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„Wir haben eigentlich die Tapete neu erfunden“

Laminam-CEO Pierre Heck über die derzeit dünnste Keramikplatte der Welt

Auf dem Salone del Mobile 2024 präsentierte der italienische Hersteller Laminam eine kleine Sensation: eine Keramikplatte, die eine Höhe von nur zwei Millimetern aufweist. Wir haben mit Pierre Heck, CEO Laminam für Deutschland und Benelux, über die Besonderheiten der Produktneuheit gesprochen und nachgefragt, warum sich die Platten besonders gut für die Innenraumgestaltung eignen.

von May-Britt Frank-Grosse, 22.05.2024

Die Geschichte von Laminam begann Anfang der 2000er-Jahre, als der Gründer des Unternehmens die Produktionstechnologie zur Herstellung von Keramikoberflächen mit großen Abmessungen und geringer Stärke erfand. Es entstand ein neues Produkt: die großformatige Platte. Eingesetzt werden die Platten heute in einer Vielzahl von Architekturprojekten – als Fassadenelemente, Wandverkleidungen in Wohnräumen, Möbelfronten, Arbeitsplatten, Rückwandpaneele sowie als Bodenbeläge im Innen- und Außenbereich. Zwanzig Jahre später sorgte der italienische Hersteller auf dem Salone del Mobile mit einem neuen Produkt für Furore: einer zwei Millimeter starken Oberfläche, die unter dem Markennamen twO by Laminam vertrieben wird.

Herr Heck, warum wollten Sie eine derart dünne Keramikplatte herstellen?
Bisher war unsere dünnste Keramikplatte drei Millimeter stark. Das ist ja auch schon super. Doch wir wollten noch weiter gehen und schauen, wie wir mit noch weniger Material Räume gestalten können. Unsere Entwicklungsabteilung orientiert sich an technischen Spitzenleistungen, verbunden mit Ästhetik und einem hohen Bewusstsein für die Umwelt. Und da lag es nahe, eine Platte zu entwickeln, die noch dünner ist. Das ist uns gelungen. twO ist gerade einmal zwei Millimeter dünn, bei einer Größe von drei mal einem Meter.

Hat twO die gleichen Eigenschaften wie die anderen Produkte aus Ihrem Portfolio?
Ja, sie hat die gleiche Dichte. Sie ist nur dünner. Die eigentliche Herausforderung bestand darin, dass die Platte die gleichen Eigenschaften behält wie die anderen Produkte. Nehmen wir zum Beispiel die Brandresistenz. Das ist gerade für den Bereich Horeca (Hotel, Restaurant, Catering, Anm. d. Red.) interessant. Hier möchte man sich bei der Wandverkleidung keine Sorgen wegen der Entflammbarkeit machen müssen. Das Material hat außerdem eine sehr hohe Schlagfestigkeit. Diese ist fast identisch mit Platten, die 12 oder 20 Millimeter dick sind. Und da twO außerdem frostbeständig, UV- und schmutzresistent ist und durch die hohe Dichte kaum Wasser aufnimmt, könnten die Platten theoretisch auch als Fassadenverkleidung verwendet werden.

Was macht diese Keramikplatten besonders nachhaltig?
Zum einen werden sie kürzer als dickere Fliesen in den Elektroöfen gebrannt, die über unsere Photovoltaikanlage versorgt werden. Die Anlage ist übrigens ebenfalls eine absolute Innovation und trägt zur Verringerung der Umweltauswirkungen entlang der gesamten Lieferkette bei. Das Material wiederum, mit dem twO hergestellt wird, besteht aus recycelten und vollständig recyclingfähigen Werkstoffen. Und da die Platten leichter sind als dickere, verursachen sie auch weniger Transportkosten.

