Eine Brücke für den Fortschritt
Die Stadt Stockton-on-Tees gehörte bisher zu einem der eher trostlosen Industriestandorte im Norden Englands. Im Zuge einer groß angelegten Revitalisierung der Region erhielt die Stadt nun ein neues, imposantes Wahrzeichen: eine 230 Meter lange Fußgängerbrücke über den Fluss Tees, die die Nord- und Südseite der Stadt miteinander verbindet. Die aus zwei großen, geschwungenen Bögen bestehende „Infinity Bridge“ glänzt vor allem durch die teils interaktive Beleuchtung der britischen Lichtdesigner von Speirs and Major. Schließlich zeigt die Brücke erst in beleuchtetem Zustand, worauf sich ihr Name bezieht: Nachts spiegeln sich die zwei beleuchteten Bögen im Wasser des Flusses wider und formen so das mathematische Zeichen für Unendlichkeit.
Mit Hilfe der sogenannten „Tees Valley Regeneration“ soll die von Industrielandschaften geprägte Nordseite der Stadt zum neuen „place to be“ werden. Ein Vier-Stufen-Plan wurde dazu von staatlichen Stellen ausgearbeitet, dessen Umsetzung 2006 begann und bis zum Jahr 2014 abgeschlossen sein soll. Neben Wohnhäusern, Cafés, Bars und Restaurants sollen vor allem attraktive Gewerbeflächen geschaffen werden, die Firmen anlocken und Jobs schaffen sollen. Um Stockton-on-Tees als Standort interessant zu machen, sollte zunächst ein neues Wahrzeichen geschaffen werden, ein städtisches Highlight mit Wiedererkennungswert. So lauteten die Vorgaben an die Architekten, die ihre Entwürfe für die neue Brücke über den Tees im Jahr 2003 einreichten. Ausgewählt wurde schließlich der Entwurf der Firma Expedition Engineering.
Wasserspiegelung als Lichtinszenierung
Eine Brücke aus zwei asymmetrischen, geschwungenen Stahlbögen von je 120 und 60 Meter Länge führt nun rund 4000 Menschen tagtäglich über den Fluss. An ihrem höchsten Punkt schwebt die Brücke rund 80 Meter über dem Wasser. Der aus Beton bestehende Steg ist dabei zwischen den beidseitigen Handläufen lediglich vier Meter breit, was die Präsenz der vergleichsweise großen Bögen zusätzlich unterstreicht. Mit ihren rund 230 Metern Länge ist die „Infinity Bridge“ außerdem eine der längsten Fußgängerbrücken des Landes.
Bei Tag bietet die Brücke bereits einen imposanten Anblick und wird ihrem Ruf als neues architektonisches Glanzstück der Stadt durchaus gerecht. Doch erst bei Nacht zeigt die „Infinity Bridge“ ihr wahres Gesicht: Die beiden Stahlbögen sind in weißem Licht dramatisch angestrahlt, während die Unterseite der Brücke in einem mystischem Blau erstrahlt. Das aus dem Wasser zu kommen scheinende, blaue Licht wird von der Unterseite des Stegs reflektiert, sodass es in farbig auf den Fluss zurückgeworfen wird. Die Spiegelung des Lichts im Wasser ist in der Inszenierung der Brücke durch Speirs and Major ein integraler Bestandteil, der bewusst miteinbezogen wurde.
Interaktive Lichtinstallation
Auch auf der Brücke selbst nimmt der Fußgänger die blaue Beleuchtung war, die, obwohl sie von unten heraufstrahlt, so eingesetzt ist, dass sie nicht blendet. Ein besonderer Clou verbirgt sich hinter den Handläufen an beiden Seiten der Brücke. Hier sind weiße und blaue LEDs installiert, die so programmiert sind, dass sie auf die Anwesenheit von Fußgängern reagieren. Die blauen LEDs strahlen den Betonboden an und markieren damit indirekt den Fußweg. Betritt nun ein Fußgänger die Brücke, erfassen ebenfalls hinter den Handläufen installierte Sensoren dessen Präsenz, worauf sich das blaue Licht in weißes verwandelt – parallel zum Weg des Fußgängers.
15 Millionen Pfund kostete das Projekt „Infinity Bridge“ schlussendlich, womit das ursprünglich vorgesehene Budget deutlich überschritten wurde. Doch angesichts des eleganten Designs und der ausgefeilten Lichtinszenierung dürfte sich die Investition gelohnt haben. Denn nicht ohne Grund wurde die „Infinity Bridge“ unter über 100 Einreichungen beim renommierten „Structural Engineering Excellence“-Wettbewerb mit dem „Supreme Award“ als beste Fußgängerbrücke ausgezeichnet.
Und so scheint die Rechnung aufgegangen zu sein: In aller Welt berichten Medien über das 80 000-Einwohner-Städtchen im Norden Englands und sein neues architektonisches Highlight, das schon bald sicher zahlreiche Postkarten zieren wird: Mit besten Grüßen aus Stockton-on-Tees.'
FOTOGRAFIE James Newton / © Speirs and Major Associates
James Newton / © Speirs and Major Associates
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