Um die Bäume gebaut
Schwebender Anbau in Montreal von TBA
Ihr 1910 in Montreal erbautes Kutschenhaus ließ eine junge Familie von Thomas Balaban Architect (TBA) kernsanieren und erweitern. Der neue, schwebende Anbau nimmt sich im Straßenbild zurück und weicht zwei alten Ahornbäumen aus. Im Inneren zeigen sich luftige, lichtdurchflutete Räume.
Im angesagten Viertel Plateau Mont-Royal in Montreal mischen sich zu charmanten Stadthäusern aus Backstein Cafés, Läden und Galerien sowie kleine Industriegebäude und Parks. In einer kurzen, schmalen Straße dieses bunten Stadtteils stand das ortsansässige Büro Thomas Balaban Architect (TBA) vor der Aufgabe, ein 130 Quadratmeter großes, hundert Jahre altes Kutschenhaus zu erweitern. So viel Wohnraum wie möglich wünschte sich die junge Familie für ihr neues Zuhause. Jedoch galt es, den denkmalgeschützten Charakter des viktorianischen Baus zu bewahren – eine Aufstockung war also nicht möglich. „Daraus ergab sich die größte Herausforderung für das Projekt: die Erweiterung der Grundfläche des Gebäudes unter Beibehaltung seines Charakters und des sehr begrenzten Außenbereichs“, erklären die Architekt*innen.
Charmanter Bestand
Das Team von TBA ließ die historische Backsteinfassade wieder herstellen und ersetzte die alten Fenster, um so das äußere Erscheinungsbild zu erhalten. „Die neuen Innenräume wurden bis auf die ursprüngliche Hülle zurückgebaut und sollen die natürlichen Qualitäten der zweckmäßigen Struktur und die Schönheit der alltäglichen Konstruktion hervorheben“, sagen die Planer*innen. „Rohe Materialien, reiche Texturen und minimale Details stehen im Kontrast zu den sanft geformten, modernen Möbeln und der umfangreichen Kunstsammlung der Familie.“ Das Highlight ist die scheinbar schwebende Erweiterung, die über eine neue Öffnung im ersten Stockwerk zu erreichen ist. Vom Eingangsbereich gelangen die Bewohner*innen über eine filigrane und skulptural wirkende, dunkle Stahltreppe zum Anbau. „Die Transparenz der Treppe in Kombination mit den verschiebbaren Trennwänden gibt der kleinen Grundfläche des Erdgeschosses den dringend benötigten Raum zum Atmen“, erklären die Architekt*innen.
Ohne Bodenhaftung
Von außen wirkt der ergänzte Quader, als würde er schweben. Indem das Volumen leicht zurückgesetzt und angehoben wurde, konnten zwei alte Ahornbäume auf der Vorder- und Rückseite des Grundstücks erhalten bleiben. „Wir haben die wichtige Präsenz der beiden Bäume im Straßenbild bewahrt und konnten eine Beschädigung ihres Wurzelsystems verhindern, während zugleich unter dem Anbau ein geschützter Privatgarten entstand“, sagen die Gestalter*innen. Flache, verzinkte Metallpaneele, mit denen das schwebende Volumen verkleidet ist, reflektieren das Tageslicht in den darunter liegenden Garten und verleihen dem Anbau Leichtigkeit. Der neue Gebäudeteil nimmt sich optisch im Straßenbild zurück und kontrastiert in seiner zeitgenössischen Geometrie und Materialität mit den Backsteinmauern des Bestandes.
Kompakt strukturiert
Die Fenster im Anbau wurden strategisch gesetzt, um den Wohnräumen möglichst viel Privatsphäre zu verleihen und zugleich durch die raumhohen Öffnungen viel Tageslicht ins Innere zu bringen. An den Wänden des Bestands fällt das gemaserte Sperrholz auf, das die Rolle der Tapete übernimmt. Im Obergeschoss sind die Küche, das Esszimmer, ein Arbeitszimmer und die Treppe um einen zentralen Kern angeordnet, in dem sich ein Badezimmer und ein Abstellraum befinden. „Diese kompakte Anordnung schafft sowohl praktische Verbindungen als auch visuelle Privatsphäre“, erklären die Architekt*innen. Durch die Oberlichter erhalten die Räume Struktur und werden mit Sonnenlicht durchflutet. Zudem schaffen sie eine Verbindung zum Außenraum, was einen abwechslungsreichen, natürlichen Gegensatz zu den abstrakten Kunstwerken und Fotografien im Haus bildet.
FOTOGRAFIE Adrien Williams
Adrien Williams
Projektname | Berri |
Projekt | Historisches Kutschenhaus |
Entwurf | Thomas Balaban Architect (TBA) |
Typologie | Wohnhauserweiterung |
Ort | Montreal |