Menschen

Schweizer Textilkompetenz

Michael Fischbacher über funktionale und recycelte Stoffe

Michael Fischbacher leitet in sechster Generation das Traditionsunternehmen Christian Fischbacher. Im Interview spricht er über Stoffe mit vielseitigen Funktionen und erzählt, warum er bei Designmeetings oft der Spielverderber ist.

von Judith Jenner, 25.08.2021

Nach einem Sinologie-Studium in Großbritannien und Taiwan sowie einem MBA in den USA war Michael Fischbacher lange Zeit für die Japan-Geschäfte von Christian Fischbacher zuständig. 2008 übernahm er die Geschäftsführung des Familienunternehmens in sechster Generation und kehrte zurück in die Schweiz. Er spricht mehrere Sprachen fließend, darunter Französisch, Italienisch, Chinesisch und Japanisch. Seine Frau Camilla Fischbacher leitet die Kreativabteilung der Textilfirma, die neben Stoffen auch Teppiche, Tapeten und Wohnaccessoires wie Kissen und Plaids in der Kollektion hat. Spezialanfertigungen produziert das Schweizer Unternehmen innerhalb weniger Wochen. Seine Produkte kommen in internationalen Projekten wie Hotels, Boutiquen oder Privathäusern zum Einsatz.

Herr Fischbacher, Sie haben lange die Geschäfte in Japan geführt. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Japan ist für uns ein wichtiger Markt. Wir machen eine europäische Kollektion und nehmen dabei Rücksicht auf gewisse japanische Ansprüche. Das sind manchmal ganz technische Dinge, beispielsweise Vorgaben zum Polyesteranteil, um die Stoffe flammhemmend auszustatten. Natürlich ist auch der japanische Markt Trends unterworfen. Aber es gibt bestimmte Farben, die in Japan besonders beliebt sind, beispielsweise ein Matcha-Grün.

Wie stellen Sie Ihre Kollektion zusammen?
Wir haben zwei Designstudios: In Como wird die Kollektion für den italienischen Markt entworfen, in St. Gallen die International Collection für Europa, Japan, aber auch andere wichtige Exportländer wie die USA oder Russland. Im Frühjahr erscheint unsere Hauptkollektion. Im Herbst bringen wir eine Zusatzkollektion heraus, die meist objektorientiert ist.

Wie finden Sie Themen für Ihre Kollektionen?
Meine Frau erarbeitet mit den Designern das Konzept der Kollektion etwa zwei Jahre im Voraus. Für die Kreativen ist es eigentlich nicht die Schwierigkeit, Ideen zu haben, sondern sich zu beschränken. Ich bin da eher der Spielverderber, indem ich den Ideenfluss bremse, und ein bisschen Markt-Know-how einbringe. Wir sprechen dann mit unseren Partnern und schauen, was wir entwickeln können.

Wie wichtig sind bei Stoffen neben dem Dekor zusätzliche Funktionen?
Die Anforderungen werden tendenziell strenger, beispielsweise wenn es um den Flammschutz geht. Es wäre schön, wenn das etwas uniformer wäre, zumindest in Europa. Wir sind da sehr offen für neue Entwicklungen im Bereich funktionaler Stoffe. Interessant finden wir zum Beispiel recycelte Materialien, die auch flammhemmend sind, oder Stoffe aus recyceltem Marine-Plastik. Dabei geht es nicht nur um Funktion, sondern auch um Nachhaltigkeit.

In Sachen Nachhaltigkeit gelten Sie als Vorreiter in der Branche.
Das stimmt. Wir haben schon 2009 die erste Kollektion aus recycelten PET-Flaschen auf den Markt gebracht. Viele Kunden waren damals noch befremdet von der Idee, dass man aus Abfall schöne Stoffe machen könnte. Heute gibt es ein breites Verständnis dafür, dass es sinnvoll ist, Ressourcen zu schonen.

Was bedeutet Innovation in einem Traditionsunternehmen wie Christian Fischbacher?
Das kommt auf die Definition an. Für mich ist Innovation auch Kreativität. Das ist unsere essenzielle Stärke. Wir sind ein Designunternehmen, das neue Stoffe entwickelt. Natürlich bieten wir auch den Service einer pünktlichen Auslieferung. Aber ständig neue Designs und Techniken auf den Markt zu bringen, ist unsere Kernkompetenz. Die Designstudios unter der Leitung meiner Frau sind daher das Herzstück unserer Firma.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihrer Frau? Nehmen Sie berufliche Themen mit nach Hause?
Als unsere Kinder noch kleiner waren, haben sie streng die Regel durchgesetzt, dass ab acht Uhr abends nicht mehr über das Geschäft gesprochen werden darf. Wir ziehen das auch jetzt noch durch und versuchen, Arbeitsgespräche am Arbeitsort zu führen. In Zeiten von Homeoffice wurde das leider ziemlich verwässert.

