Blaue Stunde
Space Copenhagen gestaltet das Restaurant Blueness in Antwerpen

Auf eine Fusion aus japanischer und französischer Küche setzt das Gourmetrestaurant Blueness in Antwerpen. Das Interieur von Space Copenhagen interpretiert formale Klarheit mit gesteigerter Sinnlichkeit – und holt so einen Spätrenaissance-Bau galant in die Gegenwart.
Der schönste Moment des Tages ist die Dämmerung, der Übergang zum Abend. Das Berufliche wechselt ins Private. Termindruck weicht Entspannung – erst recht, wenn kulinarische Genüsse auf dem Programm stehen. Der blauen Stunde eine räumliche Fassung zu geben, ist Space Copenhagen gelungen. Blueness ist bereits das zweite Restaurant, das Signe Bindslev Henriksen und Peter Bundgaard Rützou – die beiden Gründer*innen des dänischen Innenarchitekturbüros – für den 3-Sterne-Koch Sergio Herman in Antwerpen eingerichtet haben. Während der erste Gourmettempel Le Pristine in einem schmucklosen Sechzigerjahrebau residiert, wurde für Blueness ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert neu belebt.
Dualität im Raum
189 Quadratmeter Nutzfläche verteilen sich auf eine Bar im Erdgeschoss sowie ein opulentes Speisezimmer im Obergeschoss. Historische Pracht trifft dort auf wohldosierte Einfachheit. Die raumhohen Fenster werden durch japanisch anmutende Leinenvorhänge abgedunkelt, die mit roten und grauen Rechtecken bedruckt sind. Den Entwurf dazu lieferte die niederländische Künstlerin Mae Engelgeer. Die Vorhänge filtern die Sonnenstrahlen und sorgen für eine gedämpfte, geradezu intime Lichtstimmung. Der Kontakt zum Stadtraum bleibt dennoch bestehen, da das untere Drittel der Fenster offen bleibt. Die Blicke der Gäste wandern durch gusseiserne Gitter nach draußen, die aus der Entstehungszeit des Hauses erhalten sind und sich als dekorative Elemente in den Innenraum übertragen.
Vermöbelte Weichheit
Eine lange Bank spannt sich unterhalb der Fenster sowie an den Wänden des großen Saals entlang. In den Raumecken vollzieht sie sanfte Rundungen. Die warmrosafarbenen Bezüge von Sahco schmeicheln mit flauschigem Griff den Fingern und Augen gleichermaßen. Vor der Bank sind eigens für das Restaurant gefertigte Eichentische mit leicht abgerundeten Ecken platziert. Sie bringen ein unverkennbar skandinavisches Feeling ein. Die Tische werden von gepolsterten Loafer Dining Chairs flankiert, die das Team von Space Copenhagen für den dänischen Hersteller &Tradition entworfen hat. Die rückseitig abgerundeten Polstersessel sind mit sandfarbenem Segeltuch bezogen.
Den Mittelpunkt des Raumes definiert eine Servierinsel, die mit üppig dimensionierten Eckradien an das Space-Age-Design der frühen Siebzigerjahre erinnert. Die Arbeitsfläche ist ebenso wie die Fronten und offenen Ablagen aus Aluminiumguss gefertigt. In den Metalloberflächen spiegeln sich die Farben der Umgebung in diffuser Mattheit.
Harmonie der Gegensätze
Das opulente Speisezimmer im Obergeschoss bietet Platz für 34 Personen. Hinzu kommt die Bar im Erdgeschoss mit weiteren 14 Gedecken. Die Gäste nehmen dort auf Eichenholzhockern aus der Serie Spine Platz, die Space Copenhagen für den dänischen Möbelhersteller Fredericia gestaltet hat. Freistehende Säulen mit Schmuckelementen aus Marmor und Sandstein tragen die historischen Deckengewölbe. Der Unterbau der Bar ist aus tiefrotem Walnussholz gearbeitet. Die Präzision der Handarbeit wird vor allem an den abgerundeten Ecken lesbar. Arbeitsflächen aus gebürstetem Stahl erleichtern Reinigung und Handhabung. Sie setzen der Sinnlichkeit des Holzes eine industrielle Facette entgegen.
Zwischen Mittelalter und Gegenwart
Bei der Inneneinrichtung haben Signe Bindslev Henriksen und Peter Bundgaard Rützou eng mit mehreren Künstler*innen und Designer*innen zusammengearbeitet, die Werke speziell für diesen Ort geschaffen haben. Die Bar wurde ebenso wie die Servierinsel vom Antwerpener Designstudio Destroyers/Builders gestaltet. Die Haupttreppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss verkleidete der lettische Gestalter Germans Ermičs mit kupferfarbenen Paneelen, die beim Hinabsteigen der Stufen von dunklen zu hellen Tönen changieren. Oberhalb der Servierinsel zieht ein skulpturaler Leuchter des niederländischen Künstlers Valentin Loellmann die Blicke auf sich.
Vier kegelförmige Messingplattformen ragen in unterschiedlicher Länge von der Decke in den Raum herab. Die organisch anmutenden Metallebenen sind mit zahlreichen Kerzen gefüllt – wie schwebende Inseln voll flackerndem Licht. Sie entsenden ein weiches, organisches Schimmern in den Raum. Ganz nonchalant oszillieren sie dabei zwischen Mittelalter und Gegenwart. Der historische Lüster wird gänzlich ohne kristallinen Glanz interpretiert. „Die Inneneinrichtung schafft eine sinnliche und eklektische Atmosphäre, die den Gast auf eine genussvolle und spielerische Reise einlädt, bei der Überraschung und Erwartung im Vordergrund stehen“, sagt Peter Bundgaard Rützou. Die Sinne werden ganzheitlich angesprochen – und zwar längst nicht nur zur blauen Stunde.
Projekt | Blueness |
Typologie | Restaurant, Bar |
Kunde | Sergio Herman |
Ort | Antwerpen, Belgien |
Interieur | Space Copenhagen |
Design-Kooperationen | Destroyers/Builders (Bar + Servierinsel) |
Kunst-Kooperationen | Mae Engelgeer (Vorhänge), Valentin Loellmann Lüster), Germans Ermičs (Treppen-Paneele) u.a. |
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