Drama im Wunderland
Restaurant Cinnamon von Kingston Lafferty Design in Pastellfarben

Was passiert, wenn eine Konfiserie, eine Diskothek und ein Jugendstil-Café eine Liaison eingehen? Eine Antwort darauf liefert das Restaurant Cinnamon in Dublin. Im Interieur von Kingston Lafferty Design wird nicht nur gespeist: Es wird in eine Traumwelt abgetaucht.
Wir sind alle Kinder – ganz gleich welchen Alters oder welcher Größe. Wir wollen staunen, die Welt mit anderen Augen betrachten. Das ist vielleicht nicht jedem bewusst. Und doch schlummert dieses Bedürfnis in uns – es muss nur von Zeit zu Zeit wieder neu stimuliert werden. In den Genuss dieser Übung kommen die Gäste des Restaurants Cinnamon in Ballsbridge, einem vornehmen Stadtviertel in Dublin, wo zahlreiche Botschaften ihren Sitz bezogen haben. Es ist die dritte Dependance der gleichnamigen Kette, die bereits in den Stadtteilen Ranelagh Village und Monkstown präsent ist. Während die räumlichen Auftritte dort eher bodenständig-rustikal sind, darf es nun umso theatralischer sein. Das Interieur entführt in eine Traumwelt, die von überdimensionalen Dropsen und Lollipops bevölkert wird und selbst gestandenen Erwachsenen ein kindliches Lächeln entzaubert.
Gezuckertes Farbschema
Der Ort diente einst als unscheinbarer Verkaufsraum, wo keinerlei Rücksicht auf bauliche Besonderheiten genommen werden musste. Und das hieß: Carte Blanche für die Innenarchitektin Róisín Lafferty, die 2010 ihr Büro Kingston Lafferty Design (KLD) in Dublin gegründet hat und heute zu den gefragtesten Namen auf der Grünen Insel zählt. Sie verordnete dem neuen Restaurant eine pastellene Farbpalette, die sich an köstlichen Nachspeisen orientiert – einer Spezialität des Restaurants, das in den Nachmittagsstunden als Café dient und am frühen Abend eigens für Kinder abgestimmte Menus anbietet.
Ein blasses, leicht schlammiges Hellgrün bestimmt den abgerundeten Bartresen, der vollständig gekachelt ist und von einer Platte aus graugrünem Marmor gekrönt wird. Derselbe Farbton findet bei der gekachelten Rückwand der Bar sowie beim Großteil der hölzernen Tische Verwendung. Die linke Seitenwand ist in einem hellen Blau gehalten. Weiter hinten im Raum kommt ein deutlich dunklerer Blauton bei der Innenverkleidung eines Gläserregals sowie beim Durchgang zu den Toiletten zum Einsatz. Die Decke mit offen liegenden Kabelschächten und Rohren ist in einem gedeckten Rotton gehalten, der zwischen Bordeaux und Brombeere changiert und in sämtlichen Stühlen und einigen Sitzbänken ein Echo findet.
Kalkulierter Höhensprung
Um die 169 Quadratmeter Grundfläche besser auszunutzen, wurden Küche und Servicebereiche in einem neu eingezogenen Zwischengeschoss platziert. Diese Ebene füllt mit 73 Quadratmetern nur die hintere Hälfte des Raums, während die vordere ausgespart wurde. Indem das Zwischengeschoss in Richtung Straße vollflächig verspiegelt wurde, löst es sich optisch auf – und verstärkt zugleich die Raumwirkung des vorderen Teils. „Die Wand des Haupteingangs ist absichtlich auf doppelter Höhe gehalten, um Drama zu erzeugen“, sagt Róisín Lafferty.
Der Höhensprung sorgt für eine unterschiedliche Lichtverteilung. Der hohe Bereich wird von viel Tageslicht erhellt, das durch runde Wandspiegel verstärkt wird. Der niedrigere Teil des Raumes orientiert sich zur Rückseite und ist folglich deutlich dunkler und intimer gehalten. In einer Sitznische sind Wände und Decke mit einer Jugendstiltapete verkleidet, deren Farbschema mit dem hellgrünen Tisch korrespondiert. Die eingebaute Sitzbank sowie die eigens angefertigten Stühle warten mit ledernen Sitzbezügen und samtbezogenen Rückenlehnen auf. Auch sie sind im selben Bordeaux-Ton gehalten wie die Decken und die Sitzmöbel im Vorderraum – und setzen so einen wohlig-warmen Gegenpol zum frischen Pastell.
Lollipops und Dropse
Auch die Gäste werden in die Inszenierung einbezogen – durch eine Verschiebung der Größenverhältnisse. „Wir wollten den Effekt eines Puppenhauses erzeugen, bei dem sich die Gäste wie Miniaturen fühlen“, sagt Róisín Lafferty, die seit Juli 2019 parallel zu ihrem Studio das Institute of Designers in Ireland leitet. Die großformatigen Spiegel an der hellblauen Seitenwand lassen an Wandmodule von Verner Panton und die bassdurchtränkten Nachtclubs der Disko-Ära denken. Andere Kreiselemente sind mit matttürkisem Stoff überzogen und wirken wie überdimensionale Dropse oder Knöpfe. In der Nische mit der Jugendstiltapete hängt eine Leuchte, die an eine riesige Zuckertüte aus einer Konfiserie für Giganten erinnert.
Im vorderen Teil des Raumes werden mattweiße Kugelleuchten von schlanken, mittig platzierten Füßen angehoben – und erwecken Assoziationen an aufsteigende Luftballons oder überdimensionale Lollipops. „Wir hatten einen unbeschwerten, kindlichen Raum im Sinn, der einen klaren Eskapismus-Moment erzeugt“, bringt Róisín Lafferty die Wirkung auf den Punkt. Ein Ort, der gewiss keinen neutralen Rahmen bietet, sondern einfach gute Laune machen soll. „Wir glauben, dass gutes Design Emotionen auslösen kann bei denen, die es erfahren. Gutes Design kann einen positiven Einfluss auf das Verhalten und die Attitüden der Menschen haben“, ist Róisín Lafferty überzeugt. Mit dieser pastellfarbenen Traumlandschaft ist ihr das spielend gelungen.
FOTOGRAFIE Ruth Maria
Ruth Maria
Entwurf | Kingston Lafferty Design (KLD) |
Standort | Dublin, Irland |
Art | Umbau |
Fläche | 242 Quadratmeter |
Anzahl Plätze | ca. 70 Personen |
Fertigstellung | 2020 |
Möbel + Leuchten | Sonderanfertigungen, Design KLD |
Mehr Projekte
Blickfang Manhattan
Holloway Li gestalten Private-Member-Club in New York City

