Baden in Raum und Zeit
Dieser Straßburger Umbau erzielt mit kleinen Kniffen große Effekte.
Die Renovierung von Altbauten ist eine Kunst für sich. Wie nutzt man Räume sinnvoll um? Wie schafft man die Balance aus Alt und Neu? Und wie gelingt ein sensibler Umgang mit der alten Substanz, ohne dabei Funktionalität einzubüßen? Die Architekten vom litauischen Studio YCL machten es richtig und gaben diesen alten Räumen in Straßburg ganz nebenbei noch eine neue Dimension.
Ein sternförmig angelegter Grundriss mit vier geräumigen, fast gleichwertigen Zimmern. Allesamt ausgestattet mit hohen, mehrflügligen Fenstern, die Tageslicht und herrliche Ausblicke auf die historischen Nachbarhäuser bieten. Und das alles auf einer Fläche von ganzen 114 Quadratmetern. Was will man mehr? Strukturell bot dieses Straßburger Stadthaus durchaus schon vor der Renovierung äußerst angenehme Bedingungen. Doch die Räume gekonnt an zeitgemäße Anforderungen anzupassen, auch hintere Ecken mit Leben zu füllen und einen Eindruck von Weite zu erzeugen – diese Anforderungen standen auf einem ganz anderen Blatt.
Spieglein, Spieglein an der Wand
Mithilfe eines Durchbruchs verbanden die Architekten zunächst den zentralen Wohnbereich mit dem etwas abseits gelegenen Kaminzimmer. Diese Verbindung zwischen zwei einst getrennten Räumen blieb einer der wenigen tiefgreifenden Eingriffe des Umbaus. „Doch diese Veränderung der alten Substanz war essenziell, um das Gefühl von Raum zu steigern“, sagen die Architekten. So profitiert das hintere, kleinere Zimmer von der Geräumigkeit des großen Raumes, der hingegen erhält einen direkten Blick auf den schönen Kamin. Die Innenwände des Durchgangs verkleideten die Planer mit Spiegeln, ein Mittel, das sie auch bei der Rückwand der Küche anwendeten. Durch die Reflexionen werden die Räume optisch vergrößert – ein einfacher Trick mit komplexer Wirkung.
Raum-Traum
Mehr Platz schufen YCL auch in Badezimmer und Küche, die einst etwas versteckt im verschachtelten Bereich nahe des Treppenhauses lagen. Dafür wurde der komplette Wohnbereich neu gedacht: Den Koch- und Essbereich verlegten die Architekten in eines der repräsentativen Hauptzimmer, was ihnen im nächsten Schritt erlaubte, das alte Bad zu öffnen und die neu gewonnene Fläche der Küche zu erweitern. „Unser Ziel war es, die Nasszelle in einen eigenständigen Raum umzuwandeln“, so die Planer. Das Resultat lässt sich sehen: ein geräumiger Wellnessbereich mit separater Dusche, Sitzgelegenheit und freistehender Badewanne. Ein großes Fenster und ein eigener Balkon schaffen hier ein, für ein Bad, ungewöhnlich luftiges Raumgefühl.
Graue Mäuse
Während das Badezimmer vornehmlich in hellen Cremetönen gehalten ist, dominieren im Rest der Wohnung Schwarz-Weiß-Kontraste. Alle Wände des Apartments erhielten einen monochromen grauen Anstrich, wodurch ein einheitlicher, harmonischer Eindruck entsteht. Daran angepasst wurden sämtliche Einrichtungselemente wie die meist grau gehaltenen Polster, ein anthrazitfarbener Vorhang im Flur und etliche schwarze Details. Lediglich Decke, Stuck, Fußleiste und Türen setzten die Litauer in Weiß ab. „Wir wollten mit dieser Farbgestaltung zwischen alten und neuen Elementen differenzieren – antike Teile blieben weiß, neue erhielten einen dunklen Ton“, erklären sie.
Grafisch komponiert
Farbige Akzente in Rot und Gelb, ein Fußbodenbelag mit wiederkehrender schwarz-weißer Musterung und der Einsatz von formreduziertem nordischem Mobiliar geben den Räumen eine grafische Anmutung. Für die Küche entwarfen die Planer eine drei Meter lange, skulpturale Bar aus Metall. Neben der ebenso geradlinigen Einbauküche bildet sie einen bewussten Gegenpol zu den stuckverzierten Wänden und Decken, den üppigen Kronleuchtern und dem alten Fischgrät-Parkett. So mischen sich historische und moderne Elemente, hell und dunkel, Farbe und Nicht-Farbe, und es entsteht eine spannungsreiche Komposition. Mit einfachen Mitteln erreichen YCL so auf paradoxe Weise außergewöhnliche Effekte, die dem alten Gebäude eine elegante, zeitgemäße Note verleihen.
Und noch mehr: Mit wenigen Kniffen wie der Neustrukturierung von Funktionen oder den gezielt eingesetzten Spiegeln gelang es Tomas Umbrasas, Aidas Barzda, Tautvydas Vileikis und Rokas Kontvainis von YCL, den Raum zumindest optisch schier unendlich auszudehnen.
FOTOGRAFIE Andrius Stepankevičius
Andrius Stepankevičius