Ein Template für die Modewelt
Concept-Store von Gonzalez Haase in Lissabon

Wie gewinnt man die heiß umkämpfte Kaufkraft der Millennials? Angesichts des rasanten Strukturwandels im Handel treibt diese Frage selbst etablierte Luxusmarken um. In Lissabon haben die beiden Fashion-Experten Rune Park und Robby Vekemans eine wegweisende Antwort formuliert. Ihr minimalistisches Storekonzept, das Designermode und Objekte im kuratierten Wechsel präsentiert, trägt die charakteristische Handschrift des Berliner Studios Gonzalez Haase AAS.
Das industriell geprägte, ehemalige Hafenviertel Marvila galt die längste Zeit als Anti-Ort irgendwo dazwischen. Heute ist die Lissaboner Peripherie unweit des ehemaligen Expo-Geländes ein Hotspot für Kreative, dessen Wandlungsprozess von Kunstgalerien, Food Stores und Co-Working-Spaces begleitet wird. Versteckt in einem Komplex alter Lagerhäuser befindet sich hier der neue, von Judith Haase und Pierre Jorge Gonzalez gestaltete Concept-Store TEM-PLATE. Einzig ein puristischer Schriftzug auf dem grauen Hallentor weist darauf hin, dass sich hinter der unaufgeregten Fassade eine kommerzielle Nutzung verbirgt.
Minimal Shopping
Kein Zweifel: Dieser Ort möchte entdeckt werden. Wie ein Filter wirkt dabei der massive gelbe PVC-Vorhang, der die 800 Quadratmeter große Halle von der Außenwelt abschirmt. Innen empfängt den Besucher eine nahezu monumentale Weite. Die geometrische Struktur der Kassettendecke wird durch Lichtbänder unterstützt, deren Abstände sich zum Ende des Raumes hin verkürzen und die für eine homogene, kühle Ausleuchtung der gesamten Verkaufsfläche sorgen. Im Zentrum befindet sich ein deckenhohes, kreisförmiges Gestänge, das die Funktion eines überdimensionalen Kleiderständers erfüllt. Vereinzelte Stellwände, Hocker und Regalsysteme bespielen den Raum und verleihen ihm einen flexiblen Bühnencharakter. Hinter einer Vorhangfassade aus silbergrauem Polycarbonat verstecken sich auf der Rückseite separate Dienstleistungsflächen.
Zusammenspiel der Gegensätze
Unverkennbares Markenzeichen der Berliner Architekt*innen ist das geschickte Zusammenspiel hochwertiger und einfacher Materialien. Spanplatten blitzen unter ihrer schimmernden Verkleidung aus silbernem Thermovlies hervor, unbehandelte Aluminiumbleche präsentieren ihren Produktcode. Glatte und raue, spiegelnde und matte Flächen bilden einen in seiner Reduktion markanten Rahmen für die monatliche Neu-Kuration der Einzelstücke und limitierten Sondereditionen angesagter Labels wie Thom Browne, Raf Simons, Burberry oder Loewe. Kunstwerken gleich werden sie in geringer Anzahl im Raum platziert und über ein Multichannel-Marketingkonzept an die zahlende Kundschaft gebracht.
Obwohl die dänisch-belgischen Inhaber ihren Verkauf vor allem online generieren, erzielen sie durch dieses minimalistische, äußerst fotogene Gesamtkunstwerk einen unschätzbaren Imagegewinn. Spätestens, wenn das nebenan entstehende Luxus-Wohnprojekt von Renzo Piano bezugsfertig wird, könnte sogar die unmittelbare Nachbarschaft mit der online angezielten Kaufkraft mithalten. Obwohl das paradoxerweise bedeuten sollte, dass es langsam Zeit für einen Umzug wird – zu irgendeinem Anti-Ort, der den schleichenden Prozess der Gentrifizierung erst noch durchlaufen muss.
FOTOGRAFIE Thomas Meyer / Ostkreuz
Thomas Meyer / Ostkreuz
Mehr Projekte
Schauraum im Schankraum
Bristoler Braustube von Studio B

Griechischer Garten
Ferienhütte im Grünen von Alexandros Fotakis und Nicoletta Caputo

Raum für die Natur
Das kykladische Piperi House von Sigurd Larsen

Griechische Moderne
Designhotel Ammos auf Kreta

Literarischer Pool
Water Drop Library von 3andwich Design im chinesischen Huizhou

Geschenkte Patina
Atelier Raumfragen gestaltet das Berliner Restaurant Ryke

Holznest mit Aussicht
Wegweisende Forschungsstation in Katalonien errichtet

Blick in den Sternenhimmel
Flexibles Ferienhaus von Orange Architects auf Texel

In altem Glanz
Restaurierung einer historischen Villa in der italienischen Provinz Modena

Viel Platz für Veränderung
Atelier Gardens in Berlin-Tempelhof von MVRDV

Sprechende Wände
Paul Smith blickt auf das Werk von Pablo Picasso

A wie Ausblick
Umbau eines kanadischen Ferienhauses am See

Neuer Spirit
Studio Heju gestaltet vier Ferienhäuser in der Bourgogne

Dynamische Doppelschale
Caspar Schols entwirft die flexible Cabin ANNA Stay

Moderner Jugendstil
Matteo Thun gestaltet das Hotel The Julius in Prag

Mit Scarpa baden
Ludwig Godefroy gestaltet das Hotel Casa TO in Oaxaca

Hüttenzauber im Teufelstal
Feriendomizil von Atelier L’Abri in Kanada

Mintgrüne Wellness-Oase
Day-Spa Infinity Wellbeing in Bangkok von Space Popular

Im Einklang mit dem Bestand
Aparthotel WunderLocke von Holloway Li in München

Blaue Stunde
Space Copenhagen gestaltet das Restaurant Blueness in Antwerpen

Wohnkulisse in der Villa Medici
FRAMA renoviert eine historische Villa bei Florenz

Shoppen im Wattebausch
Neue Jacquemus-Boutiquen von AMO in Paris und London

Explosion der Farben
Der Frankfurter Nachtclub Fortuna Irgendwo

Warten zwischen Wahrzeichen
Dorothée Meilichzon gestaltet Pariser Flughafenterminal neu

Das Hotelschatzkästchen
Das Château Royal in Berlin-Mitte

Urlaub mit Ausblick
Ferienhaus von Sigurd Larsen in der Uckermark
Tradition mit Twist
Wohnliches Badehaus von Handegård Arkitektur in Norwegen

Ziegelstein und Hefe
Hannes Peer gestaltete die Bäckerei Signor Lievito in Mailand

Elektrisierende Kiste
Autarkes Ferienhaus von Leopold Banchini in Australien

Respektvoller Dialog
Erweiterung eines Hotels in Mexiko von Max von Werz