Welche Schweizer Eigenschaften stecken in Ihrem Unternehmen?
Ein hohes Bewusstsein für Qualität, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit bei der Auslieferung liegen uns in der DNA. Von der Produktion her sind wir global aufgestellt.

Welche Trends beobachten Sie aktuell im Hinblick auf Textilien?
Wir sehen ein Bedürfnis nach Farbe, aber auch insgesamt mehr Stoff sowie weichere Formen in der Innenarchitektur. Stoffe werden zunehmend als Designelemente verwendet. Wo früher vor allem Glas, Stahl und Beton eingesetzt wurden, haben viele Architekt*innen eingesehen, dass man schon aus akustischen Gründen Textilien braucht. Darauf richtete sich in den vergangenen Jahren stark die Aufmerksamkeit, beispielsweise in Großraumbüros. Wir verstehen uns als aktive Partner, die gemeinsam mit den Gestaltenden Lösungen suchen.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Christian Fischbacher

Zum Showroom

Mehr Menschen

Sinn für Leichtigkeit

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Das Designerduo Patrick Pagnon & Claude Pelhaître im Gespräch

Experimentierfreudiges Duo

Im Designlabor von Niruk

Im Designlabor von Niruk

Perfekt im Griff

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Jan Karcher von Karcher Design im Interview

Eine widerständige Frau

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Studiobesuch bei der Designerin Karen Chekerdjian in Beirut

Der stille Star

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Nachruf auf den Mailänder Gestalter Rodolfo Dordoni

Das Beste aus zwei Welten

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Jungdesignerin Anna Herrmann im Porträt

Klasse statt Masse

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

„Der Prozess wird zum Echo“

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

Katrin Greiling über die Arbeit mit gebrauchtem Material

„Bugholz ist eine Diva“

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Designer Marco Dessí über den Polsterstuhl 520 für Thonet

Material matters

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Bodo Sperlein und seine Entwürfe für den gedeckten Tisch

Der Geschichtenerzähler

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Ein Gespräch mit dem Pariser Innenarchitekten Hugo Toro

Wie es Euch gefällt

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

FSB-Co-Chef Jürgen Hess über den neuen Mut zur Farbe

„Ich liebe es, mit Licht zu arbeiten“

Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Designer Michael Anastassiades im Gespräch

Vom Pinselstrich zur Farbwelt

Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch

Kreativdirektorin Carolin Sangha über die Color Codes bei Schönbuch

Mehr Raum für Kreativität

Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung

Visualisierungsexpertin Andrea Nienaber über die Vorteile der 3D-Planung

Architekturen für den Wohnraum

more-Gründer Bernhard Müller im Jubiläumsinterview

more-Gründer Bernhard Müller im Jubiläumsinterview

Vier gewinnt

Ein Studiobesuch bei Fyra in Helsinki

Ein Studiobesuch bei Fyra in Helsinki

Vielschichtige Gestalterin

Ein Gespräch mit der französischen Designerin Martine Bedin

Ein Gespräch mit der französischen Designerin Martine Bedin

Schatzsuche im Bestand

Die Gründerinnen des Architekturunternehmens Nidus im Gespräch

Die Gründerinnen des Architekturunternehmens Nidus im Gespräch

„Alles entspringt aus dem Ort“

Studio Wok aus Mailand im Interview

Studio Wok aus Mailand im Interview

„Schwarz-Weiß ist zu einfach“

Christoph Brach von Raw Color im Gespräch

Christoph Brach von Raw Color im Gespräch

Ukrainische Perspektiven #3

Interview mit Interiordesigner Oleksandr Maruzhenko von Men Bureau

Interview mit Interiordesigner Oleksandr Maruzhenko von Men Bureau

Humorvolle Erinnerung

Ein Gespräch mit dem jungen Designer Josua Roters

Ein Gespräch mit dem jungen Designer Josua Roters

Es gibt keine Regeln

Interview mit dem Berliner Architekten Sam Chermayeff

Interview mit dem Berliner Architekten Sam Chermayeff

Der Fliesenmacher

Wie Edgard Chaya in Beirut eine Zementfliesenfabrik aufbaute

Wie Edgard Chaya in Beirut eine Zementfliesenfabrik aufbaute

„Wir müssen Verantwortung übernehmen“

Lars Engelke, COO von Object Carpet, über Wertstoffkreisläufe bei Bodenbelägen

Lars Engelke, COO von Object Carpet, über Wertstoffkreisläufe bei Bodenbelägen

Langlebig, aber nicht langweilig

Das Designstudio Big-Game im Gespräch

Das Designstudio Big-Game im Gespräch

Exotik im Alltag

Nachruf auf den brasilianischen Designer Fernando Campana (1961-2022)

Nachruf auf den brasilianischen Designer Fernando Campana (1961-2022)

Gestalterische Vielseitigkeit

Studiobesuch bei Mark Braun in Berlin

Studiobesuch bei Mark Braun in Berlin

Aus Liebe zum Holz

Benno Thaler von Zitturi über Massivholz in der Architektur

Benno Thaler von Zitturi über Massivholz in der Architektur