Das narzisstische Haus
Monochromer Innenausbau von Jean Verville in Montreal

Der kanadische Architekt Jean Verville entwirft Häuser jenseits der Norm, die nicht weniger sind als bewohnbare Kunstwerke. Seine verspielte Art, die Bauherr*innen in den Entwurfsprozess einzubeziehen, lässt eine ungewöhnlich autobiografische Architektur entstehen. In Montreal überrascht er nun mit einem konsequent monochromen Innenausbau, dessen rasterartige Struktur die Gewohnheiten der beiden Bewohner nachbildet.
Als das junge Paar Benjamin Boller und Mathieu Denécheau den Architekten Jean Verville mit dem Umbau seines zweistöckigen Reihenhauses im ehemaligen Arbeiterviertel Le Plateau-Mont-Royal beauftragte, begann er mit einer genauen Analyse der Wohnbedürfnisse. Im Fokus standen sowohl die Kompaktheit des 140 Quadratmeter großen Gebäudes als auch die organisatorischen Wechselbeziehungen alltäglicher Abläufe.
Monochromes Duett
Von außen hebt sich der grunderneuerte Klinkerbau durch seine strahlend weiße Fassade von den bauähnlichen Nachbarhäusern ab. Doch erst im Inneren offenbart er seinen wahren und experimentellen Charakter, dessen minimalistische Klarheit Seltenheitswert hat. Der gesamte Innenausbau wurde einheitlich aus Schichtholz errichtet und verzichtet systematisch auf Wanddekoration oder die übliche Zurschaustellung von Alltagsgegenständen. Leuchten wurden als minimalistische, schmale Bänder in die hölzernen Decken und Wände eingelassen. Teile der Böden im oberen Geschoss wurden entfernt, sodass sich über zwei Etagen reichende Lufträume erschließen, die dank großzügiger Fenster viel Tageslicht ins Innere einfallen lassen.
Puristisch wohnen
Im Erdgeschoss lassen sich die Funktionen der Bereiche anhand weniger, monochrom weißer Funktionselemente zuordnen. Dort befindet sich der Wohn-, Koch- und Essbereich, der an einen offenen, nach oben führenden Treppenaufgang angrenzt. Zwei schlichte, von halbhohen Schichtholzwänden umschlossene Küchenblöcke in einheitlich weißem Design ermöglichen das Kochen mit Rundumblick. Zur Gartenseite hin ausgerichtet liegt das Wohnzimmer mit weißem Sofa, zur Straßenseite der Essbereich mit weißem Esstisch. Im zweiten Geschoss sind zwei Schlafzimmer und ein Badezimmer untergebracht, das konsequent bis ins letzte Detail – von den Fliesen über das Waschbecken bis hin zu den Armaturen – in Weiß gehalten wurde. Allein die wechselnden Lichtverhältnisse sorgen für eine gewisse Dynamik und Wandelbarkeit der puristischen Räume.
Jean Verville vermag mit jedem seiner Projekte aufs Neue zu überraschen. Mit dem MB House zeigt er, wie weit sich ein konventionelles Reihenhaus von tradierten Wohnvorstellungen entfernen kann, ohne dabei an Komfort einzubüßen. Benjamin Boller und Mathieu Denécheau genießen das Privileg eines skulpturalen Rückzugsortes, der vollkommene Ruhe von der optischen Überreizung der Außenwelt bietet.
FOTOGRAFIE Maxime Brouillet Maxime Brouillet
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