„Schwarz-Weiß ist zu einfach“
Christoph Brach von Raw Color im Gespräch
Eine Neubausiedlung im niederländischen Eindhoven. Vor einer Reihenhauszeile ein rosa Schild mit Pfeil: „Raw Color“. Mitten in der vorstädtischen Idylle arbeitet und lebt das Designerpaar Daniera ter Haar und Christoph Brach. Die Niederländerin und der Deutsche lernten sich beim Studium an der Designakademie Eindhoven kennen, 2007 gründeten sie ihr Studio.
Auf der Visitenkarte von Raw Color stehen die Disziplinen Grafikdesign, Produktdesign und Fotografie – und so divers sind auch die Projekte des Duos: eine Sofafamilie für Sancal, Beistelltische für Pode, eine Stoffkollektion für Kvadrat, aber auch Erscheinungsbilder für Unternehmen und Institutionen, zudem Installationen und Ausstellungen. Wir sprachen mit Christoph Brach über das Gefühl für die richtige Farbkombination sowie den Unterschied von matten und glänzenden Oberflächen. Außerdem erzählte er uns, warum die beiden Pink gerne als Neutralisator einsetzen.
Warum haben Sie Ihr Studio „Raw Color“ genannt?
Wir operieren fast immer von der Farbe ausgehend, egal, ob es sich um ein Produkt, ein Ausstellungsdesign oder eine visuelle Identität handelt.
Wie finden Sie die richtigen Farben?
Ein gutes Beispiel ist unser Projekt Props & Prints von 2018: verschiedene Vasen und Drucke. Wir haben mit den Farbkombinationen angefangen und die Farbwirkungen ausprobiert. Dann haben wir Raster übereinandergelegt, um Transparenzen zu erzeugen. Die Vasen haben wir schließlich daraus abgeleitet. Wir skizzieren erst einmal, zweidimensional und in Farbe. Und von da geht es zum dreidimensionalen Objekt.
Sind Sie intuitiv im Umgang mit Farben?
Bei Farben ist Intuition wichtig, das Gefühl für die Kombinationen. Wenn man zum Beispiel eine supergesättigte, kräftige Farbe hat, funktioniert es gut, wenn daneben eine etwas gedecktere Farbe steht. Das macht es spannender, als wenn man zwei Knaller nebeneinander stellt.
Denken Sie Farbe im Material oder abstrakt?
Eine Farbe hat doch immer eine Form, oder? Ob das ein zugeschnittenes Stück Stoff ist oder ein Rechteck, das man im Computer zeichnet. Es geht immer zusammen, Farbe, Form und Material. Wie beim Kochen: Ein Geschmack ist gebunden an eine Zutat, an ein Gemüse oder ein Gewürz. Der schwebt nicht frei im Raum.
Forschen Sie auch zu Farben?
Ja, zum Beispiel bei dem Projekt für den Leuchtenhersteller Hollands Licht. Die Farben für die Leuchten haben wir aus traditionellen Pigmenten entwickelt, mit denen schon die niederländischen Maler des Goldenen Zeitalters gearbeitet haben. Wir fanden, wenn man sich als Marke Hollands Licht nennt, dann muss man das auch in der Farbauswahl unterstreichen.
Sie haben auch eine eigene Stoffkollektion entwickelt. Was ist das Besondere daran?
Ja, den gestrickten Bezugsstoff Planum für Kvadrat Febrik. Wir hatten uns entschieden, nicht mit der Farbauswahl von Pantone oder NCS zu arbeiten. Wir haben selbst Töne gemischt, aus Primärfarben wie Blau und Rot und mit Schwarz und Weiß. Unsere handgemalten Muster wurden in den Färbereien gescannt, daraus wurden dann die Farbmischungen für die Stoffe entwickelt.
Wie unterscheidet sich die Wirkung von Farben in der realen Welt von einer Darstellung am Bildschirm?
Natürlich gibt es große Unterschiede. Bei einem Bildschirm kommt das Licht immer von hinten, in der Realität dagegen von außen. Beim digitalen RGB-Farbraum ergeben alle Farben zusammen Weiß. Wenn man in der Realität alle Farben mischt, dann kommt Schwarz heraus. Wir beschäftigen uns viel damit, wie wir Taktilität und Farbe in 3-D-Animationen übersetzen können. Umgekehrt ist die Wahrnehmung in der realen Welt auch interessant. Das Projekt Spot Color etwa bestand aus drei farbigen Formen, einem Kreis, einem Quadrat und einem Rechteck an der Wand. Darauf haben wir Farben projiziert. Das Physische und die Lichtfarbe, was passiert, wenn sie sich treffen?
Verwenden Sie lieber Materialien in ihrer eigenen, natürlichen Farbe oder lassen Sie Materialien einfärben?
Meistens das Zweite. Die natürliche Farbe, etwa bei Holz, ist meistens viel weniger kräftig. Deshalb färben oder lackieren wir.
Die Beschaffenheit von Oberflächen verändert auch die Farbwirkung. Was unterscheidet zum Beispiel matt von glänzend?
Etwas Glänzendes ist immer schärfer, das Licht reflektiert darauf. Glänzendes kreiert Abstand. Bei Mattem ist es das Gegenteil. Etwas Mattes in Rosa kann allerdings zu soft sein, da muss noch eine kräftigere Farbe dazu.
Wie ist es bei transparent und opak?
Transparenz macht ein Objekt raffinierter und nuancierter. Es hat großen Einfluss, wie viel Licht durchfällt und woher es kommt, von vorne oder von hinten. Transparenz nutzen wir häufig, auch im Kontrast zu etwas Massivem: ein Sofa vor einem transparenten Vorhang zum Beispiel.
Haben Sie eine Lieblingsfarbe?
Es gibt ein paar Favoriten, zum Beispiel Rosa oder Pink, die tauchen immer wieder auf. Sie funktionieren gut als Neutralisator neben Knallrot oder Blau. Das machen wir eigentlich von Anfang an so. Natürlich kommen immer mal wieder neue Farben dazu. Lila zum Beispiel, das hätten wir vor zehn Jahren vielleicht noch nicht benutzt.
Welche Rolle spielen Schwarz und Weiß?
Wir nutzen das so wenig wie möglich.
Warum?
Man braucht es, ganz klar. Die Wände in unserem Studio sind weiß, damit die Farben der Entwürfe nicht mit der Wandfarbe konkurrieren. In der visuellen Kommunikation sind Schwarz und Weiß natürlich auch wichtig, etwa für typografische Elemente. Aber bei Produkten versuchen wir es zu vermeiden. Vom Planum-Stoff gibt es eine Farbe, die wie Schwarz aussieht, aber ein Aubergine-Ton ist. Es gibt Dunkelgrün, ein tiefes Blau. Wir wollen Farbtiefe erzeugen, aber nicht mit Schwarz. Bei hellen Tönen nehmen wir statt Weiß lieber ein Beige. So bleibt es komplexer.
Schwarz-Weiß ist Ihnen zu einfach?
Ja, genau, das ist vielleicht die beste Beschreibung. Es ist zu einfach für unser Gefühl. Vielleicht liegt es daran, dass wir zu viele Breuer–Stahlrohrstühle mit schwarzem Leder gesehen haben.
FOTOGRAFIE @ Raw Color
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Raw Color
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