Fenster zur Unendlichkeit
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Ein begehbares Vexierspiel schuf der französische Künstler Serge Salat: Seine Installation mit dem Titel Beyond Infinity trägt den Betrachter in ungeahnte Fernen. Strukturen aus Holz und Aluminium fügt der Künstler zu kubischen Geometrien zusammen, die sich bis in alle Ewigkeit zu wiederholen scheinen, sich ineinander schieben und miteinander verschmelzen. Spiegel ermöglichen den atemberaubenden Effekt, der durch ein raffiniertes Beleuchtungskonzept zur mystischen Reise wird. Von September bis November diesen Jahres tourt die Ausstellung durch zehn Städte Chinas, darunter Shanghai und Peking.
Künstler, Architekt und Schriftsteller – Serge Salat ist als „Allrounder“ stets darauf bedacht, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Seine multi-sensorischen Kunsträume wurden rund um die Welt ausgestellt, im Centre Pompidou ebenso wie anlässlich der Triennale in Mailand. Als Architekt war Salat unter anderem an Stadtplanungsprojekten in China beteiligt und erforschte Strategien für nachhaltige Stadtentwicklung. Seine Schriften umfassen Werke wie Les Labyrinthes de l’éternité oder The Sustainable Design Handbook – China. Beide Titel weisen auf zentrale Interessensgebiete des Künstlers hin: Fernost und – die Unendlichkeit. Die Installation Beyond Infinity verbindet beide Aspekte auf spektakuläre Art und Weise.
Fernöstliches Spiegelkabinett
Serge Salat ist stark vom Taoismus inspiriert: Konstante Wandlung ist das zentrale Thema von Beyond Infinity. Die Installation ist entsprechend der Trigramme im I Ging organisiert, die einzelnen Elemente können als Yin- und Yang-Aspekte eines gemeinsamen Konzeptes gelesen werden. Zudem bezieht sich der Künstler auf den Roman Der Traum der Roten Kammer aus dem 18. Jahrhundert: Das Werk des Autors Cáo Xuěqín ist einer der vier klassischen Romane Chinas und erzählt in komplex verwobenen Handlungssträngen die Geschichte einer aristokratischen Familie.
Mathematik der Unendlichkeit
Ähnlich verschachtelt präsentiert sich die Konstruktion von Beyond Infinity. Durch einen optischen Trick ergibt sich eine Vielzahl raffinierter Bezüge innerhalb eines einfachen Raumes. Dreidimensionale Strukturen aus Holz schmiegen sich an Wände und Decken, einige der Stäbe sind mit perforierten Platten aus oxidiertem Aluminium verkleidet, wodurch metallene Wabenstrukturen entstehen. Die Flächen des Raumes – Wände, Boden und Decke – sind mit Spiegeln verkleidet, welche die würfelförmigen Strukturen sowie die Besucher selbst unzählige Male reflektieren. Die geometrischen Muster erinnern dabei in ihrer Komplexität an Fraktalkunst. Salat verweist damit auf die Faszination, welche Zahlenverhältnisse seit jeher auch auf die westliche Kultur ausüben. Nicht zufällig waren die Philosophen der Antike stets auch Mathematiker: Zahlen sollten den Weg zur Erkenntnis ebnen.
Traum oder Wirklichkeit
Beyond Infinity führt den Besucher aber zunächst in eine Zwischenwelt. Ein blaues Raster aus Holzstäben bildet den Eingang. Darin eingelassen ist eine dunkle Aussparung, die den Betrachter selbst zu verschlucken scheint: Der Künstler bezeichnet sie als „endlosen vertikalen Bruch“. Im Inneren bewegt sich der Besucher zu musikalischen Klängen durch eine Folge von Räumen, die miteinander verwoben scheinen. Licht, Musik, Skulptur und Architektur bilden ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk, das Raum und Zeit auf beeindruckende Weise zueinander in Beziehung setzt. Im dämmrigen Halbdunkel verschwimmen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Wahn und Erkenntnis. Es entsteht ein in sich geschlossenes System, das Unendlichkeit vorgaukelt, den Betrachter aber stets wieder zu sich selbst zurückführt.
Kosmische Visionen
Für besondere optische Effekte sorgt bei dieser Installation die Beleuchtung. Das Licht verändert sich in gleichbleibendem Rhythmus: Innerhalb einer Minute wandelt es sich von Blau zu Weiß und durchläuft dabei alle Lichtstimmungen eines Tages. In endlosen Wiederholungen vollzieht es den Zyklus vom Sonnenaufgang über die Abenddämmerung bis hin zur nächtlichen Finsternis. Die fließenden Übergänge verstärken den traumartigen Zustand, scheinen die Zeit anzuhalten und gleichzeitig zu beschleunigen. Verschiedenfarbige Lichtquellen setzen darüber hinaus einzelne Akzente. Der Rhythmus ihrer Wiederholungen in den Spiegelflächen zaubert märchenhaft glitzernde Muster und Perlenstränge aus purem Licht. Honigfarbener Schein verwandeln die metallischen Kuben in Bienenwaben, ultraviolettes Licht taucht sie in geheimnisvollen blauen Schimmer: Beyond Infinity wird zum übernatürlichen Leuchten aus einer anderen Welt.
Durch effektvollen Einsatz einfacher Mittel potenziert Salat die halluzinatorischen Räume, die man sonst aus dem Kino oder dem Spiegelkabinett kennt. Beyond Infinity kombiniert Sichtachsen und Dimensionen in immer neuen Variationen, wird zur Schnittstelle von Sichtweisen und Kulturen, von Traum und Wirklichkeit, von Hier und dem Anderswo. Der Blick schweift in die weitesten Fernen und verliert sich – jenseits der Unendlichkeit.
FOTOGRAFIE Didier Boy de la Tour
Didier Boy de la Tour
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