Der Himmel unter Frankfurt
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Geld zieht Geld an, so heißt es. Ähnliches gilt wohl für die Kunst: Das Städel-Museum in Frankfurt am Main, eine der renommiertesten deutschen Kunstinstitutionen, benötigte dringend mehr Platz für die ständig wachsende Sammlung. Das Frankfurter Büro schneider + schumacher realisierte unter dem Garten des Bestandsgebäudes einen Erweiterungsbau, in dem nun die Gegenwartskunst untergebracht ist. Die Besonderheit der Lage stellte an die Lichtplaner besondere Anforderungen: Gemeinsam mit dem Planungsbüro Licht Kunst Licht und Zumtobel entwickelten die Architekten ein Konzept, das eine optimale Beleuchtung der Kunstwerke ermöglicht – und dabei das Gebäude selbst zum Blickfang macht.
Botticelli, Rembrandt, Matisse, Monet ... Im Städel-Museum versammeln sich namhafte Repräsentanten aus 700 Jahren europäischer Kunstgeschichte, vom 14. Jahrhundert bis heute. Ihr Entstehen verdankt die Institution dem Frankfurter Kaufmann und Bankier Johann Friedrich Städel, der im Jahr 1815 seine umfassende private Sammlung zum Grundstock des Museums machte: Heute zählt das Städelsche Kunstinstitut zu den ältesten Kunstmuseen Deutschlands. Seit 1907 ist im Städel auch die Sammlung der Städtischen Galerie integriert, derzeit umfassen die Bestände rund 2.900 Gemälde, 600 Skulpturen, 500 Fotografien und über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken. Die erforderliche Erweiterung nutzen die Museumsleute, um gleich auch die Sammlungen neu zu strukturieren: Der sanierte Altbau am Mainufer beherbergt die neu zusammengestellten Abteilungen „Kunst der Moderne“ und „Alte Meister“. Enorm ausgebaut wurde im Verlauf der letzten Jahre die Sammlung der Gegenwartskunst: Max Hollein, Direktor des Museums, konnte zahlreiche Dauerleihgaben von Banken einwerben: 600 Arbeiten, darunter zahlreiche Druckgrafiken, hat allein die Deutsche Bank dem Städel überlassen – hinzu kommen 220 Werke aus der Sammlung der DZ Bank. Die Sammlung findet in einem unterirdischen Erweiterungsbau Platz, der von dem Frankfurter Büro schneider + schumacher realisiert und kürzlich eröffnet wurde.
Blick in die Unterwelt
Das Projekt stellt die größte architektonische und inhaltliche Erweiterung in der Geschichte des Städel Museums dar. Der Erweiterungsbau unter dem Garten des Altbaus verdoppelt mit seiner Fläche von rund 3.000 Quadratmetern den Umfang der Sammlungspräsentation. Insgesamt fanden etwa 1.200 Werke ihren Weg in die Sammlung „Gegenwartskunst“ – bei dem Großteil der aktuell mehr als 300 ausgestellten Werke handelt es sich um Neuzugänge der letzten sechs Jahre.
Von oben deutet sich die unterirdische Kunstwelt durch zwei gestalterische Mittel an: Die begehbare, annähernd quadratische Rasenfläche wölbt sich zur Mitte hin leicht auf. 195 kreisrunde Oberlichter von unterschiedlichem Durchmesser verteilen sich in regelmäßigen Abständen über die Fläche: Tagsüber versorgen sie die darunter liegenden Ausstellungsräume mit natürlichem Licht, bei Nacht bilden sie ein Muster aus leuchtenden Punkten an der Oberfläche des begehbaren Gartens. Von unten betrachtet scheint die frei gespannte Decke durch ihren Schwung nach oben – die Raumhöhe misst am höchsten Punkt 8,2 Meter – als würde sie schweben. Die Trennwände, welchen den riesigen Saal in kabinettartige Ausstellungsräume unterteilen, enden unterhalb der Decke, was die optische Leichtigkeit des Raumeindrucks erhöht – das Büro Kuehn Malvezzi zeichnet für die Architektur der Sammlungspräsentation verantwortlich.
