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Alles für Yves

In Marrakesch plante das Pariser Studio KO das Yves Saint Laurent Museum

Erst Paris, dann Marrakesch: In der zweiten Heimat des legendären Modeschöpfers steht neben dem Tourismusmagneten Jardin Majorelle das neue Yves Saint Laurent Museum. Für die Finanzierung der Kulturstätte, entworfen von dem Pariser Architekturbüro Studio KO, versteigerte der langjährige Lebensgefährte Pierre Bergé seine persönlichsten Sammlungen.

von Jana Herrmann, 22.10.2017

Noch neun Jahre nach seinem Tod wird er als Koryphäe gewürdigt – der Modeschöpfer war nicht zufällig auch der Erste, dessen Œuvre schon zu Lebzeiten in Museen ausgestellt wurde. In den Siebzigerjahren wurde Yves Saint Laurent (1936–2008) mit einer Porträtserie von Andy Warhol bedacht, bevor einige seiner Couture-Modelle im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen waren. Auch Saint Laurent selbst schien schon früh der Meinung zu sein, dass seine Kreationen ins Museum gehören: Seit 1962 hob er sämtliche Entwürfe, Dokumente sowie bestimmte Modelle auf und kennzeichnete ausgewählte Stücke mit einem roten M für „Museum“.

Nach seinem Tod führte Lebenspartner Pierre Bergé dieses Vorhaben fort. Seit Jahren baute er die Fondation Pierre Bergé – YSL in Paris aus und wird im Oktober das Musée Yves Saint Laurent Marrakech (mYSLm) eröffnen. Es wurde gleich neben dem legendären Garten Jardin Majorelle gebaut, den Pierre Bergé und Yves Saint Laurent 1980 kauften und zu ihrem zweiten Wohnsitz machten. Zahlreiche Entwürfe für sämtliche Kollektionen Saint Laurents sind an diesem Ort entstanden.

Affinität für marokkanische Architektur
Während der Standort des Museums also die logische Fortsetzung der kreativen Leidenschaft des Modeschöpfers ist, überrascht die Wahl der mit diesem Projekt beauftragten Architekten. Denn auch wenn das im Jahr 2000 gegründete Pariser Studio KO in den vergangenen Jahren in den Supermetropolen London, New York und Los Angeles und für so prestigeträchtige Marken wie Aesop, Balmain und den französischen Star-Pâtissier Cyril Lignac gearbeitet hat, wäre ein weitaus prominenterer Name wie Tadao Ando oder Herzog & de Meuron für ein Projekt solchen Kalibers durchaus naheliegend gewesen.

„Selbstverständlich habe ich davon geträumt, mit einem weltbekannten Architekten zusammenzuarbeiten. Aber dann habe ich mir gedacht: Was wird der mir das Leben schwer machen! Deshalb habe ich mich für Karl und Olivier entschieden“, sagte Pierre Bergé vielleicht etwas zu ehrlich und unbedacht auf der offiziellen Pressekonferenz – und sorgte damit nicht nur bei den beiden Architekten von Studio KO für Verlegenheit, sondern auch für kollektives Gekicher im Saal. Wie auch immer die unerwartete Zusammenarbeit tatsächlich entstanden ist: Die gemeinsame Affinität für marokkanische Architektur war auf jeden Fall eine solide Basis für den höchst ambitionierten Auftrag. „Wir arbeiten seit der Gründung unserer Agentur regelmäßig in Marokko und haben in Marrakesch seit 2001 auch ein eigenes Büro. Jedes neu zu konstruierende Projekt ist in diesem Land eine besondere Herausforderung, weil die Architektur bis heute noch sehr traditionell ausgerichtet ist“, erläutert Architekt Karl Fournier von Studio KO. Und genau diese Herausforderung war auch die einzige Vorgabe, die Pierre Bergé an das kreative Duo stellte: Das Museum sollte ein Mix aus marokkanischen und zeitgenössischen Elementen werden.

