Berliner Glamour
Der Restaurant-Bar-Club-Hybrid Kink
Das Kink ist mehr als ein beschauliches Prenzlauer-Berg-Lokal. Mit seinen acht Meter hohen Decken, ausgewählten Vintage-Möbeln und zum Teil eigens in Auftrag gegebenen Kunstwerken gleicht es eher einer mondänen Bühne. Doch keine Sorge: Der Ort ist ganz klar im brüchigen Charme der Berliner Nacht geerdet.
Zeitpläne sind derzeit eine relative Sache. Bereits im Januar hat der Barbereich des Kink eröffnet. Das Restaurant sollte ursprünglich nur wenige Wochen später folgen. Doch dann kam Corona und die Welt stand plötzlich still. Seit Juni hat nun die Küche ihren Betrieb aufgenommen. Und Oliver Mansaray und Daniel Scheppan können endlich zeigen, was sie mit diesem Ort vorhaben. „Wir bringen zusammen, was zusammengehört: Küche und Bar. Und das nicht nur räumlich mit einem einzigartigen Ort, in dem sich Restaurant und Bar auf Augenhöhe begegnen. Sondern vor allem, weil wir Koch- und Cocktailkunst zu einem Gesamterlebnis vereinen“, erklärt Oliver Manyaray, der sich zuvor mit dem Restaurant Katz Orange in der Bergstraße in Mitte einen Namen gemacht hat. Als Duo haben sie die neue Food+Drink-Mixtur in den vergangenen drei Jahren mit verschiedenen Pop-Up-Restaurants beim Publikum vorgetestet.
Geschmackliche Allianzen
Das kulinarische Zepter schwingt fortan Chefkoch Ivano Pirolo, der zuvor im Zwei-Sterne-Restaurant Facil als Chef de Partie am Herd stand und europäische Gerichte mit Einflüssen aus Korea, Japan und Peru mischt. Die Bar verantwortet Arun Naagenthira Puvanendran, der sämtliche Drinks in einer Normal- und Long-Version serviert. Die Besonderheit liegt hier im Prozess: Cocktails und Speisen werden zusammen entwickelt – und basieren mitunter auf identischen Ingredienzen. „Bei uns wird nicht nur geschüttelt, gerührt oder geworfen – wir kochen, infundieren, fermentieren und redestillieren“, erklärt der Barmann. „Eines unserer Lieblingswerkzeuge ist der Rotationsverdampfer: Er steht in unserem Labor, gleich neben der Bar, offen für neugierige Blicke. Mit ihm erzeugen wir hauseigene Destillate für einzigartige Drinks und maßgeschneiderte Speisenbegleitung.“
Spiel der Gegensätze
Bei der Gestaltung des 600 Quadratmeter großen Innenraums haben die Hausherren selbst Regie geführt, was im Falle von Daniel Scheppan durchaus nahe liegt, schließlich hat er eine Tischlerausbildung absolviert. Die Wände sind überwiegend unverputzt, jedoch teils mit dunkelgrauer Farbe überdeckt worden. Der industrielle Charme der Räumlichkeiten auf dem Pfefferberg – das ehemalige Brauereigelände diente auch als Brotbäckerei, Druckerei und Lager – ist ebenso erhalten wie die Abnutzungsspuren durch die Zwischennutzungen seit den Neunzigerjahren. Vor allem Konzerte und Parties haben in diesen Räumen stattgefunden, die von einem der Höfe zugänglich sind.
Industriecharme und Glamour
Um nicht allzu sehr ins Klischee zu verfallen, wird der Rauheit gleich ein ganz Bündel an Korrektiven entgegengesetzt. Vorhänge aus petrolfarbenem Samt verbergen die Sitznischen sowie eine vom Jugendstil inspirierte Treppe, die auf ein Mezzanin führt. Moosgrüner und himmelblauer Samt, orangefarbener Cord sowie bunt gezackte Missoni-Stoffe dienen als Bezüge für die Sitzelemente des Sofas Mah Jong – ein von Hans Hopfer entworfener Klassiker von Roche Bobois aus dem Jahr 1971 – das neben der Bar auf einem hölzernen Podest platziert ist. Den Orientcharme dieses Sitzmöbels verstärken mit Kerzen bestückte Messinglaternen.
Farbige Impulse setzen handgearbeitete Berberteppiche, die von Kunsthandwerkern in Marokko für das Berliner Label Berberlin gefertigt wurden. Vintage-Sessel mit Capitonné-Steppung und runde Messingtische mit gläsernen Intarsien schaffen eine opulente Facette. Auch zahlreiche Palmen sorgen für eine Brechung des Industriellen und bringen den Hauch eines mondänen Zwanzigerjahre-Salons ein. Alles, was die Assoziationskette zu historischen Höhepunkten des Berliner Nachtlebens hergibt, ist hier an einem Ort gebündelt.
Hochprozentiger Schaukasten
Die Nacht steht für Interaktion. Und die entzündet sich häufig an einer Bar. Diese okkupiert im Kink einen acht Meter hohen Raum, der vom Restaurantbereich durch eine Wand abgetrennt ist. Der Entwurf für die Bar stammt vom Berliner Designbüro Hidden Fortress. Ihr beinahe quadratischer Grundriss mag ungewöhnlich erscheinen, weil die klassische Typologie der Theke eher ein langes Rechteck impliziert. Doch hier kann man nicht nur außen an der Bar sitzen, sondern ebenso in mehreren Nischen – teils auf Barhockern, teils auf Sitzbänken. Letztere wurden eigens auf Sockel angehoben, damit die Rückenlehnen nahtlos mit der Schankfläche der Bar abschließen. Gäste und Personal vermischen sich. Ein idealer Ort, um auf die Begleitung zu warten und den Raum zu erfahren. Doch vor allem, um Barchef Arun Naagenthira Puvanendran und seinem Team bei der Arbeit zuzuschauen.
Spiegelnde Facetten
Auch die Kunst spielt im Kink eine wichtige Rolle, was an diesem Ort – Ólafur Elíasson und Ai Weiwei haben nur wenige Meter entfernt ihre Studios – natürlich auf der Hand liegt. Direkt über der Bar ist eine speziell für diesen Ort angefertigte Arbeit des Schweizers Kerim Seiler zu sehen: Spaceknot (Pfefferberg), ein riesiges Knäuel aus mehr als 100 Meter langen Neonröhren, die in gedämpfter Lichtintensität für eine warme, angenehme Beleuchtung des großen Saals sorgen. An einer schwarz gestrichenen Backsteinwand hängt die Arbeit Conus des Berliner Künstlers Philipp Eyrich: ein „haariges“ Bündel aus fein geschnittenen Edelstahlstreifen, das mit seinen spiegelnden Facetten an eine exotisch interpretierte Diskokugel denken lässt. Auch dieser Aspekt ist kein Zufall. Im Barbereich des Kink sind regelmäßige Clubabende mit DJs und Livebands geplant.