Bar im Berg: Kalksteinhöhle in Matera
Versteckt im Kalksteinfelsen: Enoteca Dai Tosi von De Vylder Vinck Taillieu.
Im süditalienischen Matera hat man die Sache mit dem Weinberg wörtlich genommen. Die Enoteca Dai Tosi gräbt sich mit ihren Gewölben schräg ins Gebirge und interpretiert dabei gekonnt die lokale Bauweise. Entworfen haben das ausgerechnet drei Belgier.
Der historische Teil der apulischen Stadt Matera hängt spektakulär über einer Schlucht im Felsen. Für diese imposante Lage und das, was hinter den Türen der Altstadt wartet, ernannte die Unesco Matera 1993 zum Welterbe. Ihr eigentliches Geheimnis liegt jedoch innerhalb des Bergs. Die Häuser sind in den Kalksteinfelsen hineingegraben, das abgetrotzte Material wurde zum Fassadenbau der Sasso genannten Höhlen genutzt. Matera ist eine gigantische Skulptur, homogen in der Landschaft und baulich mit ihr verschränkt. Mittendrin haben die belgischen Architekten von De Vylder Vinck Taillieu eine stilvolle Weinbar versteckt. Über drei Level führt eine breite Treppe in den Berg, auf jeder Etage öffnet sich der Raum mit grob behauenen Decken und einem verwinkelten Layout.
Raumbildende Elemente
Durch das subtraktive Bauverfahren entstanden die Räume über lange Zeit und nach dem Bedürfnis unzähliger Bewohner. Das neue Interieur tarnt sich gekonnt. Gebaut wurde ausschließlich mit lokalem Tuffstein, der zu den Wänden hin aufsteigende Treppen bildet. Sie sind raumbildende Elemente, Architektur und Mobiliar. Der rohe Bestand steht im Kontrast zu einer strengen Geometrie, während der homogene Materialeinsatz alte und neue Strukturen als Einheit wirken lässt. Bei Weinverkostungen werden die Stufen zu Bänken, im Verkaufsbereich zu Regalen, und im Lager halten formschlüssige Kerben auf den Absätzen die Weinflaschen sicher in der Waagerechten. Die mobile Einrichtung ist auf ein Minimum beschränkt. Ein paar Hocker stehen im Raum, Sitzplatten wirken als Stufenaufbau, und ein skulpturales Regal dient als Display. Alle Elemente sind aus flaschengrün lackierten Spanplatten, die in Schichten gestapelt zum funktionalen Mobiliar werden und farbige Akzente in den sandfarbenen Räumen setzen. Die ästhetische Askese ist eine Hommage an Matera, aber auch an die lokale Rebe. Oder wie die Architekten es selbst formulieren: „Die Enoteca ist ein Zuhause, das den Wein umarmt.“
FOTOGRAFIE Delfino Sisto Legani
Delfino Sisto Legani