Schweizer Textilkompetenz
Michael Fischbacher über funktionale und recycelte Stoffe

Partner: Fischbacher 1819
Michael Fischbacher leitet in sechster Generation das Traditionsunternehmen Christian Fischbacher. Im Interview spricht er über Stoffe mit vielseitigen Funktionen und erzählt, warum er bei Designmeetings oft der Spielverderber ist.
Nach einem Sinologie-Studium in Großbritannien und Taiwan sowie einem MBA in den USA war Michael Fischbacher lange Zeit für die Japan-Geschäfte von Christian Fischbacher zuständig. 2008 übernahm er die Geschäftsführung des Familienunternehmens in sechster Generation und kehrte zurück in die Schweiz. Er spricht mehrere Sprachen fließend, darunter Französisch, Italienisch, Chinesisch und Japanisch. Seine Frau Camilla Fischbacher leitet die Kreativabteilung der Textilfirma, die neben Stoffen auch Teppiche, Tapeten und Wohnaccessoires wie Kissen und Plaids in der Kollektion hat. Spezialanfertigungen produziert das Schweizer Unternehmen innerhalb weniger Wochen. Seine Produkte kommen in internationalen Projekten wie Hotels, Boutiquen oder Privathäusern zum Einsatz.
Herr Fischbacher, Sie haben lange die Geschäfte in Japan geführt. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Japan ist für uns ein wichtiger Markt. Wir machen eine europäische Kollektion und nehmen dabei Rücksicht auf gewisse japanische Ansprüche. Das sind manchmal ganz technische Dinge, beispielsweise Vorgaben zum Polyesteranteil, um die Stoffe flammhemmend auszustatten. Natürlich ist auch der japanische Markt Trends unterworfen. Aber es gibt bestimmte Farben, die in Japan besonders beliebt sind, beispielsweise ein Matcha-Grün.
Wie stellen Sie Ihre Kollektion zusammen?
Wir haben zwei Designstudios: In Como wird die Kollektion für den italienischen Markt entworfen, in St. Gallen die International Collection für Europa, Japan, aber auch andere wichtige Exportländer wie die USA oder Russland. Im Frühjahr erscheint unsere Hauptkollektion. Im Herbst bringen wir eine Zusatzkollektion heraus, die meist objektorientiert ist.
Wie finden Sie Themen für Ihre Kollektionen?
Meine Frau erarbeitet mit den Designern das Konzept der Kollektion etwa zwei Jahre im Voraus. Für die Kreativen ist es eigentlich nicht die Schwierigkeit, Ideen zu haben, sondern sich zu beschränken. Ich bin da eher der Spielverderber, indem ich den Ideenfluss bremse, und ein bisschen Markt-Know-how einbringe. Wir sprechen dann mit unseren Partnern und schauen, was wir entwickeln können.
Wie wichtig sind bei Stoffen neben dem Dekor zusätzliche Funktionen?
Die Anforderungen werden tendenziell strenger, beispielsweise wenn es um den Flammschutz geht. Es wäre schön, wenn das etwas uniformer wäre, zumindest in Europa. Wir sind da sehr offen für neue Entwicklungen im Bereich funktionaler Stoffe. Interessant finden wir zum Beispiel recycelte Materialien, die auch flammhemmend sind, oder Stoffe aus recyceltem Marine-Plastik. Dabei geht es nicht nur um Funktion, sondern auch um Nachhaltigkeit.
In Sachen Nachhaltigkeit gelten Sie als Vorreiter in der Branche.
Das stimmt. Wir haben schon 2009 die erste Kollektion aus recycelten PET-Flaschen auf den Markt gebracht. Viele Kunden waren damals noch befremdet von der Idee, dass man aus Abfall schöne Stoffe machen könnte. Heute gibt es ein breites Verständnis dafür, dass es sinnvoll ist, Ressourcen zu schonen.
Was bedeutet Innovation in einem Traditionsunternehmen wie Christian Fischbacher?
Das kommt auf die Definition an. Für mich ist Innovation auch Kreativität. Das ist unsere essenzielle Stärke. Wir sind ein Designunternehmen, das neue Stoffe entwickelt. Natürlich bieten wir auch den Service einer pünktlichen Auslieferung. Aber ständig neue Designs und Techniken auf den Markt zu bringen, ist unsere Kernkompetenz. Die Designstudios unter der Leitung meiner Frau sind daher das Herzstück unserer Firma.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihrer Frau? Nehmen Sie berufliche Themen mit nach Hause?
Als unsere Kinder noch kleiner waren, haben sie streng die Regel durchgesetzt, dass ab acht Uhr abends nicht mehr über das Geschäft gesprochen werden darf. Wir ziehen das auch jetzt noch durch und versuchen, Arbeitsgespräche am Arbeitsort zu führen. In Zeiten von Homeoffice wurde das leider ziemlich verwässert.
Welche Schweizer Eigenschaften stecken in Ihrem Unternehmen?
Ein hohes Bewusstsein für Qualität, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit bei der Auslieferung liegen uns in der DNA. Von der Produktion her sind wir global aufgestellt.
Welche Trends beobachten Sie aktuell im Hinblick auf Textilien?
Wir sehen ein Bedürfnis nach Farbe, aber auch insgesamt mehr Stoff sowie weichere Formen in der Innenarchitektur. Stoffe werden zunehmend als Designelemente verwendet. Wo früher vor allem Glas, Stahl und Beton eingesetzt wurden, haben viele Architekt*innen eingesehen, dass man schon aus akustischen Gründen Textilien braucht. Darauf richtete sich in den vergangenen Jahren stark die Aufmerksamkeit, beispielsweise in Großraumbüros. Wir verstehen uns als aktive Partner, die gemeinsam mit den Gestaltenden Lösungen suchen.
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