Ein Kleid, das feine Falten wirft
„Nach unserem ersten Treffen mit Pierre Bergé stand für mich fest, dass der Bau erdige Farben und absolute Opazität brauchte – als Referenz für die typischen Farben von Marrakesch sowie den traditionellen marokkanischen Baustil, der das Innere eines Gebäudes schützt. Um drei Uhr nachts habe ich den ersten Entwurf an Olivier geschickt“, erzählt Karl Fournier, der Denker des kreativen Tandems. „Karls Version waren zu diesem Zeitpunkt lediglich Stichworte, die ich dann zeichnerisch und mit einer zeitgenössischen Komponente umgesetzt habe. Das Ergebnis waren weiche und sinnliche Formen. Ich stellte mir das Äußere des Museums wie ein langes Kleid vor, das Falten wirft“, ergänzt der „Künstler“ von Studio KO, Olivier Marty. Das endgültige Konzept entwickelten die beiden jedoch beim Durchforsten des Pariser Archivs. Besonders beeindruckte sie bei diesen Recherchen, wie Yves Saint Laurent mit Kurven und Geraden sowie losen und sauberen Schnitten umging.

Nun präsentiert sich das mYSLm von seiner komplett geschlossenen Außenseite wie eine Anordnung aus Würfeln, deren lineare Gestalt durch runde Vorbauten durchbrochen wird. Und auch materialtechnisch setzten die Franzosen auf Abwechslung: Während die untere Hälfte mit quadratischen Steinplatten und Marmorelementen gepflastert wurde, besteht die obere aus erdigen, allegorisch angeordneten Backsteinziegeln, die an unterschiedlich gewebte Stoffe erinnern. Beide Ebenen trennt ein von Weitem fast filigran wirkendes horizontales Betonelement, das im Eingangsbereich mit einer goldenen Oberfläche ausgestattet wurde. Besonderen Wert legten die Architekten auch darauf, dass alle verwendeten Materialien aus lokaler Herstellung stammen, um den Neubau möglichst harmonisch in seine unmittelbare Umgebung einzugliedern. Das Innere des Gebäudes, das übrigens nicht nur ausgestellte Werke von Yves Saint Laurent, sondern auch ein Auditorium, eine Bibliothek, eine Boutique und ein Café-Restaurant beherbergen wird, ist radikal anders als die imposante Fassade gestaltet: Auf den insgesamt 4.000 Quadratmetern Grundfläche geht es eher samtig, glatt und glänzend zu.

Museum als kleines Monument
Paradox bleibt am Ende die Tatsache, dass sich der bekennende Anti-Nostalgiker Pierre Bergé so vehement für die Nachlasssammlung seines Lebenspartners einsetzte. Um das 15-Millionen-Euro-Projekt in Marrakesch finanzieren zu können, versteigerte er sogar ihre gemeinsame Kunstsammlung und seine heiß geliebte, kostbare Bibliothek. „Ja, ich liebe das Heute und bin der Zukunft zugewandt. Aber ich mag auch die Idee, Spuren zu hinterlassen. In erster Linie tue ich das alles jedoch für Yves. Marrakesch war für ihn ein essenzieller und absolut inspirierender Ort, ohne den seine Mode eine ganz andere gewesen wäre. Über das neue Museum hätte er sich sehr gefreut! Außerdem war Yves ja ziemlich megaloman. Er hätte es wunderbar gefunden, dass Tausende von Besuchern an seinem kleinen Monument vorbeilaufen, um das ich 2008 seine Asche verstreut habe!"

Pierre Bergé kann weder am Opening des YSL-Museums am 3. Oktober in der Pariser Avenue Marceau teilnehmen, noch den Ziegelneubau im Marrakesch einweihen. Laut den Stiftungen Yves Saint Laurent und Jardins Majorelle habe er schon lange gegen eine Krankheit gekämpft. Am frühen Morgen des 8. Septembers 2017 ist Bergé im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Saint-Rémy-de-Provence verstorben.

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Links

Projekt

Musée Yves Saint Laurent Marrakech

www.museeyslmarrakech.com

Projektarchitekten

Studio KO

www.studioko.fr

Musée Yves Saint Laurent Marrakech

Neubau aus Stahlbeton / Fassade aus rotbraunen Terrakottaziegeln / Grundfläche: 4.000 Quadratmetern / Bauherr: Jardin Majorelle SCA zusammen mit der Fondation Pierre Bergé – YSL / 2014–2017

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