Das Leuchten der Kunst
Die Beleuchtung von Kunstwerken ist mit besonderen Herausforderungen verbunden – Ziel ist nicht nur ein harmonischer Raumeindruck, sondern auch der konservatorische Umgang mit den ausgestellten Werken. Das Beleuchtungskonzept im Neubau des Städel entwickelte sich unmittelbar aus dem architektonischen Konzept heraus – und beruht auf einer engen Zusammenarbeit der Architekten mit den Lichtplanern von Licht Kunst Licht (Bonn/Berlin) und dem Unternehmen Zumtobel, das mit der Beleuchtung von Kunst bereits viel Erfahrung hat. „Unsere Aufgabe war es, die komplexen Anforderungen anter anderem an die Lichtqualität, die Farbwiedergabe und die Beleuchtung unter konservatorischen Aspekten mit einer ganzheitlichen Lichtlösung zu beantworten“, sagt Reinhardt Wurzer, Leiter International Projects, Zumtobel Lighting. „Durch die Kombination von intelligenter Steuerung mit modernster LED-Technologie konnten wir ein absolut individuelles und anpassungsfähiges Beleuchtungskonzept erstellen, das jederzeit bestes Licht für uneingeschränkten Kunstgenuss ermöglicht.“
Leuchtende Scheiben
Zentrales Gestaltungselement sind die kreisförmigen Oberlichter mit Durchmessern von 1,5 bis 2,5 Metern – sie versorgen den Raum wahlweise mit Tageslicht und/oder Kunstlicht. Umlaufend befindet sich ein Ring aus LED -Elementen, bestückt mit warmweißen (2700K) und kaltweißen (5000K) LEDs. Den unteren Abschluss der Oberlichter bildet ein Diffusorfoliensystem.Eine gezielte Beleuchtung einzelner Räume ist möglich, obgleich die Trennwände nicht bis unter die Decke reichen. Die LED-Leuchtmittel erlauben eine gerichtete Beleuchtung und eine klare Abgrenzung gegen die Umgebung, wodurch virtuelle Räume entstehen. Auch innerhalb eines Raumes ist die selektive Beleuchtung einzelner Bereiche kein Problem: So können Arbeiten gänzlich unterschiedlicher Natur unmittelbar nebeneinander ausgestellt werden. Jedes Oberlicht lässt sich einzeln ansteuern, bei Bedarf können speziell angefertigte Arcos-LED-Projektionsstrahler mit verschiedenen Optiken an den Oberlichtern montiert werden.
Für die Steuerung der Beleuchtung kam Zumtobels Lichtsteuerungsprogramm Luxmate Professional zum Einsatz. Ein Tageslichtmesskopf auf dem Dach des Museumsgebäudes misst kontinuierlich die aktuelle Außenhelligkeit und leitet die Werte an das Lichtmanagementsystem weiter – auf dieser Basis erfolgt die Austarierung der Lichtintensität in Abstimmung mit dem jeweiligen Tageslichteinfall. Integrierte, bewegliche Lichtminderungssysteme in Form von Rollos sorgen zudem für den Lichtschutz der Exponate: Sie ermöglichen eine vierstufige Reduzierung des Tageslichteinfalls bis zur kompletten Verdunklung. Als Teil des Lichtsteuerungssystems lassen sich auch die Rollos je nach Sonnenstand und Außenhelligkeit flexibel justieren. Zusätzliche innen liegende Lichtsensoren verzeichnen Abweichungen in der Steuerung, wie beispielsweise Laub auf den Oberlichtern. Das Lichtkonzept ermöglicht somit zu allen Tageszeiten und bei allen Wetterbedingungen eine gleichmäßige und schonende Beleuchtung der Kunstwerke.
Licht verbindet
Am Erweiterungsbau des Städels lässt sich die enge Zusammenarbeit zwischen Architekten und Lichtplanern deutlich ablesen. Die Räumlichkeiten sind als Rahmen für die Kunstwerke konzipiert, setzen aber auch selbst visuelle Akzente. Obwohl die Ausstellungsflächen unter der Erde liegen, machen sie sich auch an der Oberfläche bemerkbar, die Decke des Saales wird zum Bindeglied zwischen den Welten: Die Wölbung der Rasenfläche wirkt, als ob die Kunst an die Oberfläche drängen wollte, die Oberlichter verstärken den beabsichtigten Effekt – die optische Durchdringung von unten und oben.
FOTOGRAFIE Norbert Miguletz
Norbert Miguletz
Links
Städel Museum
www.staedelmuseum.deschneider + schumacher
www.schneider-schumacher.deZumtobel
www.zumtobel.comMehr Projekte
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