Bayerische Lichtgeschwindigkeit
Der Münchner Hauptbahnhof und seine neue unterirdische Straße mit künstlichen Sonnen, sensiblen Wänden und futuristischem Design.
Während Flughäfen meist mit weitläufigen Hallen, luxuriösen Materialien und entspannten Ruhezonen aufwarten, werden bei Bahnhöfen diese Aspekte oft vernachlässigt. Schäbige Oberflächen, labyrinthische Gänge oder chaotische Wimmelbilder aus Geschäften, Kiosken und Werbung prägen den Gesamteindruck am Gleis. Ein individualisiertes Beleuchtungskonzept brachte im Sperrengeschoss des Münchner Hauptbahnhofs sinnbildlich Licht ins Dunkel und ergattert zusätzliche Pluspunkte beim Thema Nachhaltigkeit.
200.000 Fahrgäste durchqueren tagtäglich den Hauptbahnhof von München. Unterirdisch angesiedelt und mehrmaligen Umbauten unterworfen, war sein Sperrengeschoss bisher von niedrigen Decken, beengender Architektur und Dunkelheit gezeichnet. Mit dem Umbau, der vor drei Jahren begann, sollte das seit mehr als 30 Jahren genutzte Bauwerk fortan Orientierung schaffen, Sicherheit garantieren und – als erster Eindruck der Bayerischen Metropole – für Wohlbefinden und ästhetische Erfahrungen sorgen. Die Architekten des Münchner Büros Auer Weber, die Beleuchtungsplaner des österreichischen Unternehmens Bartenbach wie auch die Lichtgestalter von Vogt & Partner zeigen mit zahlreichen Beleuchtungslösungen von Durlum, wie universell die Funktion von Licht sein kann.
Wand mit Gefühl
Für die räumliche Aufteilung des insgesamt 6000 Quadratmeter großen Bereiches orientierten sich die Münchner Architekten an dem Konzept der Straße. So legten sie Verkaufsräume und Servicestellen allesamt auf die Westseite. Die Mittelzone hingegen ließen sie frei, was störende Verschachtelungen vermeidet und für Übersichtlichkeit sorgt. Und auch auf der Ostseite planten sie ein einheitliches Erscheinungsbild. Dort befinden sich nunmehr lediglich Einrichtungen wie Fahrkartenautomaten oder Informationstafeln. Vor einer 132 Meter langen Lichtwand angebracht, entsteht eine stimmungsvolle Beleuchtung und eine beruhigende Atmosphäre. Doch die interaktive Installation, die von Durlum entwicklet und programmiert wurde, kann noch mehr: Über den Tag hinweg verändert sich ihre Farbe, und sobald ein Fahrgast den Automaten bedient, wechselt sie zum jeweiligen Komplementär-Ton.
Das Universum eingefangen
Um das komplette Sperrengeschoss mit all seinen unterschiedlichen Funktionen adäquat zu beleuchten, mussten zahlreiche Lösungen gefunden werden. Als Basis diente hier eine 6000 Quadratmeter große Rasterdecke. Fast 5000 integrierte Spots, die allesamt mit Leuchtdioden ausgestattet sind, schaffen die Grundbeleuchtung, ohne zu blenden. Die Rolltreppen wurden mit Lichtstreifen versehen und mit zusätzlichen Lichtern, etwa an den Handläufen bestückt. So wird die Aufmerksamkeit der Passanten gesteigert und Unfällen vorgebeugt. Eine besondere Maßnahme waren die künstlichen Sonnen, die an den Eingängen Verwendung finden. Mit 16 LEDs ausgestattet, minimieren diese Spots den Kontrast von Tageslicht und künstlicher Beleuchtung und sorgen für einen angenehmen Übergang vom außen nach innen. Wie die Lichtwand passen sie sich an Tageszeit und Besucherströme an, was gleichzeitig hilft, Energie zu sparen.
Funktionale Schönheiten
Während eine punktgenaue Beleuchtung der Infoschilder und des Wegleitsystems die Besucher schnell und unkompliziert an ihr Ziel bringen soll, sorgt eine behutsame Auswahl von Materialien und Farben für einen angenehmen Aufenthalt. Die Architekten wählten neben den zahlreichen Abtrennungen aus Glas, die den Eindruck von Transparenz der gesamten Ebene unterstützen, Bodenplatten aus hellem Naturstein. Sie harmonieren mit den massiven Pfeilern in Sichtbetonoptik wie auch den silberfarben emaillierten Paneelen aus Blech im Bereich der Abgänge.
Sichtbar unsichtbar
Wenngleich das neue Sperrengeschoss des Münchner Hauptbahnhofes auf den ersten Blick futuristisch und technoid erscheinen mag, so ist es doch in hohem Maß an die Bedürfnisse der Besucher angepasst. Die neue Lichtgestaltung musste von zahlreichen Instanzen genehmigt werden. TÜV, Stadtwerke oder Verkehrsgesellschaft – sie alle stellten hohe Anforderungen. Doch auch gestalterisch und architektonisch dürfen sich die Verantwortlichen auf die Schulter klopfen: Zum einen, da Lösungen, wie etwa die LED-Sonnen an den Eingängen, wohl gar nicht bemerkt werden und gerade damit sinnvoll sind. Zum anderen schafft die interaktive Lichtwand ein unverwechselbares Gesicht des sonst unaufdringlichen Designs, das Reisenden sicherlich nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.
FOTOGRAFIE Felix Meyer
Felix Meyer