Berliner Nächte
Grüntuch Ernst Architekten verwandeln ehemaliges Gefängnis in ein Hotel
In einem Hinterhof der Berliner Kantstraße liegt ein verstecktes Idyll: Neben einem üppigen Garten befindet sich der Eingang des Hotels Wilmina – ein von Grüntuch Ernst Architekten transformiertes, ehemaliges Frauengefängnis. Viele Spuren der Vergangenheit machen auf die Geschichte des Ortes aufmerksam.
„Das Gebäude liegt im Inneren eines Häuserblocks verborgen, war jahrzehntelang unzugänglich und vergessen, sodass es nicht einmal die Leute aus der unmittelbaren Nachbarschaft kannten. Wir spürten beim Besichtigen eine gewisse Ambivalenz: Zum einen war da eine Beklommenheit, weil die Gefängnisnutzung noch deutlich lesbar war. Zum anderen hatte das Gelände etwas Verwunschenes, Verstecktes, fast Märchenhaftes. Der Innenhof war völlig überwuchert und so ruhig – nur die Vögel konnte man zwitschern hören. Es war ein Ort der Stille direkt an der so belebten Kantstraße und er hatte eine emotionale Kraft, die wir spürten und freilegen wollten“, erzählt Almut Grüntuch-Ernst, die mit ihrem Mann Armand das gemeinsame Berliner Architekturbüro gründete.
Vom Architekten zum Hotelier
Der ursprüngliche Bauherr, der Grüntuch Ernst Architekten mit einer Planung für das Gebäude beauftragt hatte, gab sein Vorhaben auf, weil das Objekt trotz seines gewaltigen Raumvolumens nur wenig Nutzfläche aufwies und denkmalgeschützt war. „Das Gebäude konnte also nicht abgerissen werden. Zudem waren die Wände einen halben Meter dick, die Fenster an der völlig falschen Stelle. Kurz: Es war mit vielen Problemen behaftet, die nicht unmittelbar lösbar waren. Während der Bauherr bald das Interesse verlor, stieg unsere Neugier. Wir planten dann die Finanzierung und konnten das Grundstück selbst erwerben“, sagt Armand Grüntuch.
Sensible Transformation
Mit der Geschichte des Ortes gingen Grüntuch Ernst besonders sorgsam um. Da während des Zweiten Weltkrieges deutsche Widerstandskämpferinnen im ehemaligen Frauengefängnis inhaftiert wurden, stellte sich für Grüntuch Ernst Architekten zunächst die Frage, ob diese Mauern überhaupt ein Hotel beherbergen könnten. „Wir wollten das Gelände wieder für Menschen öffnen. Im Laufe unserer Arbeit haben wir gelernt, dass es das Beste ist, was einem stark belasteten Ort passieren kann: Dass man ihn nicht ausschließlich museal aufarbeitet, sondern ins Alltagsleben der Stadt integriert“, erklärt Almut Grüntuch-Ernst. Spuren der früheren Nutzung als Gefängnis erhielten die Architekt*innen bewusst und ergänzten zeitgenössisches Flair.
Zimmer mit Zellencharakter
Der schmale Zellentrakt – heute kunstvoll beleuchtet – erstreckt sich über fünf Ebenen. Einige Zellen wurden zu hellen, fließenden Räumen miteinander verbunden, die „Schlafkoje“ ist hingegen nur elf Quadratmeter groß. 44 individuelle Gästezimmer stehen zur Auswahl, darunter ist auch ein 75 Quadratmeter großes Garden Loft. Original erhalten blieben in den Zimmern die Zellentüren sowie die Gitter an den Fenstern. Obwohl die Denkmalbehörde zugestimmt hatte, dass die Gitter entfernt werden dürften, entschieden sich die Architekt*innen anders: „Da durch eine Vergrößerung der Laibung der Blick frei in den Hof führte, störten die Gitter gar nicht mehr. Sie hatten das Beängstigende verloren. Auch die Fassadengliederung des Bestandsgebäudes konnte im Originalzustand erhalten werden“, sagt Armand Grüntuch.
Eleganz und historische Authentizität
Bei der Gestaltung der Innenräume nutzten die Architekt*innen helle Farben, weiche Texturen und warme, hochwertige Materialien, die Leichtigkeit, Ruhe und Offenheit ausstrahlen. „In einigen Zimmern haben wir Spuren der Vergangenheit an Stellen gesichert, auf die man eher zufällig stoßen kann. Am hinteren Treppenhaus haben wir eine Zelle im Originalzustand erhalten. Dort sammeln wir seit Jahren Informationen, um den Besucher*innen Einblicke in die vielschichtige Geschichte des Hauses zu geben“, berichtet Almut Grüntuch-Ernst. Die Historie eines Ortes zu bewahren, ist grundsätzlicher Anspruch der Berliner Architekt*innen, die in ihrer Arbeit individuelle und innovative Lösungen anstreben. Armand Grüntuch erklärt: „Unser Ziel ist es, auf dem Palimpsest der Stadt immer wieder eine neue Zeitspur zu ergänzen, ohne dass die anderen ihre Lesbarkeit verlieren. Das erzeugt eine Vielschichtigkeit, die in einer kulturgeschichtlichen Abfolge von Generationen den besonderen Wert einer Stadt ausmacht. Die Entdeckung der Geschichtsspuren einer Stadt ist spannend – für Berliner*innen und Besucher*innen gleichermaßen.“
Projektname | Hotel Wilmina |
Entwurf | Grüntuch Ernst Architekten |
Bauherrschaft | Grüntuch Ernst Architekten |
Standort | Berlin |
Nutzung | Hotel |