Architektur der Schwerelosigkeit
Ein Münchner Dachausbau von Pool Leber Architekten
Wer nach München zieht, tut das nicht selten wegen der außerordentlichen Natur. Was Berge, Wälder und Seen angeht, lässt das Umland der bayerischen Metropole keine Wünsche offen. Zwar liegt dieser Aus- und Umbau auf dem Dach eines Stadthauses. Doch die Planer von Pool Leber Architekten holten die Natur ins Innere und schufen eine Architektur, die sich zum Himmel öffnet und die alpine Landschaft imitiert. Eine Topographie des Wohnens.
Eine hochwertige Erweiterung, großzügige Außenräume und Terrassen mit Ausblicken in alle Himmelsrichtungen: So klang das Briefing für diese Dachaufstockung für eine 4-köpfige Familie in der Maxvorstadt. Was sich luftig-leicht anhört, erforderte in Wahrheit jedoch tiefgreifende Umbauten und ein Konzept komplexer Geometrien. Damit die vielfach ausgezeichneten Architekten Isabella Leber und Martin Pool die fünfte Ebene auf zweieinhalb Geschosse erweitern konnten, mussten sie zunächst an die Substanz des Wohn- und Bürogebäudes aus den Achtzigerjahren.
Erdatmosphäre
Als erstes stand der Abriss eines Terrassengeschosses aus Stahlbeton. An seine Stelle trat ein gewichtsoptimierter Massivholzbau mit einer Fassade aus Edelstahl. Wo es die Brandschutzvorgaben erlaubten, behielten die Architekten das Kiefernholz auch im Inneren für Decken und Wände bei. Sie wechseln sich ab mit Brandwänden aus Sichtbeton, deren säge-raue Schalung ebenfalls Holzmaserungen in sich tragen. Die Einbauten ließen sie weiß verputzen und horizontale Flächen mit hellem Stein belegen. Lediglich einige schwarze Geländer und Profile sorgen für Kontraste. So wird die fast 550 Quadratmeter große Fläche zu einem harmonischen Kontinuum aus natürlichen Materialien.
Alpine Architektur
Auch formell ließen sich die Planer von der Natur inspirieren. Was sie als „landschaftlichen Ansatz“ beschreiben, wird einerseits sichtbar in den großzügigen Außenräumen, die wie Plateaus aus dem Gebäude hervorspringen und es in alle Himmelsrichtungen öffnen. Im Inneren schufen sie diverse „Erschließungs- und Verbindungsmöglichkeiten zwischen Wohnen, Essen, Küche und Schlafbereich“. Mit der neu entstandenen Galerie staffelten sie die Höhen, was auch vertikal reizvolle Blickbeziehungen ermöglicht und tatsächlich an eine bergige Landschaft erinnert. Fast könnte man für das weiße Zwischengeschoss mit seinen steilen Schrägen Vergleiche zu den verschneiten Spitzen der bayrischen Alpen heranziehen.
Während die Architekten für das große Ganze bewusst markante, kantige Formen suchten, ging es im Detail eher um harmonische und fließende Lösungen. So integrierten sie den Kamin im Wohnbereich in den Treppenaufgang des Mezzanins. Das Ergebnis ist eine formreduzierte, skulpturale Einheit. Ein ähnlich integriertes Denken verfolgten sie bei den Möbeln. Die Küche wird umsäumt von einem langen Schrank, der gleichsam Fensterbank und Arbeitsplatte ist. Diese Idee findet sich wieder im Wohnzimmer, wo Leber und Pool ein Sideboard der Fensterfläche entlangführen und so gleichsam in eine Fensterbank und Sitzgelegenheit verwandeln.
Himmelskörper
Von hier aus genießen die Bewohner dank der großflächigen Panoramafenster über die gesamte Südfassade uneingeschränkte Blicke über die Dächer der Stadt. Durch die diagonalen Deckenformation, die sich verjüngenden Fenster und die vor- und zurückspringenden Brüstungen entsteht im Inneren eine Dramaturgie aus Form und Licht. Fassadenseitig wirkt das Dachgeschoss mit seinen metallenen Verkleidungen und eckigen Ausbuchtungen futuristisch, wenngleich es auch Anklänge an seine Entstehungszeit aufweist.
Für die Rückseite hingegen sahen die Planer eine eher dezente Handschrift vor. „Richtung Norden sollte sich die Aufstockung ruhig in die Reihe an Bestandsbauten der Achtzigerjahre einfügen“, sagen sie. Mit Dachfenstern strebten sie hier ein „interessantes Spannungsfeld aus gleißendem Südlicht und sanftem Nordlicht“ an, das „im Einklang mit der jeweiligen Nutzung steht“. So wird zu jeder Zeit die Stimmung des wechselnden Tageslichts eingefangen. In Verbindung mit den aufstrebenden Formen des Dachs gelingt den Planern nicht nur ein poetisches Spiel aus Form, Material und Licht, sondern auch eine Architektur, die beinahe die Schwerkraft überwindet.
FOTOGRAFIE Brigida González
Brigida González
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