sorgen, dass ein Produkt ausgetauscht wird.
Was sind derzeit die Trends bei Türgriffen?
Bei Türgriffen kommt Farbe ins Spiel. Die Kombination schwarzer Türgriff und weiße Tür – vor ein paar Jahren noch absolute Avantgarde – ist nun Mainstream. Dazu eine eher schlichte Formensprache. Auf der BAU 2023 in München haben wir gerade Beschläge in Messing mit matten Oberflächen vorgestellt, eine Art Siebzigerjahre-Revival! Auch die Kombination Messing matt und Schwarz ist angesagt. Der Impuls für diese Oberflächen kommt aus den Exportmärkten: In Frankreich, Holland und Großbritannien sind diese Designs schon sehr beliebt. Wenn es um Trends geht, ist der deutsche Markt nicht ganz so mutig und hinkt immer etwas hinterher.
Welche Eigenschaften hat für Sie der perfekte Türgriff? Wie sieht er aus?
Geschmäcker ändern sich und sind immer verschieden. Vor zwanzig Jahren sah der perfekte Türgriff für mich sicher anders aus als heute. Es kommen mehrere Faktoren zusammen: Ein Türgriff muss gut in der Hand liegen. Selbst wenn er eckig und kantig gestaltet ist – es muss sich in erster Linie gut anfühlen. Ein insgesamt ansprechendes Design ist also wichtig, bei dem Haptik und Optik stimmig sind. Entscheidend sind für mich aber auch Aspekte, die man nicht unmittelbar wahrnimmt.
Was ist damit konkret gemeint?
Etwa die Langlebigkeit eines Türgriffs. Hohe Materialqualität. Und „Lean Production“: Im Produktionsprozess arbeiten wir so kostenschonend wie möglich. Ein Beispiel ist unser Türgriff Rhodos ER28, er ist einer unserer Klassiker, bei dem eine Winkelform auf Gehrung geschliffen ist. Früher haben wir den Türgriff aus massivem Edelstahl hergestellt, das war sehr kostenintensiv. Für die Kunden bedeutete das schwere Gewicht ein Qualitätsmerkmal. Mittlerweile stellen wir dasselbe Produkt anders her: Es wird mit Röhren verschweißt. Das heißt: Man braucht nur noch einen Bruchteil der Materialmenge. Die Qualität und der Look sind identisch, das Produkt ist aber leichter und die Herstellung nachhaltiger. Man verbraucht weniger Ressourcen, bei der Produktion und später beim Transport. Am Ende ist das Produkt also kostengünstiger. Ein weiterer Aspekt: Monteure sind heute nicht mehr so gut geschult wie früher. Die Montagefreundlichkeit eines Produkts ist also essenziell geworden: Ein Türgriff muss einfach, selbsterklärend und schnell zu montieren sein. An all diesen verschiedenen Stellschrauben muss man heute immer wieder drehen, um den perfekten Türgriff zu entwickeln.
Türklinken sind ein wesentlicher Bestandteil der Architektur. In dem Moment, in dem man ein Gebäude oder einen Raum betritt, berührt man zumeist als Erstes die Türklinke. Welche unterschiedlichen Eindrücke kann oder soll eine Karcher-Klinke hinterlassen?
Architektur und Innenarchitektur sind bei jedem Gebäude anders. Der Eindruck sollte sein, dass der Türgriff wirklich dazu passt. Stichwort: maximale Planungsvielfalt. Mit der neuen Studio Serie, einem modular aufgebauten System, das auf der BAU 2023 Premiere feierte, sind wir dieser Idee wieder ein Stück nähergekommen: Kunden können ihre Türklinke individuell zusammenstellen. Es gibt verschiedene Elemente: Rosette, Handhabe, Spacer, Kappen und so weiter. Man kann zwischen unterschiedlichen Farben und Oberflächen aussuchen, ob nun beispielsweise rau, fein oder ganz glatt gewünscht ist. Der Türgriff lässt sich also passend zu Architektur und Interior sowie passend zum individuellen Geschmack konfigurieren – puristisch, modern, zeitlos oder auch exzentrisch. Viele Designvarianten sind mit der Studio Serie möglich. Online bieten wir einen Konfigurator, in dem sich Tausende von Möglichkeiten zusammenstellen lassen. Wir haben damit eine neue Gestaltungsfreiheit geschaffen.
Karcher Design brachte die Privacy-Pin-Technologie als Vorreiter nach Deutschland. Was hat es damit auf sich?
Die Privacy-Pin-Technologie ist eine elegante Lösung für private Gebäude, etwa für ein Bad oder eine Toilette. Wir nennen es auch „Schließen ohne Schlüssel“. Man braucht keine Schlüsselrosette oder Bartverriegelung mehr. Lediglich mit einem Pin im Türbeschlag kann verriegelt werden. Die Optik der Tür wirkt dadurch sehr schlicht, puristisch.
Wer entwickelt bei Karcher Design die Produkte? Haben Sie ein eigenes Designteam oder arbeiten Sie mit externen Gestalter*innen?
Wir haben ein dreiköpfiges Designteam und kooperieren seit Jahren auch erfolgreich mit dem in Mailand lebenden, israelischen Architekten und Designer Itamar Harari.
Wie geht es bei Karcher Design in der nächsten Zeit weiter?
Wir werden den Objektbereich durch verschiedene Maßnahmen weiter forcieren: Das Portfolio wird hier erweitert. Auch das Thema „Schließen ohne Schlüssel“ mit den Produkten KD Basic und KD Comfort für Glastürbeschläge und Glastürschlösser bauen wir weiter aus. Wir stellen bei den Architects@Work Messen in Hamburg und Stuttgart aus, um die Architekten von unseren Produkten im Objektbereich zu begeistern. Außerdem werden wir uns weiter auf unsere Exportmärkte konzentrieren: Osteuropa wird gerade aufgebaut, auch da suchen wir gezielt die Kontakte zu Architekten und Planern. Darüber hinaus sind wir auch in Frankreich und Italien sehr aktiv.
FOTOGRAFIE © Karcher Design
© Karcher Design
Karcher Design
Über die Grenzen Europas hinaus vertreibt und entwickelt die Karcher GmbH seit 30 Jahren Türbeschläge und Accessoires aus Edelstahl mit hervorragendem technischem Know-how und ausgezeichneter Designqualität, daher konnte das Unternehmen seine Marke KARCHER DESIGN erfolgreich im Premiumsegment positionieren.
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