Beton in Patina
Mit Gefühl und Teppichboden: Dieser Getreidespeicher führt jetzt ein zweites Leben als Boutiquehotel und Architekturbüro.
Nouvelle Vague, Riversight oder Silolounge: So heißen die Zimmer des Hotels Speicher 7 in Mannheim. Sie verweisen auf ein Konzept, das andere Unterkünfte schnell langweilig aussehen lässt: In den 1950er Jahren erbaut, diente der Bau als Notgetreidespeicher, stand aber bereits seit mehr als 20 Jahren leer – bis ihn Schmucker und Partner in ein nonchalantes Hotel-, Gastronomie- und Bürogebäude verwandelten.
Direkt am Rhein, zwischen Mannheims Waldpark und einer Containerfläche haben sich nicht nur hunderte von Unternehmen und ein für ganz Europa wichtiger Güterumschlagplatz etabliert. Hier befindet sich auch eine Hauptanlegestelle für Flusskreuzfahrtschiffe, an der jährlich 75.000 Touristen von Bord gehen. Den ungenutzten Getreidespeicher in Hotel, Bar und Restaurant umzuwandeln, lag also nahe. Zugleich sollte seine oberste Etage die Büros der Architekten Schmucker und Partner beherbergen.
Zukunftsbewahrer
Wie aber gelingt ein Umbau, der ganz unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden soll, sich zudem in seine Umgebung integriert und sie gleichzeitig widerspiegelt? Zum einen bedurfte es einer umfangreichen energetischen Sanierung, die eine Photovoltaikanlage, Wärmedämmung und Sonnenschutz umfasste. Doch Andreas, Lothar und Peter Schmucker ging es um weit mehr als um rein funktionale und klimaschonende Aspekte. Sie wollten mit dem fast 7.000 Quadratmeter großen Bau zeigen, dass sich zeitgemäße Energiestandards und eine weitgehende Bewahrung des historisch-industriellen Charakters nicht gegenseitig ausschließen müssen.
Moderne Melange
„So wurde die raumprägende Bestandsstruktur ebenso erhalten wie die Mehrzahl an Originaloberflächen“, berichtet das Team. Die Fassade verkleideten sie mit Corten-Stahl mit seiner reizvollen Patina. Im gesamten Inneren des Gebäudes hingegen gibt der ursprüngliche Beton den Ton an. Ihren Arbeitsräumen auf der weitläufigen, oberen Ebene verliehen die Architekten mithilfe von zahlreichen großen und kleinen Regalen ein klares geometrisches Raster. Mit klassischen Büromöbeln und Leuchten von Artemide setzten sie dort auf Funktionalität, in den Räumen des Hotels ließen sie jedoch ihrer Kreativität freien Lauf. Alle Zimmer wie auch Rezeption, Bar und Restaurant statteten die Schmuckers mit authentischen Vintagemöbeln der 1960er und 70er Jahre aus.
Zeitgemäße Zeitreise
Dazu gesellen sich historische Globen, Landkarten, alte Industrieleuchten, zweckentfremdete Sportgeräte sowie Fotografien, Bilder und Objekte, die allesamt Geschichten aus fernen Ländern und vergangenen Zeiten erzählen. Auch erhielt das Trio hier die originalen Betonwände und -böden. Hinzu kamen viel Holz, Leder, grobe Stoffe und handgefertigte Teppiche. Um diesen Unikaten die volle Aufmerksamkeit zu schenken, bedurfte es keiner effekthascherischer Farben oder Lichtinstallationen. Vielmehr versuchten die Planer, technische Elemente wie die Elektroinstallation möglichst unsichtbar zu integrieren. Das Schalterprogramm E2 von Gira fügt sich dezent ein und lässt das fein aufeinander abgestimmte Arrangement wirken.
Unvergesslich, einzigartig
Jeder Raum besticht durch seine Einzigartigkeit. Doch damit nicht genug. Das Mannheimer Boutiquehotel hat noch ganz andere architektonische Highlights zu bieten: Etwa das Zimmer Riversight, das neben seiner doppelten Fläche und einer außergewöhnlichen Deckenhöhe mit einem Panoramafenster auf den Rhein und einem originalen Betontrichter aufwartet. Hier kann man in Nostalgie schwelgen oder moderne Frachtschiffe beobachten. Vor allem aber die Silolounge hat vermutlich schon so manchen Gast in Staunen versetzt. Hier legten die Architekten das Bad in ein ehemaliges Getreidesilo, das eine Höhe von sage und schreibe zwölf Metern hat.
Mit dieser ungewöhnlichen Lösung zeigen Schmucker und Partner Architekten nicht nur einen sensiblen Umgang mit der historischen Substanz, sondern schaffen auch wahre Raumerlebnisse, die einen Aufenthalt im Speicher 7 mit Sicherheit unvergesslich machen.
FOTOGRAFIE Klaus Hackl
Klaus Hackl