Dolce Vita in Denkendorf
Multifunktionales Restaurant-Interieur von Ippolito Fleitz
Im ländlichen Baden-Württemberg ist ein neuer Unternehmens-Campus entstanden, der zeitgemäßes Arbeiten bis in die Mensa denkt. Denn das angebundene Restaurantkonzept versteht gute Kulinarik auch als Bürodienstleistung. Lounge, Essbereich und Vinothek sollen Bildschirmarbeiter zum Wurzelnschlagen motivieren – vom Espresso-Päuschen bis zum Feierabend-Getränk.
City of Visions hat der Initiator, der Teppichproduzent Object Carpet, das Projekt in Denkendorf getauft. Unternehmen aus der ganzen Region und aus verschiedenen Sparten sollen unter einem Dach zusammenkommen, Synergien nutzen und Netzwerke knüpfen. Und das funktioniert erfahrungsgemäß am besten informell und in entspannter Atmosphäre. Deshalb ist das italienische Restaurant La Visione, das das Erdgeschoss des Co-Working-Hauses bezogen hat, nicht nur als gastronomischer Dienstleister, sondern auch als Ausweitung der Arbeitszone gedacht. Wohnlich und farbenfroh wird das kulinarische Erlebnis visuell fortgeführt. Entworfen wurde das Konzept vom Logo über die Speisekarte bis zum Interieur von Ippolito Fleitz, ihres Zeichens Spezialisten für konsequente Identitäten.
Material-Patchwork aus Teppich und Damast
70 Sitzplätze auf 163 Quadratmetern und eine Sonnenterrasse bietet der Italiener. Der Gastraum selbst ist in mehrere, aufeinander folgende Zonen unterteilt. Zuerst betritt der Gast die Lounge. Sessel und Sofas möblieren den fensterseitigen Bereich, während gegenüber ein großer Tresentisch mit Barhockern Kollegen oder Fremde gesellig zusammenbringt. In die mit Lamellen akustisch beruhigte Decke sind Plattformen mit Pflanzen und Leuchten als Zwischenebene eingelassen und ein schmales Wandelement wurde zentral als bewusster Störer in die Sichtachsen zwischen den Tischen gestellt. Dadurch entstehen zwischen Blättern und Wänden trotz der großzügigen Fläche privatere Momente mit einem gedämpften Geräuschpegel. Hinter der Lounge verschlankt sich der Raum zu einem langen Korridor, dem eigentlichen Essbereich. Während das Mobiliar hier in Reih und Glied steht, ist der Raum als atmosphärisches Abenteuer inszeniert. Farben und Materialien treffen ebenso aufeinander wie Düfte und Klänge, die Einsicht in die Küche und die Aussicht auf den Stadtraum.
Speisen hinter dem Farbfilter
Die Rauminszenierung spielt mit Ebenen. Schon der Übergang von der Lounge in den Gastraum wird durch eine rosa getönte Trennscheibe markiert, die wie eine visuelle Schleuse funktioniert. Die Wände im dahinter liegenden Speiseraum sind mit einer textilen Collage verkleidet, in der Materialien wie Teppich, Sackleinen und Cord kombiniert werden. Nur ein großes Fenster zur Küche durchbricht die Installation. Wie in einem Aquarium können die Gäste den Köchen bei der Arbeit zusehen und die Zubereitung ihres Tellers verfolgen. Regie über die Kochtöpfe führen Daniele Ciccarone und Vincenzo Pepe. Die beiden Köche kennen sich seit ihrer Kindheit und vergleichen sich selbst augenzwinkernd mit Bud Spencer und Terence Hill. Ihre Herkunft Süditalien ist das Thema der Speisekarte, diente Ippolito Fleitz aber auch als Inspiration für Typo und Logo. Die weichen und warmen Farben sollen an sonnige Regionen erinnern. Farben wie leuchtendes Blau, sandige Beigetöne und kräftiges Terrakotta wirken in der Kombination mutig und modern.
Wo sich Arbeit und Pause guten Appetit sagen
Auf tiefes Schwarz setzt der letzte Raum des La Visione, der sich mit einer Glastür vom lebendigen Geschehen im Gastraum abgrenzt. Wände und Decke reflektieren hochglänzend die grafische Lichtinszenierung aus farbigem Lochblech und Neonröhren. Weinregal und -kühlschrank verschwinden im grenzenlos erscheinenden Dunkel. Die Vinothek ist ein Rückzugsort für die ruhigeren Momente und für geschlossene Gesellschaften. Oder eben die letzte gemeinsame Runde, in der die Kollegen den Abend ausklingen lassen. Durch die Anbindung an den Campus ist das Restaurant La Visione nicht nur ein Ort für den Mittagstisch, sondern auch eine Ausweitung der Schreibtischzone. Die Gäste sind ausdrücklich eingeladen, es sich im Lounge-Bereich des Restaurants länger gemütlich zu machen und hier zu arbeiten. Das Restaurant wird zum Treffpunkt und zum Co-Working-Space – und am Ende des Tages zur Feierabendbar. Das Restaurant soll nicht nur ein Ort zum Sattwerden sein, sondern auch einer, an dem eine dynamische Interaktion entsteht.
FOTOGRAFIE Zooey Braun
Zooey Braun
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