Diamantenhaus
Was dieses Künstleratelier in Schottland mit einem italienischen Palast zu tun hat.

Das Briefing für dieses Künstleratelier klang simpel: ein heller Arbeitsort, der eng mit seiner Umgebung verbunden ist. Auf den ersten Blick sieht das kleine Blechhäuschen an der Westküste Schottlands auch genau so einfach aus. Doch tatsächlich schufen die Architekten von Studio Weave eine bis ins Detail durchdachte Studio-Architektur, die buchstäblich von Wasser und Licht durchdrungen wird.
Malerischer könnte die Lage auf der Halbinsel Kintyre kaum sein: eine liebliche Landschaft mit grünen Wiesen, direkt zwischen Strand, Granitfelsen und einem wilden Bachlauf. Dort, auf einer Fläche von lediglich 25 Quadratmetern, platzierten die Londoner Architekten einen winzigen, eingeschossigen Baukörper, der scheinbar aus zwei separaten, jeweils mit Satteldach gekrönten Teilen besteht und nur zu Hälfte im Boden verankert ist. Der andere Teil hängt förmlich in der Luft. Erst bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das schwebende Häuschen als Einheit aus zwei gegeneinander verschobenen Elementen. Eine Ecke kragt aus über über den kleinen Bachlauf: Hier darf buchstäblich die Natur den Ton angeben – visuell wie akustisch.
Italienisch inspiriert
Auch, wenn die Landschaft durchaus romantisch erscheinen mag, das Wetter der Region ist harsch, Wind und Regen prägen das Klima. Für die Fassade des Neubaus war daher ein langlebiges Material gefragt. So fiel die Wahl auf Zinkbleche, die mit der Zeit eine reizvolle Patina annehmen und sich dezent in die Natur einfügen sollten. Zugegeben, ein eher unprätentiöser Werkstoff, der sonst eher bei Werkstätten, Garagen oder alten Wohnwagen Verwendung findet, doch ließen sich die Planer an dieser Stelle keineswegs von ähnlich praktischen Bauwerken inspirieren. Ganz im Gegenteil: Italienische Prachtbauten wie der Palazzo dei Diamanti in Ferrera standen Pate.
Kleines Juwel
Von den diamantenförmigen Marmorsteinen im Mauerwerk, die ihm auch seinen Namen verliehen, leiteten die englischen Planer ein Muster aus Kreuzen und Rauten ab, das sie in die Bleche prägen ließen. Schon von weitem hat der Bau eine markante grafische Wirkung. Das Inneren ist komplett mit Platten aus Multiplex verkleidet, die sich, sollten sie irgendwann einmal stark mit Farbe beschmutzt sein, wie eine Tapete einfach abnehmen und erneuern lassen, so die Planer. Und auch sonst blieb die Einrichtung eher natürlich und funktional: Simple Holzmöbel, ein schlichtes Regal und ein in die Wand integrierter Arbeitsbereich bestimmten das Interieur.
Lediglich behutsam arrangierte Fenster sollen gezielt den Blick auf bestimmte Teile der Landschaft lenken. Wichtiger waren dem Bauherren neben einer ruhigen, unaufgeregten Raumwirkung viel gleichmäßiges Licht aus Richtung Norden, das mit einer Sequenz von drei Dachfenstern eingefangen wird. Hinzu kommen noch mehrere kleinere, quadratische Öffnungen in der nördlichen Hälfte des Häuschens. Im anderen, nach Süden ausgerichteten Teil wurde hingegen fast gänzlich auf gewöhnliche Fenster und Türen verzichtet. Stattdessen öffneten die Planer den Bau an einer Stelle, die man von außen kaum erahnt und die erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird.
Wassermusik
Der Arbeitstisch befindet sich in dem Gebäudeteil, der oberhalb des Baches frei in der Luft schwebt. In diese horizontale Fläche schnitten Studio Weave eine fast zwei Meter langes, trapezförmiges Loch in das Holz für die Durchsicht nach unten, direkt auf den Bach und eine kleine vorgelagerte Brücke. Nicht nur, dass der Bauherr so – während der Arbeit – eine wahrlich traumhafte Aussicht auf Gewässer, Steine und Vegetation genießt. „Dieses nach unten gerichtete Fenster überträgt auch eine ganz besondere Lichtstimmung in den Innenraum“, so die Architekten. Das Wasser sorge für ständig wechselnde Atmosphären und reflektiere einen eigentümlichen, blaugrünen Schimmer in den Raum. Und sogar akustisch nehme man den Bach wahr: „Damit wird das Innere des Gebäudes das ganze Jahr über mit den Geräuschen der Wellen, dem Regen und dem kleinen Bach ausgefüllt.“ Mit diesem Künstleratelier zeigt sich: Auch mit einfachsten Mitteln kann ein durchaus effektvolles Gebäude gelingen.
FOTOGRAFIE Johnny Barrington
Johnny Barrington
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