Finnische Pyjamaparty in Paris
Hüttenzauber im Kulturinstitut: Finnland feiert seine Unabhängigkeit mit einer hunderttägigen Übernachtungssause in nordischer Gemütlichkeit.

Anlässlich des hundertsten Jahrestages der staatlichen Unabhängigkeit verwandelt sich das Pariser Kulturinstitut der finnischen Republik in ein Bed & Breakfast: Hundert Nächte lang bietet die Ruheoase mit viel Geselligkeit Einblicke in die nordische Lebenskultur. Ein Besuch zur Housewarming-Party.
Das Pariser Wetter am Tag der Housewarming-Party ist passenderweise genau so, wie man sich einen skandinavischen Winter vorstellt: klirrend kalt. Doch während die eisigen Temperaturen die einheimischen Lokale leer stehen lassen, herrscht im finnischen Kulturinstitut mitten im eleganten Stadtteil Saint-Germain-des-Près dichtes Gedränge. Der Grund ist die Initiative Mobile Home 2017 des finnischen Kulturministeriums, die sich im Rahmen der Veranstaltungen zum Unabhängigkeitsjubiläum des Landes mit der Frage beschäftigt, welche Rolle Heim und Heimat heute und in der Zukunft in Zeiten globaler und verschränkter Mobilität spielen werden.
Hütten statt Haussmann
In der französischen Hauptstadt konnte Institutsleiterin Meena Kaunisto zahlreiche Künstler, Designer und Handwerker für dieses Projekt mit dem Namen Koti (dem finnischen Wort für Zuhause) gewinnen. Bis Anfang Mai können hier je maximal zwölf Personen in sechs eng aneinander gereihten Holzhütten mit landestypischem Flair übernachten – buchbar sind die Cabanes ganz unkompliziert bei Airbnb.
Back to nature
Bei der Gestaltung der Holzhütten ließ sich die finnische Designerin Linda Bergroth von den sogenannten Aittas inspirieren: den ursprünglichen Getreidespeichern, in denen früher oft auch die Bediensteten eines Landwirtschaftsbetriebes beherbergt wurden und die heutzutage vielen Finnen als unkompliziertes Wochenendhaus dienen. „Natürlich ist auch in Finnland die Heimat dort, wo das Herz ist“, sagt Bergroth. Ihr gefällt die Idee, in die Natur und in eine einfache Hütte, oft ohne Strom oder fließendes Wasser, zurückzukehren. „Ich denke, dass wir uns dadurch wieder mehr auf so wesentliche Dinge wie Familie und Freunde konzentrieren und leichter vom Druck und der Verantwortung des Alltags erholen können.“
Hauch von Luxus
Während die winzigen Häuschen aus massivem Kiefernholz gemäß diesem Leitmotiv nur mit dem Notwendigsten eingerichtet sind und die Gemeinschaftsduschen und -toiletten sowie der langgestreckte Frühstückstisch fast ein bisschen Camping-Charakter haben, sind die wenigen vorhandenen Dinge von der finnischen Designelite umso luxuriöser gestaltet: Bettbezüge, Handtücher, Bademäntel und Hausschuhe werden von dem exklusiven Traditionsunternehmen Lapuan Kankurit zur Verfügung gestellt, das Architektenduo Mattila & Merz entwarf für den Hersteller Nikari alle mobilen Einrichtungsgegenstände, Kaffee und Tee werden in Kannen von Wesley Walter und Salla Luhtasela und das Frühstück auf einem entzückenden, extra für dieses Projekt entworfenen Keramikservice von Nathalie Lahdenmäki serviert. Wer gut schläft, soll auch gut in den nächsten Tag starten – dafür sorgen die Lichttherapie-Leuchten von Innolux, die den morgendlichen Aufwachprozess angenehmer als üblicherweise gestalten.
Gemeinsamer Großeinsatz
Insgesamt zwei Jahre lang plante Institutsleiterin Meena Kaunisto dieses ambitionierte Gesamtpaket. „Natürlich ist die Hauptidee eines solchen Projektes, unser Land und unsere Lebenskultur zu promoten“, gibt sie offen zu. „Aber mir gefällt vor allem die Idee, eine Begegnungs- und Austauschstätte zwischen verschiedenen Generationen und Kulturen zu schaffen. Begeistert hat mich auch der Enthusiasmus aller Beteiligten, den sowohl namenhafte als auch unbekannte Personen von Anfang an für dieses Projekt zeigten“, erzählt sie. Am meisten berührte die Institutsleiterin dabei der Einsatz eines winzigen Familienunternehmens aus dem finnischen Dorf Fiskars. Sie haben dem finnischen Kulturministerium ihr Kiefernholz für die Koti-Holzhütten zum Selbstkostenpreis überlassen und es sogar eigenhändig nach Paris gebracht.
Das einzige, was Meena Kaunisto jetzt noch fehlt, sind passende Namen für ihre Hütten – denn bis jetzt werden sie ganz unoriginell nach der Farbe ihrer jeweiligen Schiebetüren und Personenkapazität genannt. Vorschläge und Besuche sind jederzeit willkommen!
FOTOGRAFIE James Hart
James Hart
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