Bewegte Geschichte
Luzerns unkonventionelles Haus am See, gestaltet von Daniel Hunziker

Partner: Girsberger
Das Luzerner Boutique-Hotel Beau Séjour hat sich den schönen Künsten und seiner eigenen Historie verschrieben. Dabei führt es den gehobenen Stil aus der Belle Epoche, der die Bauten in attraktiver Lage unweit des Seeufers prägt, fort – und verbindet Luxus mit ehrlichem Design, guter Unterhaltung und spannender Kulinarik. 2018 wurde es neu eröffnet und nach über hundert Jahren Geschichte auf ein Neues erfunden. Eigens für das Hotel hat Designer Daniel Hunziker Mobiliar entworfen, das für die neue Ära steht und von Girsberger Customized Furniture umgesetzt wurde.
Vor dem „kleinen Grand Hotel“, wie es die Besitzer mit Augenzwinkern nennen, wird anders als bei den pompösen Nachbarn nicht die Schweizer Flagge gehisst. Das Beau Séjour lässt blumige Tapetenmuster in der Brise flattern, die vom direkt vor der Tür liegenden See anbrandet. Das Gebäude wurde 1871 erbaut, 1905 zog die erste Pension ein. Heute hat das Haus 28 Gästezimmer und großzügige Gemeinschaftsbereiche. Der große Belle Époque-Saal ist in Kassettenparkett gekleidet, die Fenster reichen in den hohen Räumen bis unter die Decke und fluten den Raum mit Tageslicht. Gleichzeitig können die Gäste auf den nur einen Steinwurf entfernten See blicken. „Das Hotel ist ein Juwel," findet der Hoteldirektor Manuel Berger. Als es 2018 darum ging, das Haus zu renovieren, stand deshalb auch die Integration der historischen Qualitäten niemals in Frage. Die Historisierung allein wurde hingegen ausgeschlossen. Denn dabei wäre verloren gegangen, was sich in den vielen Betriebsjahren und in vielen Schichten im Haus angesammelt hat.
Von Chintz bis Seventies
Florale Tapeten aus den dreißiger Jahren, knallige Fliesen aus den Siebzigern und Badezimmer, bei denen kein einziges einem anderen gleicht – sie alle sind Zeugen der bewegten Geschichte von Haus und Gästen. Der Zürcher Designer Daniel Hunziker, der mit der Neugestaltung des Interieurs beauftragt wurde, entschloss sich, das Patchwork neu abzumischen und zu einem kreativen Gesamtkunstwerk zu machen. Dabei stand ihm die Künstlerin Nina Staehli zur Seite, die alle nicht in die Möblierung integrierbaren Fundstücke zu Installationen machte und über das Haus verteilte. Alte Fernsprecher, in die Jahre gekommene Wohnaccessoires, Ablagen und Kleiderstangen komponierte sie zu Kunst im Bau. Die Skulpturen sind stille Zeitzeugen, die die Gäste im Laufe ihres Aufenthaltes Stück für Stück kennenlernen. Für diejenigen, die hier absteigen, liegt der Luxus des Hauses in seinen knarzenden Dielen und den liebevollen Details: Wer mit einer Tasse Kaffee auf der Terrasse sitzt oder an einer der regelmäßig stattfindenden Lese-Soirées oder Jazz-Matinées teilnimmt, bekommt den besonderen Charakter des Hotels unmittelbar zu spüren.
Möbel ganz projektbezogen
Bei all der Geschichte war es Daniel Hunziker aber ebenfalls wichtig, mit dem historischen Charme zu brechen. Als Ergänzung zum Bestand und den Zitaten aus der Vergangenheit hat er eine Möbelkollektion entworfen, die das Bindeglied zum zeitgenössischen Design ist. Stilmerkmale des 19. Jahrhunderts finden sich dennoch in den maßgeschneiderten Vierkantstahl-Möbeln mit ihrer modernen Interpretation des Schmiedeeisens. Um den aufgeregten Tapeten keine Konkurrenz zu machen, werden die schwarzen Gestelle von Sitzmöbeln, Leuchten und Tischen nur durch graue Elemente wie Polster oder furnierte Holzplatten ergänzt. Diese lassen sich übrigens ganz ohne Werkzeug zusammenbauen und können als Leichtgewichte innerhalb der Architektur flexibel wandern. So passen die Möbel zu jedem Boden und zu jeder Wand – und werden zum alles verknüpfenden Element des gesamten Interieurs. Als Multitalente sind sie nicht nur in diesem Projekt optimal eingesetzt, daher bietet Girsberger diese Möbellinie als Kleinserie in geringer Auflage an.
Anders als die anderen
Unkonventionell ist das Adjektiv, das einem zu dem Haus mit seiner zentralen Stadtlage, dem phantastischen Seeblick und dem bezaubernden Interieur zuerst einfällt. Für standardisierte Gefälligkeit hat der Hoteldirektor Manuel Berger wenig übrig. Stattdessen bemüht er sich um die inneren Werte. Damit es im Hotel Austausch und Kommunikation unter den Gästen und Besuchern gibt, wurde bewusst auf Zimmerservice verzichtet. Auf dem Dach wohnt eine hauseigene Bienenkolonie, die sowohl am Frühstückshonig als auch an kulinarischen Souvenirs arbeitet. Und in Zukunft soll im Beau Séjour auch noch ein Artist in Residence-Programm etabliert werden, das das Haus ergänzend zu den aktuellen Kulturabenden belebt.
FOTOGRAFIE Mirjam Hiller
Mirjam Hiller
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