Café im Palazzo
Wie AMAA mit dem Caffè Nazionale den Charme des Unvollendeten feiert

Basler Bankgeheimnis
Herzog & de Meuron erfinden das Grand Hotel Les Trois Rois neu

Urbaner Abschlag
Industriell geprägter Indoor-Golfplatz Muni in Montreal von Ivy Studio

Geschichtsträchtige Oase
Parkhotel Mondschein mit Bar und Restaurant Luna in Bozen von Biquadra

„Material mit Identität behält immer seinen Wert“
Restaurant Kramer in Berlin-Neukölln von Thilo Reich

Aalto forever
Fyra gestaltet den Besucherbereich der Finlandia-Halle von Alvar Aalto in Helsinki neu

Handwerk statt Hektik
Das Designstudio loeserbettels gestaltet die Nomad Bakery in Chemnitz

Genuss unter Freunden
Restaurant Ninyas in Mexiko-Stadt von Ignacio Urquiza Arquitectos

Ein Eiscafé wie ein Dessert
Das Affogato von kaviar:collaborative in Mumbai

Feuer und Fermentation
Koreanisches Restaurant Odem in Singapur von Nice Projects

Alternative zum Büro
Kafeterija in Belgrad von KIDZ

Wohnliche Aussichtstürme
Elva Hotel in Norwegen von Mange Bekker Arkitektur

Gestaltung in Gewürztönen
Restaurant-Interior für das Hamburger Authentikka von Studio Lineatur

Meer auf dem Teller
Restaurant Hav & Mar von Atelier Zébulon Perron in New York City

Digestif in der Raumkapsel
Restaurant Kinkally mit Kellerbar von Da Bureau in London

Geschmackvolle Pausenräume
Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Zwischen Himmel und Fjord
Schwimmendes Restaurant Iris in Norwegen von Norm Architects

Rot und roh
Rum-Bar Campana del Rey in München von Buero Wagner

Harte Schale, weicher Kern
Keyu Café von Fabian Freytag am Berliner Tacheles

Gestaltung mit Rhythmus
Bursa Bar in Kiew mit japanischen Stilreferenzen von Nastia Mirzoyan

Mit Stil und Textil
COCC. hat das traditionsreiche Seegerhaus in St. Gallen restauriert

Zwischen Erbe und Erneuerung
JKMM Architects und Fyra haben Alvar Aaltos Haus der Kultur in Helsinki umgebaut

Sommerfrische reloaded
Das Eierhäuschen in Berlin wird zum Spreepark Art Space

Tanzen mit OMA
Nachtclub Klymax auf Bali in Kooperation mit DJ Harvey

Bitte lächeln
Einladendes Café in Athen von Karn Studio

Bar eines Handlungsreisenden
Neuinterpretation eines Bruin Cafés in Amsterdam von Studio Modijefsky

Urbanes Wohnzimmer
Teehaus Basao Panji in Xiamen von Building Narrative

Bunter Knallbonbon
Experimentelle Eisdiele in Nürnberg von MEKADO

Zurück in die Zukunft
Umbau und Erweiterung des Traditionshotels Zum Hirschen in Salzburg
