Blick in die Vergangenheit
Umbau eines Altbaus in Barcelona von Raúl Sánchez
Der spanische Architekt Raúl Sánchez lässt bei einem Umbau in Barcelona die alten Wände eines Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Hauses sprechen. Ihre raue Schönheit kombiniert er in seinem Projekt „BSP 20 HOUSE“ mit modernen Einbauten hinter einer denkmalgeschützten Fassade.
Winzig wirkt das schmale Haus in Barcelonas Stadtteil El Born, das eingerahmt von zwei stattlichen Altbauten ist. Der Architekt Raúl Sánchez erkannte dennoch sein Potenzial und baute es im Auftrag eines privaten Bauherrn um. Fast zehn Jahre verstrichen von der ersten Planung bis zur Fertigstellung. Verhandlungen mit dem Denkmalschutz, Herausforderungen beim Bau und eine veränderte Lebenssituation des Auftraggebers, der das Haus für kurze Aufenthalte und zum Arbeiten nutzt, verzögerten den Prozess.
Von der Ruine zum Schmuckstück
„Das Gebäude glich einer Ruine“, berichtet Raúl Sánchez. „Die Bodenplatten waren beschädigt, die Treppen wackelten, einige waren vollständig zerstört.“ Trotz des maroden Zustands wollte der Bauherr so viel wie möglich von der einstigen Pracht des Hauses wiederherstellen. Besonders die alten Wände und die handgefertigten Zementfliesen – typisch für Barcelona – sollten erhalten bleiben. Doch um das Haus heutigen bautechnischen Anforderungen und Wohnkonzepten anzupassen, musste es hinter der nach den Vorgaben des Denkmalschutzes restaurierten Fassade fast vollständig entkernt werden. Lediglich die Dachplatte und die Trennwände blieben erhalten.
Sprechende Wände
Einen Vorteil hatte der langsame und komplexe Bauprozess: Das Wesen des Hauses wurde mit der Zeit sichtbarer und Raúl Sánchez konnte den Ausbau daran anpassen. So stellte sich heraus, dass die Mauern ohne erkennbares Muster aus Ziegeln und anderen Steinen bestanden. Der Architekt ließ sie freilegen und machte sie zu einem ästhetischen Pfeiler des Raumkonzepts. „Diese mehr als 15 Meter hohen Mauern sind ein Museum der Geschichte des Gebäudes, in dem sich alle Spuren seiner Konstruktion wie Bögen, Stürze, Treppen und Balken, aber auch seiner Nutzung finden, zum Beispiel Mörtelreste, Einbauten und Verkleidungen“, sagt Sánchez. „Diese Erinnerung haben wir unverändert und in ihrer ganzen Rohheit freigelegt.“
Schwebende Geschosse
Die drei Stockwerke scheinen zwischen den Mauern zu schweben. Sie berühren die Front- und Rückfassade nicht. Von der Hauptfassade sind sie zudem durch einen Glasstreifen am Boden getrennt, der Tageslicht durchlässt und die jeweils etwa 20 Quadratmeter großen Stockwerke miteinander verbindet. Eine Wendeltreppe als freistehender Zylinder berührt an keinem Punkt die Wände und unterstreicht die überraschende Höhe des schlanken Gebäudes. Sie bietet spannende Blickachsen in die offenen Geschosse.
Sichtbare Leitungen
Im Erdgeschoss befindet sich hinter der markanten Eingangstür aus Aluminium die Küche mit dem Ess- und Wohnzimmer. Eine Etage höher ist das Bad mit der Ankleide untergebracht. Es folgen das Schlafzimmer und eine Terrasse. Verbunden sind die Geschosse durch insgesamt sieben Edelstahlzylinder, in denen der Architekt die Leitungen – unter anderem für Wasser, Strom, Lüftung und den Internetanschluss – verlegte. Bewusst verzichtete er darauf, diese Funktionen in Schächten zu verstecken. Weitere Leitungen verlaufen ebenfalls sichtbar, was den rauen Charakter der Wände hervorhebt. Einbauten wie die Küche mit ihren das Licht reflektierenden Messingfronten sowie einer weißen Arbeitsfläche aus Marmor setzen sich elegant davon ab.
In seinem Projekt BSP 20 HOUSE zeigt Raúl Sánchez einen ungewöhnlichen Weg, den Bestand zu erhalten. Er macht die Spuren der Zeit zum Gestaltungselement, ohne das Haus lediglich nach altem Vorbild wiederherzustellen. Moderne Einbauten bilden einen ästhetischen Gegenpol und heben den Charme des alten Gemäuers umso stärker hervor.
FOTOGRAFIE José Hevia José Hevia
Projektname | BSP 20 HOUSE |
Bauherr | Privat |
Entwurf | Raúl Sánchez |
Team | Valentina Barberio (Architektur), Diagonal Arquitectura (Struktur-Beratung), Marés ingenieros (Bauingenieure) |
Ort | El Born, Barcelona, Spanien |
Fläche | 105 Quadratmeter |
Planung | 2013 - 2019 |
Bauzeitraum | August 2020 - Januar 2022 |
Budget: | 300.000 Euro |