Fremdkörper mit Palmendach
Palapa an Beton: Tadao Ando hat sechs Künstlerresidenzen in Südwestmexiko entworfen.

Die Schönheit des Vergänglichen und Unvollkommenen ist ein wesentlicher Aspekt der japanischen Ästhetik: Aber nicht im asiatischen Inselstaat, sondern an der mexikanischen Pazifikküste findet sich seit kurzem ein beeindruckendes Beispiel für die jahrtausendealte Lehre, gebaut vom berühmten Baukünstler Tadao Ando.
In unmittelbar Nähe der vor allem bei Surfern beliebten Stadt Puerto Escondido („Versteckter Hafen“) befindet sich die Casa Wabi: Sechs Künstlerresidenzen, mehrere Studios und Ausstellungsräume sowie einen 27 Hektar großen Garten beherbergt die Anlage, die der mexikanische Maler Bosco Sodi in Auftrag gab.
Architektur und Kunst
„Farbe muss einen Klang erzeugen“, sagt Bosco Sodi. Und der Künstler weiß, wovon er spricht, ist er doch bekannt geworden für seine reliefartigen Bilder mit kraftvollen Farbpigmenten, die er experimentellen Prozessen unterzieht. Und nirgendwo könnten seine Arbeiten besser zur Geltung kommen, als inmitten der ausgedörrten Landschaft Südwestmexikos. Auch hier hat das Klima ein Wörtchen mitzureden und wahrt seinen Einfluss auf die Dinge. Doch um Sodis Malereien geht es hier gar nicht in erster Linie: Der Künstler will mit Casa Wabi einen Ort schaffen, der zum Austausch von Ideen zwischen nationalen und internationalen Künstlern anregt – und nicht zuletzt die lokale Bevölkerung für Kunst begeistern soll.
Balance durch Gegensätzlichkeit
Als Planer kam für den Künstler nur einer in Frage: Tadao Ando. „Ich habe seine Architektur immer bewundert und glaube, dass es eine Beziehung zwischen seiner und meiner Arbeit gibt“, erklärt Sodi. Ando benutzte beim Bau von Casa Wabi seinen Lieblingswerkstoff Beton – und kombinierte ihn mit einer typischen Bauweise der Region: dem Palmenblatt-Dach der Palapa-Hütte. Diese Konstruktion schwebt über den Baukörpern und sorgt für einen ständigen Luftaustausch, weshalb Palapas vor allem in Strandnähe gebaut werden. So ist eine Mischung aus moderner Architektur und lokalen Bautraditionen entstanden, die ihree Balance in der Gegensätzlichkeit findet: Die Betonkörper ragen aus dem Sand des Grundstücks heraus und könnten wie Fremdkörper wirken, doch dank der Palmendächer werden die Volumen in der regionalen Architektursprache verortet.
Die Schönheit des Unfertigen
Namensgeber der Künstlerresidenz ist das Ästhetikkonzept Wabi-Sabi, das seit mehreren Jahrhunderten die Kultur Japans prägt. Die Lehre sieht in dem Verhüllten und Gebrochenen das wahre Schöne: Zu den wichtigen Symbolen zählen der bemooste Fels, die knorrige Kiefer und der leicht verrostete Teekessel. Tadao Andos Betonkörper übertragen die Idee auf die Landschaft Südmexikos: Die Architektur wirkt unfertig und zugleich schön in ihrer archaischen Wirkung – zudem behält sie sich das Recht der Veränderung vor. Und damit schließt sich der Kreis zu den Arbeiten Bosco Sodis, die oft mit einer Entdeckungsreise in unbekannte Gebiete verglichen werden: zwar geplant, aber ohne den Ausgang zu kennen.
FOTOGRAFIE Estudio Zabé
Estudio Zabé
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