Architekturikone in neuem Licht
Denkmalgerechte Beleuchtung der Neuen Nationalgalerie von Arup
Im Rahmen der Sanierung der Neuen Nationalgalerie in Berlin sorgte das internationale Planungs- und Beratungsbüro Arup für eine denkmalgerecht erneuerte Beleuchtung des Museums – und rückte damit zugleich ein architektonisches Meisterwerk in zeitgemäßes Licht.
Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1968 ist die Neue Nationalgalerie einer der größten Besuchermagneten der deutschen Hauptstadt. Neben der herausragenden Sammlung von Kunstwerken des 20. Jahrhunderts ist dafür auch die außergewöhnliche Architektur des Gebäudes verantwortlich, die begeisterte Anhänger*innen der Baukunst seit Jahrzehnten zum Berliner Kulturforum pilgern lässt. Von 2015 bis 2020 wurde Ludwig Mies van der Rohes Ikone der klassischen Moderne unter dem Motto „So viel Mies wie möglich“ von David Chipperfield Architects umfassend saniert. Die gleichen Bedingungen galten auch für die Grundinstandsetzung der Beleuchtung, die das europäische Lichtplanungsteam von Arup durchführte.
Bauhistorische Spurensuche
„Eine bewahrende Erneuerung gelingt nur dann überzeugend, wenn man zu Beginn tief in das Ursprüngliche eintaucht“, ist Projektleiter Alexander Rotsch überzeugt. Die Aufgabe für ihn und sein Team bestand daher zunächst darin, historische Aufzeichnungen zu sichten und zu studieren: „Anhand von bauzeitlichem Fotomaterial sowie originalen Planungsunterlagen, Detailzeichnungen, Gesprächsnotizen und Bemusterungsprotokollen, die uns vom Archiv des Museum of Modern Art in New York zur Verfügung gestellt wurden, konnten wir auf bauhistorische Spurensuche gehen und detaillierte Einblicke in Mies van der Rohes ursprüngliches Lichtkonzept der Neuen Nationalgalerie erhalten“, erzählt Alexander Rotsch über den Projektstart. Zudem pflegte das Arup-Team einen regen Austausch mit Mies’ Enkel Dirk Lohan, der als junger Architekt am Entwurf und der Ausführung der Neuen Nationalgalerie mitgewirkt hatte.
Unsichtbare Restaurierung
Im Anschluss an das Quellenstudium wurden die rund 2.400 Bestandsleuchten – darunter 784 entblendete Einbauleuchten (Downlights) im Erdgeschoss und 1.350 deckenintegrierte Wandfluter (Wallwasher) im Untergeschoss – behutsam restauriert, wobei die Sanierungsarbeiten möglichst unsichtbar bleiben sollten, um den hohen denkmalpflegerischen Ansprüchen des Gebäudes gerecht zu werden. Eine Herausforderung bestand, laut Rotsch, darin, „die ursprünglich für verschiedene Glühlampentypen der Sechzigerjahre entworfenen Leuchtengehäuse und optischen Komponenten unter Verwendung neuester und für die museale Nutzung geeigneter Lichttechnik so umzurüsten, dass die bauzeitliche Lichtverteilung beibehalten werden konnte, ohne das denkmalgeschützte Erscheinungsbild zu verändern.“ Eine nicht minder große Herausforderung ergab sich außerdem aus der Auffassung, dass das Lichtbild der Leuchten im Raum und auf den Wänden ein ebenso schützenswertes Denkmal sei wie die Leuchten selbst.
Nachhaltiges Beleuchtungskonzept
Daher durfte das Licht – auch unter Verwendung von moderner LED-Technik – nicht merklich anders erscheinen als es das ursprüngliche Lichtkonzept vorsah. Nach zahllosen Messungen ausgewählter Prototypen im Labor fand Ende 2018 ein Lichttest unter realen Bedingungen in der benachbarten Gemäldegalerie statt, bei dem ein Fachgremium die Lichtqualität bewertete und schließlich die geeigneten Leuchten auswählte. Bei aller Rücksicht auf die Denkmalpflege gibt es allerdings einen wichtigen Unterschied: Die neue Lichttechnik erzielt Energieeinsparungen von mehr als 80 Prozent im Vergleich zur ursprünglichen Beleuchtung. Und auch in anderer Hinsicht präsentieren sich die Instandsetzungsmaßnahmen äußerst nachhaltig: Neben der Wiederverwendung der bestehenden Gehäuse und Komponenten wurden die umgerüsteten Leuchten so entworfen, dass die einzelnen Elemente zu Reparaturzwecken möglichst einfach austauschbar sind. „Ich glaube, Mies van der Rohe hätte das auch so gemacht“, sagt Alexander Rotsch.
FOTOGRAFIE Simon Menges
Simon Menges