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Robuste Rippen

Interview mit tretfords Marketingleiter Ingo Schraub

Jeder Teppich von tretford enthält Kaschmir-Ziegenhaar aus der inneren und äußeren Mongolei. Seit der Gründung des Unternehmens vor 62 Jahren trägt die Naturfaser zur Festigkeit und Strapazierfähigkeit bei. Im baunetz interior|design-Interview spricht Marketingleiter Ingo Schraub über natürliche Feinstaubfilter, das Ausschneiden von Flecken und die Kompostierung von Teppichen.

von Judith Jenner, 21.05.2021

Die Teppiche von tretford liegen in Büros wie dem Google-Headquarter in Dublin oder dem Bundesverwaltungsgebäude in Bern, aber auch in jedem dritten Kindergarten in Deutschland. Zum Erfolgsrezept des wohngesunden Bodenbelags gehört sein außergewöhnliches Material.
In jedem Teppich wird das Haar mongolischer Kaschmir-Ziegen verarbeitet. Was diese Faser auszeichnet, welche Gestaltungsmöglichkeiten die Teppiche bieten und warum selbst penetrante Flecken kein Problem darstellen, schildert Ingo Schraub, Leiter Marketing und Vertrieb bei tretford.

Sie produzieren Ihre Teppichware mit einem hohen Anteil an Kaschmir-Ziegenhaar. Welche Eigenschaften hat dieses Material?
Ingo Schraub: Ein Vorteil dieses Materials ist, dass es besonders strapazierfähig und langlebig ist. Die Ziegen leben in der Mongolei bei Temperaturen von minus 30 Grad im Winter bis plus 30 Grad im Sommer. Darüber hinaus ist dieses Ziegenhaar länger als das der deutschen Hausziege. Die Kaschmir-Ziege ist die einzige, die ein Deckhaar mit einer Länge von etwa 20 Zentimetern besitzt. Die dachziegelartige Schuppenstruktur der Ziegenhaare bindet Feinstaub in der Raumluft. Anders als bei glatten Böden, wo der Feinstaub immer wieder aufgewirbelt wird, binden ihn unsere Teppichböden und er lässt sich einfach absaugen.

Wie genau wird das Ziegenhaar verarbeitet?
Die Tiere werden nicht geschoren, sondern das Haar wird per Hand abgeschnitten wie beim Frisör. Somit ist das Prozedere für die Ziegen schmerzfrei. Bei allen Teppichen für den Wohnbereich verwenden wir eine Mischung aus 80 Prozent Ziegenhaar und 20 Prozent Schurwolle. Im Objektbereich nehmen wir 70 Prozent Kaschmir-Ziegenhaar und 30 Prozent Polyamid, sprich Nylon, um die Stuhlrolleneignung zu gewährleisten.

Was ist bei der Pflege zu beachten?
Die meisten Flecken bekommen Sie mit kohlensäurehaltigem Wasser wieder heraus. Es transportiert die Schmutzpartikel an die Oberfläche, die dann einfach abgetupft werden können. Sollte ein Fleck gar nicht mehr verschwinden wollen, bleibt immer noch die Möglichkeit, das Stück auszuschneiden. Das schnittfeste Material können Sie in der gleichen Form einsetzen, die Fasern verbinden sich miteinander und die Schnittkante ist unsichtbar.

Wie wirken Ihre Teppiche im Raum?
Sie haben eine schalldämmende Wirkung. Das liegt auch ein Stück weit an unserem Rippendesign. Was in Räumen, in denen mit sensiblen Geräten gearbeitet wird, wichtig ist: Unsere Teppiche laden sich nicht statisch auf. Ein Projekt von uns war ein Gehörlosenzentrum in Würzburg, wo die Internatskinder Hörgeräte tragen. Dort ist so ein Teppich unverzichtbar, weil sie sonst einen elektrischen Schlag bekommen würden, beziehungsweise die Geräte kaputtgehen.

Welche Einsatzmöglichkeiten sehen Sie in öffentlichen und privaten Räumen?
Auch wenn die Produkte für den Wohnraum und den Objektbereich optisch ähnlich aussehen, haben sie durchaus unterschiedliche Ausprägungen. Neben der normalen Bahnenware gibt es Fliesen und Dielen, aber auch maßgefertigte Designerware. Dank der Schnittfestigkeit bieten wir Einzelteppiche in jeder denkbaren Form an. Das ist international heiß begehrt, weil es sonst keinen Teppich gibt, den Sie so schneiden und wie bei einer Intarsienarbeit aus Einzelteilen zusammensetzen können. So können Gesichter entstehen, Firmenlogos oder Muster wie Blumen. Durch die Modularität lassen sich die Teppiche im Nachhinein immer wieder verändern.

Inwiefern unterstützen tretford-Teppiche den Wunsch nach Wohngesundheit und Nachhaltigkeit?
Das Thema Nachhaltigkeit ist in der DNA von tretford fest verankert. Das geht bei der Verpackung aus Graspapier los. Auf Folien versuchen wir weitgehend zu verzichten. Bei unserem Produkt Ever verwenden wir auch keinen Mottenschutz und statt dem normalen Klebebett ein Klebebett aus Latex. Unsere Teppiche halten in der Regel 15 bis 20 Jahre, oft auch länger. Allein deshalb sind sie nachhaltig. Zu einem angenehmen Raumklima tragen sie durch ihre hygroskopischen Eigenschaften bei. Wenn zu viel Luftfeuchtigkeit im Raum ist, nimmt unser Teppich sie auf und gibt sie dann nach und nach wieder an den Raum ab.

Woher erhalten Sie Inspirationen für neue Farben?
Viel kommt aus der Mode und anderen Interieur-Bereichen. Diese Farben versuchen wir dann mit unseren Teppichen umzusetzen. Da wir bereits fast 70 Farben im Sortiment haben, geht es im Wesentlichen um Nuancen.

Was sind Ihre beliebtesten Produkte?
Das hängt vom Einsatzgebiet ab. In den Kindergärten sind es die knalligen Bonbon-Farben, im Bürosektor die Braun- und Grautöne und im privaten Bereich, der unser Hauptgeschäft ausmacht, die Beigetöne.

Welchen Einfluss hat die Pandemie auf das Geschäft von tretford?
Die Nachfrage ist noch einmal gestiegen, weil sich die Menschen viel zu Hause aufhalten. Wir arbeiten bereits im Dreischichtsystem an unserem Produktionsstandort in Deutschland. Da lassen sich die Kapazitäten kaum noch erhöhen, sodass Kunden aktuell mit geringen Wartezeiten rechnen müssen.

Bei einer mehr als 60-jährigen Firmengeschichte: In welchem Verhältnis stehen Innovation und Tradition in ihrem Unternehmen?
Am Produkt selbst findet Innovation bei neuen Farbmischungen statt. Aber auch eine Bordürenkollektion – unter anderem mit Karomuster – wurde soeben neu gelauncht. Im digitalen Bereich haben wir einen Konfigurator konzipiert, bei dem der Kunde mit einem Foto seines Raums Teppiche, Fliesen, Dielen oder Bahnenware virtuell verlegen kann. Durch Angabe der Raummaße wird die benötigte Menge bestimmt und der Preis angezeigt. Zudem arbeiten wir daran, wie wir unsere Produkte in Zukunft recyclingfähig oder sogar kompostierbar machen können. Das wird uns aber sicherlich noch die nächsten zwei bis drei Jahre begleiten. Eine Idee könnte sein, dass sich der Teppich durch die Zugabe von kochendem Wasser in seine Einzelteile zersetzt, die dann wieder dem Materialkreislauf zugeführt werden können.

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