Wie ist es mit der Verarbeitung der Platten bei Innenausbauten?
Aufgrund ihres leichten Gewichts sind sie flexibler und leichter zu verarbeiten. Bei der Verarbeitung wird keine aufwendige Wasserstrahlanlage oder Säge benötigt. Man kann das Material ohne Probleme mit einem normalen Glasschneider direkt auf der Baustelle bearbeiten. Ohne Krach, ohne dass sich groß Staub bildet oder es nass sein muss. Denn man braucht für die Verarbeitung ja kein Wasser. Damit bieten sich Planern, Verlegern, eigentlich allen am Bau beteiligten Parteien, mehr Möglichkeiten. Das ist der revolutionäre Gedanke dahinter. Wie weit können wir die Technik drücken? Wie können wir weniger Material verbrauchen, aber trotzdem die gleichen Eigenschaften bieten wie andere Keramikoberflächen? Man könnte sagen, wir haben eigentlich die Tapete neu erfunden. Auch wenn twO nicht auf einer Rolle geliefert werden kann (lacht).

Aber biegsam ist die Platte schon?
Ja, das ist sie. Bis zu einem gewissen Grad. Das Material ist flexibel und wir können Krümmungen oder Rundungen damit realisieren, wie etwa gebogene Empfangstresen oder Wandverläufe. Unsere Techniker finden gerade noch heraus, wie stark diese Krümmung sein darf.

Für welche Interiorprojekte ist twO gedacht?
Wir fokussieren uns primär auf Wandverkleidungen in Hotels und Gastronomie. Das ist mit Sicherheit das wichtigste Einsatzgebiet. Aber im Sinne einer einheitlichen Raumgestaltung können wir natürlich sämtliche Oberflächen in Innenräumen verkleiden. Seien es Einbauten oder Öfen, aber auch Möbel wie Tische und so weiter. Nur Fußböden können wir mit dem Material nicht gestalten, da die Belastung als Bodenbelag zu stark ist. Hier greifen wir auf Keramikplatten in Stärken ab 5 Millimeter aus den vielen anderen Kollektionen von Laminam zurück.

In welchen Ausführungen sind die Keramikplatten erhältlich?
Die ganze Serie, die wir hier entwickelt haben, hat sowohl ästhetisch als auch haptisch einen besonderen Charakter. Zum Start bieten wir sieben Farben plus zwei florale Oberflächen in einer besonderen Haptik beziehungsweise einem besonderen Effekt an. Der Effekt auf der Oberfläche erinnert an handwerklichen Putz und vermittelt die visuelle und haptische Wirkung einer kunstvoll von Hand aufgetragenen Schicht. Die Farben wirken dezent und in den Nuancen aufeinander abgestimmt. Von pastelligem Weiß über dunkle, warme Farben in Beige und Haselnussbraun, weichem Rot und einem Grünton bis hin zu zwei floralen Dekoren – sie alle bieten viel kreativen Spielraum für unterschiedliche Gestaltungen in der Architektur.

Gibt es auch die Option, individuelle Farben und Oberflächen zu wählen?
Wir können auch maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Das ist überhaupt kein Problem. Es ist nur eine Frage der Menge, weil wir die spezielle Optik ja entwickeln müssen. Und das lohnt sich erst ab 3.000 Quadratmeter. Dann entwickeln wir mit dem Auftraggeber jede Farbe und auch jedes Design. Wir machen das übrigens auch für Kunden aus dem Möbelbereich. Ein Kunde, der sehr viele Tische herstellt. Ein Teil der Tischflächen ist aus unserem Programm, der andere Teil wurde mit unseren Technikern entwickelt.

Welche Oberflächen werden derzeit denn besonders nachgefragt?
Ursprünglich waren matte Oberflächen die Grundlage im Interior, ob bei Küchenarbeitsplatten oder bei Wandverkleidungen. Vor allem in Deutschland. Dann kamen die Dekore, also Venen oder Muster, ein Farbverlauf, eine Wolkenbildung, hinzu. Heute wird viel mit Struktur gemacht. Nicht nur bei uns, das spiegelt sich im gesamten Markt wider. Jeder möchte heute ein haptisches Erlebnis haben, einen Handschmeichler, und nicht nur die Farbe oder das Dekor genießen. In meiner eigenen Küche verwende ich eine alte Werkbank mit Schnitzern und Löchern als Arbeitsplatte. Jeden Tag, wenn ich in die Küche laufe, streiche ich mit der Hand über die Oberfläche. Das ist einfach ein schönes, haptisches Erlebnis. Und das kann man auch mit Keramik haben.

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