Elementarteilchen
Intim und transparent: Dank kluger 2-in-1-Lösungen passt sich ein Umbau in Barcelona flexibel an seine Bewohner an.
Ein Long-Stay-Hotel im Gotischen Viertel Barcelonas: Für das Projekt G-Roc lehnten sich Nook Architects sichtbar an ihre vorangegangenen Umbauten an, doch griff das spanische Trio noch einmal tief in die architektonische Trickkiste. Das Ergebnis sind flexible 2-in-1-Lösungen, die sich – wie aus Molekülen gebaut – immer wieder neu zusammenfügen lassen.
Gerade hatten sie den letzten Umbau im gleichen Gebäude fertig gestellt, da kam auch schon der nächste Auftrag: Auf die Projekte Casa Roc, Twin House und Roc Cube folgte nun G-Roc. In der dritten Etage desselben Altbaus wünschte sich der Bauherr damit ein weiteres möbliertes Apartment, in dem zukünftig ein bis zwei Personen Platz finden sollten. Als temporäres Mietobjekt geplant, musste der 50 Quadratmeter große Innenraum vor allem wandelbar sein und sich an die unterschiedlichen Bedürfnisse wechselnder Bewohner anpassen können. Eine weitere Anforderung war, restliche Baustoffe der letzten Projekte zu verwenden. Kein Problem für Ana García, Joan Cortés und Rubén Berenguer, die schon einige Erfahrungen mit Recyclingmaterialien und den alten Gemäuern sammeln konnten, und deren Projekte stets für offene Raumstrukturen, funktionale Details und ungewöhnliche Farb- und Materialkonzepte stehen.
Level Zwei
Ging es im letzten Projekt, dem Roc Cube darum, möglichst offene Übergänge zwischen den einzelnen Funktionsräumen zu schaffen, so lautete das Ziel hier, klare Tages- und Nachtzonen zu definieren. Der Wohn- und Schlafbereich, der im Zentrum des Apartments angesiedelt ist, nahm da eine ungünstige Stellung ein: Während sich Küche und Nassräume jeweils zu den Fassaden hin orientieren und über große Öffnungen nach draußen verfügen, gibt es in diesem Durchgangszimmer weder Balkon noch Fenster. Die Architekten erhielten daher zwar die dicken Hauptmauern, entfernten aber alle weiteren Abgrenzungen zwischen den Räumen. So kann das Licht bis ins Innere dringen und die Luft frei zirkulieren.
Solve et Coagula
Wie aber erhält man in einer weitestgehend transparenten Architektur intime Rückzugszonen? Hier dachten die Architekten einen Schritt weiter und schufen räumliche Abgrenzung auf vertikaler Ebene. Dank einer Erweiterung der Decke um einen halben Meter, konnten sie ein Zwischengeschoss für den Schlafbereich einfügen. So entsteht nicht nur das Gefühl von mehr Privatheit. Auch ermöglicht der nach oben hin vergrößerte Raum ein hohes Maß an Flexibilität in den unteren Räumen. Die Bewohner können so, je nach Bedarf, einen weiteren Schlafplatz, eine Lounge, einen Ankleide- oder einen Arbeitsbereich unterhalb des Bettes einrichten. Sinnvoll erscheint an dieser Stelle auch der Vorhang, mit dem man den Übergang zu den Nassräumen abschirmen kann. Ohne weitere Wände und Türen lassen sich die Bereiche damit auf einfache Weise trennen und wieder zusammenfügen.
Raum-Moleküle
Eine visuelle Verbindung über die Raumgrenzen hinaus entsteht auch durch die Gestaltung der Böden. In der Küche und für den Vorraum der Nassräume wie des Balkons nutzten Nook Architects sechseckige Fliesen, die an die Form von Molekülen erinnern und sich in organisch-unregelmäßiger Anordnung um Möblierung und Fenster herum verteilen. In Anthrazit, Grau und Türkis nehmen sie die Töne der Umgebung auf und bilden einen frischen Kontrast zu den Wandverkleidungen, Schrankwänden und Tischen in leuchtendem Zitronengelb. Eine Lichtschiene aus Neonröhren, mit der sowohl Bett wie auch Esstisch dezent beleuchtet werden, dient als weiteres verbindendes Element der Räume. Am oberen Geländer des Mezzanins integriert, setzt sie sich über die Breite der Küche fort und erzeugt so den Eindruck, sie verlaufe durch die Wand hindurch.
Architekten-Alchemisten
„Löse und verbinde“, ein Leitsatz der Alchemie, scheint auch das Konzept des jungen Architekten-Teams zu sein: Auf der einen Seite erhalten sie die massiven Wände und integrieren mit der zweiten Ebene wie auch dem Vorhang zusätzliche Abtrennungen innerhalb des Apartments. Auf der anderen Seite sind diese Elemente flexibel in der Nutzung und lassen sich mit wenigen Handgriffen verändern und umfunktionieren. Gleichzeitig schlagen Nook Architects mithilfe von wiederkehrenden Farben und Materialien eine Brücke zwischen beiden Seitenflügeln des schlauchförmigen Apartments. Und auch innerhalb des gesamten Gebäudes lassen sich nunmehr gestalterische Bezüge erkennen: So ähnelt das G-Roc wegen gleicher Materialien auf den ersten Blick stark dem Projekt Roc Cube. Neu zusammengefügt und mit einem individuellen Farbkonzept versehen, wird aus seinen einzelnen „Elementarteilen“ jedoch eine gänzlich neue Architektur.
FOTOGRAFIE Nieve - Productora Audiovisual Barcelona
Nieve - Productora Audiovisual Barcelona
Nook Architects
Projektarchitekten